Aufgelesen
  Aus Dr. Ida Raming "Römisch-katholische Priesterinnen, Realität in der gegenwärtigen und zukünftigen Kirche", Lit-Verlag Berlin 2013, S. 68 ff.

"Die zwölf Apostel waren Männer..."
Stereotype Einwände gegen die Frauenordination und ihre tieferen Ursachen *

Seitdem das Thema 'Frau in der Kirche' eine größere Aktualität gewonnen hat und eine zunehmende Zahl von Frauen in der Lage ist, sich anhand der Fülle von einschlägigen Publikationen über ihre Situation in der Kirche zu informieren, wird in Gesprächen mit kirchlichen Amtsträgern oder in Diskussionsrunden immer häufiger die Frage nach der Frauenordination, also nach dem Priesteramt für Frauen gestellt. Das ist nicht verwunderlich, hängt doch von der Beantwortung dieser Frage die Glaubwürdigkeit der Kirchenleitung in ihrem Verhältnis zu den Frauen in besonderem Maße ab; sie erhält gewissermaßen den Stellenwert einer Testfrage. Trotz aller wissenschaftlichen Aufklärungsarbeit, die in den vergangenen Jahren geleistet wurde, werden auch heutzutage noch immer ganz bestimmte Einwände gegen die Frauenordination von seiten höherer kirchlicher Amtsträger vorgebracht.

Die folgenden Ausführungen befassen sich mit diesen in stereotyper Form wiederholten Einwänden und versuchen ihre möglichen tieferen psychologischen Hintergründe zu beleuchten.

Jesus berief nur Männer zu Aposteln...

Wohl am häufigsten werden in Diskussionen, aber auch noch in einschlägigen Artikeln und amtskirchlichen Dokumenten, die 'zwölf Männerapostel' ins Spiel gebracht, die Jesus angeblich erwählt hat, um dadurch "für alle Zeiten" klarzustellen, daß er die Frauen aus der Gruppe der Zwölf, der Apostel und aus den in der Folgezeit sich herausbildenden Ämtern : Presbyterat und Episkopat ausgeschlossen haben wollte. Dieses Argument ist bereits in vielen einschlägigen Artikeln und Büchern widerlegt worden , so daß wir uns auf eine Zusammenfassung der Gegenargumente beschränken können, um dann die eigentlichen Hintergründe dieses Arguments aufzudecken.

Im Widerspruch zu der traditionalistischen Argumentation wurde längst klargestellt, daß Jesus - in notwendiger Übereinstimmung mit der sozialen Struktur des antiken Israel, die eindeutig patriarchalischen Charakter hatte, zwölf Männer als Vertreter der zwölf Stämme Israels wählte, die in der hebräischen Bibel ebenfalls nur durch Stammväter (die Söhne Jakobs) repräsentiert wurden, entsprechend der in der Antike herrschenden Vorstellung, wonach nur der Mann als der Leben Zeugende galt (vgl. Gen 35,23; s. auch Gen 49,1-28).

Jesus wollte durch die Wahl der Zwölf auf symbolische Weise zum Ausdruck bringen, daß ganz Israel Adressat seiner Botschaft war und auf den Weg der Umkehr gerufen wurde. Dieses symbolische Handeln Jesu war keineswegs auf Exklusivität ("nur Männer") ausgerichtet, sondern hat eindeutig inklusiven Charakter. Es ist als eschatologisches Zeichen zu verstehen: "Jesu Wirken zielt ab auf die Versammlung des neuen eschatologischen Gottesvolkes im nahen Gottesreich". So bediente er sich des von allen Isaeliten verstandenen Symbols der Zwölf-Zahl. Wenn Jesus allerdings dabei die Absicht unterstellt wird, er habe die Frauen dezidiert von der Gruppe der Zwölf ausschließen wollen, ist das nichts anderes als eine Projektion patriarchalischer Gesinnung heutiger kirchlicher Amtsträger in Jesus hinein und eine Pervertierung seiner an ganz Israel gerichteten Heilsbotschaft: Ist doch in den Evangelien kein Wort Jesu zu finden, das es rechtfertigte, solche Intention auch nur im entfernten vorauszusetzen.

Die "Zwölf" wurden nach Aussage der neutestamentlichen Schriften von Jesus zur Verkündigung der Frohbotschaft vom Reich Gottes ausgesandt; Jesus selbst und die Zwölf predigten in den Dörfern und Städten Israels, auch in den dortigen Synagogen (Mk 1,39; 6,1f; 6,6b-13 parr; Apg 13,5 u.ö.). Wie hätten Frauen solchen Auftrag übernehmen bzw. erfüllen sollen in ihrer damaligen Situation, hatten sie doch nicht einmal ein Rederecht in der Synagoge! Ein öffentlich-amtliches Zeugnis war ihnen ebenfalls verwehrt.

Vor dem Hintergrund der streng patriarchalischen Struktur der Zeit Jesu legt sich darum als einzig plausible Interpretation nahe: Für das Verhalten Jesu und seiner Mitarbeiter in dieser Hinsicht genügt zur Erklärung "das damalige kulturelle und gesellschaftliche Milieu, in dem sie handelten und so handeln mußten, wie sie gehandelt haben..."

Ihre Handlungsweise hat daher keine normative Bedeutung für die Strukturen einer späteren Kirche, ebensowenig wie das Faktum, daß Jesus nur Juden für die Gruppe der Zwölf ausgewählt hat.

Die soziologisch gewachsenen Strukturen seiner Zeit konnte Jesus nicht einfach außer Kraft setzen; das von ihm zu erwarten, hieße, die Inkarnation Gottes in Jesus nicht wirklich ernst zu nehmen. Diese Vorgegebenheiten und Zusammenhänge werden ignoriert, wenn Papst Johannes Paul II. behauptet: "Wenn Christus nur Männer zu seinen Aposteln berief, tat er das völlig frei und unabhängig. Er tat es mit derselben Freiheit, mit der er in seinem Gesamtverhalten die Würde und Berufung der Frau betonte, ohne sich nach den herrschenden Sitten und nach der auch von der Gesetzgebung der Zeit gebilligten Tradition zu richten. Daher entspricht die Hypothese, er habe Männer zu Aposteln berufen, indem er der damals verbreiteten Mentalität folgte, ganz und gar nicht der Handlungsweise Christi."

Solcher Behauptung fehlt es m.E. an der notwendigen Differenzierung. Der Umgang Jesu mit einzelnen Frauen, die ihm begegnen oder zu seinen Jüngerinnen zählen, liegt nämlich nicht auf der gleichen Ebene wie die als Symbolhandlung zu verstehende Berufung der Zwölf; m.a.W., Jesu hat im Umgang mit Frauen zwar sehr wohl an Tabus und Vor-Urteile seiner Zeit gerührt (vgl. z.B. Joh 4,27; Mk 5,24b-34 u.ö.), aber soziologisch und gesetzlich vorgegebene Strukturen seiner Zeit (Ausschluß der Frauen von öffentlicher Rede in den Synagogen und von der Zeugenfunktion vor Gericht) hat auch er nicht durchbrechen oder überwinden können, ebensowenig wie er die Sklaverei als soziologische Institution seiner Zeit zwar vorfand und kannte, aber sie weder ächtete noch bekämpfte, obwohl Sklaverei für die Betroffenen hieß, zum Sachobjekt für die Besitzenden herabzusinken. Den Evangelien zufolge verstand sich Jesus nicht als Sozialreformer, sondern legte allenfalls Grundlagen für künftige Strukturreformen in Kirche und Gesellschaft, die sich aus seiner Reich-Gottes-Botschaft ergeben.



Neuere Forschungen zum Apostelbegriff

Gegenüber dem eingangs genannten, geschichtliche Zusammenhänge außer Acht lassenden Scheinargument ist geltend gemacht worden, daß die Begriffsbildung "Zwölf Apostel" (die Männer waren) als eine "sekundäre Verengung eines ursprünglich viel weiteren Apostelbegriffs" anzusehen ist. "Apostel sind in der ältesten Zeit alle, die feierlich und offiziell ausgesandt werden - entweder von einer Gemeinde (vgl. 2 Kor 8,23; Phil 2,25) oder vom Auferstandenen selbst (vgl. 1 Kor 9,1; 15,7)". Zu diesem größeren Apostelkreis, der neben den Zwölf auch missionarische Wanderapostel umfaßte, gehörten auch Frauen (vgl. Röm 16,7: Junia) , z.T. auch Apostelehepaare (Röm 16,3: Priska und Aquila werden als Mitarbeiter des Paulus in der Missionsarbeit bezeichnet). Die Existenz weiblicher Missionsapostel in der frühen Kirche stellt einen Traditionsbeweis dar für die Existenz weiblicher Amtsträger - entgegen der traditionellen Auffassung, wonach nur Männer kirchliche Amtsträger waren. Der in dieser Weise argumentierenden "Erklärung der Glaubenslehre zur Frage der Zulassung der Frauen zum Priesteramt" - Inter insigniores (1976), die voraussetzt, daß eine gerade Linie von den "Zwölf Aposteln" zu den späteren Bischöfen und Priestern führe, wird mit dem Hinweis begegnet, daß "der Übergang vom Begriff des Apostels und der Zwölf zum Begriff des Priesters (und Bischofs)" zu einfach konstruiert werde, "als daß er den heutigen Erkenntnissen des Werdens der Urkirche, ihrer Struktur und Organisation genügen könnte". Diesen Erkenntnissen zufolge hat Jesus "kein Amtspriestertum gestiftet", sondern hat Jünger "zur Proklamation der Gottesherrschaft ausgesandt und zwölf von ihnen zu eschatologischen Zeugen für Israel bestimmt (vgl. vor allem Mt 19,28 par Lk 22,29f)... Die Ausformung und Strukturierung von Ämtern..." (des Episkopats, Presbyterats und Diakonats) "blieb der sich entfaltenden Kirche überlassen."

Aus alldem folgt, daß das eingangs genannte "Argument", Jesus habe die Frauen bewußt und absichtlich aus der Gruppe der Zwölf (Apostel) und damit aus den angeblich daraus abgeleiteten Ämtern (Episkopat und Presbyterat) für alle Zeiten ausgeschlossen, bei differenzierter Betrachtung des Entstehungsprozesses von Kirche und ihren Ämtern in sich zusammenfällt. - Zu einem ähnlichen Ergebnis kam auch die Päpstliche Bibelkommission, die zunächst in die Vorbereitung der Erklärung Inter insigniores eingeschaltet worden war. "Um ihre Meinung in der Frage nach der biblischen Basis für die Beurteilung der Priesterweihe von Frauen befragt", hatte die Bibelkommission mehrheitlich erklärt, daß ein Verbot weiblicher Priester in der Hl. Schrift nicht enthalten sei und daß der Heilsplan Christi durch Zulassung der Frauenordination nicht überschritten und verfälscht würde. Offensichtlich waren diese Ergebnisse von seiten der Glaubenskongregation weder erwartet noch erwünscht, so daß sie "diesem Trend " ... durch ihre Erklärung "ein Halt entgegensetzen" wollte.



Tiefere Gründe für die lehramtliche Position

Das starre Festhalten an diesem Scheinargument macht allerdings unübersehbar deutlich, daß es dabei gar nicht um Erkenntnis von Wahrheit im historischen oder wissenschaftlichen Sinne geht; vielmehr verdeckt solche Argumentation nur die zutiefst patriarchalische, antifeministische Gesinnung, die die Autorität Jesu und Gottes nur vorschützt, weil es (heute) inopportun wäre, sich offen und unverbrämt gegen die Zulassung von Frauen zu kirchlichen Ämtern zu äußern. Diese patriarchalische Einstellung verhindert auch, daß ernst gemacht wird mit der praktischen Umsetzung der Botschaft von Gal 3,27f: "in Christus ist nicht männlich und weiblich", d.h. daß die Geschlechtsunterschiede im religiösen Bereich völlig irrelevant sind. Wenn dem dann noch in geradezu zynischer Weise entgegengehalten wird, diese Aussage gelte nur vor Gott und "im Himmel", nicht aber auf Erden und in den sichtbaren Institutionen, dann zeigt das wiederum eine erschreckende patriarchalische Verhärtung des Herzens: Sie verweigert sich dem Willen Gottes, der auf Gerechtigkeit zielt ("dein Wille geschehe wie im Himmel so auch auf Erden"), und zwar in dieser Welt. Sie will festhalten an dem Ungeist des "alten Adam" (Eph 4,22) und sich dem Neuen, das durch das Kommen des Gottesreiches in und mit Jesus präsent geworden ist, verschließen.

Demgegenüber lautet der urchristliche Appell: "Zieht an den neuen Menschen, der nach Gottes Urbild in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit geschaffen ist!" (Eph 4,24). "Wenn jemand in Christus ist, so ist er ja eine neue Schöpfung: das Alte ist vergangen, Neues ist geworden" (2 Kor 5,17), und: "Ihr alle, die ihr auf Christus getauft worden seid, habt Christus angezogen. Da ist nicht ... männlich und weiblich; denn ihr alle seid einer in Christus Jesus" (Gal 3,26-28). An der patriarchalischen Geschlechter-"Ordnung", an der Herrschaft des Mannes über die Frau in der Kirche festhalten (wollen), heißt demnach: sich dem Wirken des Geistes Jesu und Gottes in unserer Zeit verschließen, den Anbruch des Reiches Gottes aufhalten, ihn zu verhindern suchen. Um die Mächte des "alten Adam", die Sünde des Patriarchats, in Kirche und Gesellschaft zu überwinden, ist daher nicht weniger als eine Bekehrung der Herzen hin zum Willen Gottes vonnöten, zu dem, was Reich Gottes eigentlich meint.



In diesem Zusammenhang ist jedoch die Frage unausweichlich: Sind Menschen (Männer), die sich einem streng hierarchischen kirchlichen System verpflichtet haben, das das Gehorsamsprinzip über die freie Gewissensentscheidung stellt, überhaupt dazu fähig, solche Neuwerdung mit allen Konsequenzen zu vollziehen?

Da sie selbst ihre innere Freiheit für dieses geschlossene hierarchische System aufgegeben haben oder vielleicht auch nie entwickeln konnten, sind sie ihrerseits darauf bedacht, nur angepaßte, "gehorsame" Männer mit kirchlichen Ämtern zu betrauen. So perpetuiert sich das geschlossene System, - Reformen von oben und von unten sind unerwünscht und werden abgeblockt.

Ist denn dann alle Hoffnung auf Befreiung für die Unterdrückten vergeblich?

Hoffnung für sie besteht - trotz allem - m.E. nur im Vertrauen auf Gottes Geisteskraft, die "weht, wo sie will" (vgl. Joh 3,8), im Vertrauen darauf, daß die Unterdrückten, erfüllt vom Glauben an die alles überwindende Kraft des auferstandenen Christus, den Willen aufbringen, sich in einem revolutionären Aufbruch zu erheben.



Das Gewicht einer zweitausendjährigen Tradition?

Eine Tendenz zur Konservierung des tradierten patriarchalischen Geschlechterverhältnisses in der Kirche, also die Weigerung umzudenken, verrät auch die öfter in Stellungnahmen kirchlicher Amtsträger zur Frauenordination angeführte Begründung, daß das "Gewicht einer zweitausendjährigen Tradition" einer Änderung der Kirchenordnung in dieser Hinsicht entgegenstehe. Dabei wird der Eindruck erweckt, als handele es sich um eine ununterbrochene Kette von ernstzunehmenden Traditionszeugen bzw. -belegen von den Uranfängen der Kirche, ja von Jesus selbst bis hin zur Gegenwart. Solche Argumentation hat, psychologisch gesehen, eine nicht zu unterschätzende Wirkung; denn wer kann sich schon dem Gewicht einer solch lang anhaltenden Tradition entziehen? Erscheint nicht jeder Einsatz für die Frauenordination unter diesen Umständen von vornherein als sinnlos?

Den verantwortlichen Amtsträgern dient die Berufung auf die angeblich zweitausendjährige entgegenstehende Tradition als Rechtfertigung dafür, eine Änderung der derzeitigen Lage der Frau in der Kirche möglichst bis auf unbestimmte Zeit hinauszuzögern. Selten oder eher gar nicht kommt dabei in den Blick, was es mit dieser "zweitausendjährigen Tradition" eigentlich auf sich hat. Bei näherer Untersuchung entpuppt sie sich nämlich als eine Reihe von Aussagen (z.B. Kirchenväterzitaten - echten und unechten -, päpstlichen Dekretalen, darunter etliche Fälschungen, Synodenbestimmungen), die darin übereinstimmen, daß sie der Frau liturgisch-kultische und pastorale Funktionen, die an kirchliche Ämter gebunden sind, vorenthalten und die Unterordnung der Frau unter den Mann fordern. Die sog. Traditionszeugen , darunter bestimmte Bibelstellen und darauf fußende Texte aus der Patristik und der mittelalterlichen Theologie, gehen durchgängig von einer seinsmäßigen, oft auch ethischen Vorrangstellung des Mannes aus. Dies ist inzwischen durch zahlreiche einschlägige wissenschaftliche Untersuchungen bestätigt worden. Eine Tradition aber, die auf Diskriminierung der Frau aufgrund des weiblichen Geschlechts basiert, kann keinerlei Geltung beanspruchen.



Darüber hinaus werden bei der Berufung auf die angeblich ununterbrochene "zweitausendjährige Tradition" bemerkenswerte Beispiele einer gegenläufigen frauenfreundlichen Tradition völlig ausgeblendet. So die Tatsache, daß Frauen in der frühchristlichen Missionsbewegung als amtliche Mitarbeiterinnen (Diakoninnen, Vorsteherinnen von Hausgemeinden, Missionsapostelinnen) tätig waren (vgl. Kol 4,15; 1 Kor 16,19; Röm 16,1.3; 16,7). Im Zuge der Konsolidierung des dreigliedrigen Amtes (Episkopat, Presbyterat, Diakonat) wurden Frauen jedoch schon sehr bald aus bedeutenderen Gemeindediensten verdrängt (vgl. 1 Tim 2,11-15). Verbote einer Amtsausübung von Frauen, bereits im NT wie auch in späteren Quellen (Kirchenordnungen aus dem 3.-5. Jh; Synodenbestimmungen; päpstliche Dekretalen), sind freilich ebenfalls implizite Zeugnisse für das Wirken weiblicher Amtsträger. Darüber hinaus weisen auch Grabinschriften auf die Existenz von Amtsträgerinnen in der frühen Kirche hin. Gegen die im Zusammenhang mit der Sakramentstheologie des Mittelalters aufkommende Lehrmeinung, Frauen seien um ihres vermeintlich minderwertigen Geschlechts nicht "weihefähig", erhob sich Widerspruch seitens einiger Theologen und Kanonisten, die in der Taufe, nicht aber im (männlichen) Geschlecht die Voraussetzung für eine gültige Ordination sahen: "Nach empfangener Taufe kann jede/r, ob Mann oder Frau, ordiniert werden" (post baptismum quilibet potest ordinari). Unabdingbare Voraussetzung für eine gültige Ordination ist danach allein die Taufe und freilich eine entsprechende Eignung (Charisma) für das Diakonats- und Priesteramt. Allein diese Auffassung kann für sich in Anspruch nehmen, der Botschaft des Evangeliums (vgl. Gal 3,27f) zu entsprechen.



Zu dieser gegenläufigen Tradition gehören ebenfalls die Zeugnisse von Frauen, die ihren Ausschluß vom Priesteramt im Laufe der Jahrhunderte als schmachvolle Degradierung beklagten (z.B. Marie de Jars de Gournay, 17. Jh.) oder darüber hinaus aufgrund ihres religiösen Charismas den Priesterberuf erstrebten (z.B. Therese von Lisieux, 1873-1897). Besonders seit dem 2. Vatikanischen Konzil nimmt die Zahl der Frauen in aller Welt beständig zu, die sich zu ihrer priesterlichen Berufung bekennen. Auch auf teilkirchlicher und gesamtkirchlicher Ebene gibt es seit dem 2. Vaticanum mannigfache Zeugnisse einer von der vatikanischen Kirchenleitung abweichenden Tradition. Zahlreiche nationale Synoden verabschiedeten Resolutionen zugunsten des Diakonats, z.T. auch des Presbyterats der Frauen. Bischöfe und Kardinäle sprachen sich dafür aus.

Fazit: Von einer ununterbrochenen monolithischen zweitausendjährigen Tradition bezüglich des Ausschlusses der Frau vom Priesteramt, die von der Kirchengemeinschaft in ungeteilter Übereinstimmung angenommen wurde, kann also nicht die Rede sein,

- diese ist vielmehr eine tendenziöse Fiktion. Es gibt unübersehbare, zahlreiche Belege dafür, daß diese Tradition durch Dekrete, Repressionen und Strafmaßnahmen seitens der vatikanischen Kirchenleitung künstlich konserviert wird. Sie noch weiter fortschreiben zu wollen, heißt: an der Frauenfeindlichkeit, die sich im Ausschluß der Frauen vom Priesteramt in besonderer Weise manifestiert, festhalten zu wollen und damit der Entwicklung seit dem 2. Vatikanischen Konzil hin zu einer erneuerten geschwisterlichen Kirche schwere Hindernisse in den Weg legen.



Symbolische Bedeutung der Geschlechterrelation contra Frauenordination

Um die vorgebrachten Gründe aus "Schrift und Tradition" zu vertiefen und zu unterstützen, greift das kirchliche Lehramt zur Symbolargumentation, einer Art anthropologisch-metaphysischer Erklärungshilfe. Dabei soll der Erklärung Inter insigniores zufolge die "tiefe Übereinstimmung aufgezeigt werden, die die theologische Reflexion zwischen der dem Weihesakrament eigenen Natur - mit ihrem besonderen Bezug auf das Geheimnis Christi - und der Tatsache, daß nur Männer zum Empfang der Priesterweihe berufen werden, feststellt." Allerdings wird eingeräumt, daß es bei dieser Art von Argumentation nicht darum gehe, "einen stringenten Beweis für die kirchliche Lehre zu erbringen, sondern sie "durch die Analogie des Glaubens zu erhellen." Dennoch nimmt dieser "Analogiebeweis" in der Diskussion um die Frauenordination einen derart hohen Stellenwert ein, daß der Eindruck entsteht, daß er letztlich für die Amtskirche ausschlaggebend ist. In dieser Argumentation kommt nämlich die Auffassung der Kirchenleitung von der Anthropologie der Geschlechter zum Tragen, die letztlich die Grundlage bietet für die Aufrechterhaltung eines rein männlichen Priestertums.

Die Symbolargumentation beinhaltet folgenden Gedankengang:

Sie beruft sich zunächst auf das alttestamentliche Bildmotiv "Bräutigam" - "Braut", das zur Veranschaulichung der innigen Beziehung zwischen Jahwe und dem Volk Israel dient und im NT (Eph 5) auf das Verhältnis zwischen Christus und der Kirche in analoger Weise übertragen wird. Daraus schlußfolgert die Erklärung Inter insigniores, "daß in den Funktionen, die den Weihecharakter erfordern und wo Christus selbst, der Urheber des Bundes, der Bräutigam und das Haupt der Kirche, in der Ausübung seiner Heilssendung repräsentiert wird", besonders in der Eucharistiefeier, "seine Rolle von einem Mann verkörpert" werden müsse; denn - so die Erklärung - "Christus selbst war und bleibt nämlich ein Mann"; daher könne die Funktion Christi in der Eucharistie nur durch einen männlichen Priester sakramental darstellt werden.

Bei dieser Argumentation greift Inter insigniores u.a. zurück auf ekklesiologische Auffassungen der ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts. Besonders in der Liturgiewissenschaft wurde das Verhältnis zwischen Amt und Gemeinde damals häufig mit der in Eph 5 verwandten Symbolik (Bräutigam Christus - Braut Kirche) beschrieben, obwohl diese Textstelle nur auf die Ehe bezogen ist, nicht aber auf die kirchlichen Strukturen.

Gegenüber der symbolistischen Argumentation sind vor allem folgende Einwände geltend zu machen:

- Symbole sind mehrdeutig; sie entsprechen dem jeweiligen Bezugssystem, innerhalb dessen sie fungieren. Das Motiv "Bräutigam" - "Braut", das im AT und in Eph 5 ein hierarchisches Gefälle ausdrückt, ist nur innerhalb einer patriarchalischen Gesellschaft schlüssig. Die menschlichen Eheformen unterliegen aber der historischen und gesellschaftlichen Veränderung. Die Beziehung zwischen Christus und Kirche wird im NT auch durch andere Symbole ausgedrückt (z.B. Weinstock - Rebzweige; Henne - Küken; "Freunde" in Christus etc.). Symbole können keine absolute Geltung beanspruchen, da sie austauschbar, mehrdeutig und zeitbedingt sind. Vor allem ist es völlig unzulässig, daraus Normen und kirchliche Gesetze abzuleiten.



- Voraussetzung für stellvertretendes Handeln im Namen und Auftrag Christi bzw. amtliches Handeln in "persona Christi" - auch in der Eucharistiefeier - ist nicht das männliche Geschlecht des Amtsträgers. Diese Lehrmeinung steht in krassem Widerspruch zur neutestamentlichen Botschaft, die weder dem Mannsein Jesu noch dem Geschlecht von Amtsträgern eine heilshafte, religiöse Bedeutung zuerkennt. "'In persona Christi' handeln bedeutet sakramententheologisch nicht den Aufweis des Geschlechtes Jesu, sondern die Tatsache, daß Christus der eigentliche und originäre Spender aller Sakramente ist und der menschliche Spender immer nur sein repräsentatives personales Werkzeug. Anders gesagt: Der Priester ist dogmatisch betrachtet Priester aufgrund seiner Weihe, nicht wegen seiner sexuellen Ausprägung. Denn was Christus tut, tut er nicht, sofern er Mann ist, sondern Gottmensch. Anders wäre es undenkbar, daß eine Frau taufen und (nach gängiger westlicher Theologie) Spenderin des Ehesakramentes sein kann." Zum amtlichen Handeln im Namen und Auftrag Christi ist prinzipiell jede getaufte Person befähigt, unabhängig von ihrem Geschlecht, wenn sie durch die Ordination und amtliche Beauftragung dazu ausgerüstet ist.



- Im Widerspruch zu Gal 3,28 wird mittels der symbolistischen Argumentation an dem Vorrang des Mannes vor der Frau und damit am hierarchischen Verhältnis zwischen den Geschlechtern im kirchlichen Amtsbereich festgehalten. Als "Stellvertreter" des "Bräutigams Christus", des "Hauptes der Kirche" maßt sich der Priester eine Rolle an (bzw. sie wird ihm zugesprochen), die auf eine "Quasi-Identifikation" mit Christus hinausläuft, die ihn - entgegen der Communio-Struktur der Kirche - aus dem Gesamt der Kirche ausgliedert, ihn auf die Seite Christi, des "Hauptes der Kirche" stellt, ja mit ihm verschmilzt. So die Erklärung Inter insigniores: "Der Priester, der allein die Vollmacht hat, die Eucharistiefeier zu vollziehen, handelt also nicht nur kraft der ihm von Christus übertragenen Amtsgewalt, sondern in persona Christi, indem er die Stelle Christi einnimmt und sogar sein Abbild wird, wenn er die Wandlungsworte spricht."



- Zur Rechtfertigung des Ausschlusses der Frau vom Priesteramt betont Papst Johannes Paul II. , daß es sich bei der Kirche um einen Bereich sui generis handele, der keineswegs gleichzusetzen sei mit weltlichen Institutionen, die "rein menschlicher Gestaltungskompetenz unterworfen" seien. Angeblich um die "geheimnisvolle Ordnung" der Kirche zu wahren, hält der Papst mit den Bildern 'Bräutigam' (Christus) - 'Braut' (Kirche) an einer hierarchischen Beziehung zwischen den Geschlechtern in der Kirche fest. Das aber hat zur Folge, daß sich Kirche und Gesellschaft immer weiter voneinander entfernen, besonders in bezug auf das Geschlechterverhältnis. Der von Johannes Paul II. in diesem Zusammenhang beschworene "Geheimnischarakter" der Kirche - die Kirche als das "'Mysterium' der Liebe Gottes, wie sie in der menschlichen Geschichte anwest" - wird durch eine von männlicher Dominanz bestimmte Amtstruktur und damit durch Diskriminierung der Frau gerade nicht veranschaulicht, sondern verdunkelt.



Eine Bedrohung für die Einheit der Kirche?

Während die (oben dargestellten) gängigen Positionen gegen die Frauenordination in den vergangenen Jahrzehnten wiederholt durch stichhaltige Argumente widerlegt wurden, verharren die verantwortlichen Amtsträger in der bekannten ablehnenden, reformunwilligen Haltung. Angesichts des für alle unübersehbaren Erkenntnisfortschritts auf diesem Gebiet, der eine bloße Wiederholung der traditionellen Positionen immer unglaubwürdiger erscheinen läßt, wird von kirchenleitenden Amtsträgern ein letzter Widerstand aufgeboten, indem sie die Einheit der Kirche beschwören, die angeblich durch die Frauenordination massiv bedroht werde. Dabei wird z.B. geltend gemacht, daß auf Weltebene - der Schwerpunkt der katholischen Kirche liege inzwischen in der sog. Dritten Welt - das Priesteramt der Frau nicht durchzusetzen sei. In die Praxis umgesetzt, hätte solche Sicht freilich zur Folge, daß die patriarchalische Struktur der katholischen Kirche noch auf lange Zeit konserviert bliebe. So gesehen verbirgt sich auch hinter dieser Position (Berufung auf die Einheit der Kirche) im Grunde genommen die Weigerung, einen durchgreifenden, evangeliumsgemäßen Wandel in bezug auf das Geschlechterverhältnis anzustreben oder vorzubereiten.



Die Erste Internationale Konferenz für Frauenordination in Dublin (vom 29. Juni bis 1. Juli 2001) unter dem Motto: "Now is the Time. A Celebration of Women's Call to a Renewed Priesthood in the Catholic Church" - "Die Zeit ist reif! Frauen feiern ihre Berufung zu einem erneuerten Priestertum in der katholischen Kirche" hat jedoch eindrücklich gezeigt, daß die Stimmen für die Frauenordination in der katholischen Kirche inzwischen aus vielen Ländern und allen Kontinenten kommen. Vertreterinnen aus 26 Ländern und 5 Kontinenten nahmen an dem Kongress teil, um einmütig für die Frauenordi-nation einzutreten.

Gegenüber dem erwähnten Konzept von kirchlicher Einheit sind überdies grundlegende Bedenken anzumelden. Bedeutet Einheit der Kirche eine für alle katholische Christen geltende Kirchenordnung - trotz der unterschiedlichen Lebensform und Kultur, trotz des damit verbundenen unterschiedlichen Wissens- und Bildungsstandes, von denen die Christen in den verschiedenen Ländern geprägt sind? Solch ein Verständnis von Einheit, die sich als starre Klammer, als Geist und Leben tötende Fessel auswirkt, steht deutlich im Widerspruch zu den jeweiligen, oft auch unterschiedlichen seelsorglichen Bedürfnissen der Menschen in den einzelnen Ländern. Sie erstickt legitime pluriforme Entwicklungen innerhalb der Kirche.

So wird das Prinzip einer starren kirchlicher Einheit nicht selten als "Keule" gegen die Frauenordination, auch auf ökumenischem Gebiet, eingesetzt. Im Weltkirchenrat wurde vor einigen Jahren von konservativ-fundamentalistischer Seite an evangelische Pastorinnen das Ansinnen gestellt, sie sollten die "Frauenordination auf dem Altar der Ökumene opfern!" Welch eine Nichtachtung der Gaben, die Pastorinnen in die Kirche einbringen, spricht sich in der Zumutung aus, die Einheit der Kirche "auf dem Rücken" der Frauen herstellen zu wollen!



Die eigentliche Bedrohung der kirchlichen Einheit liegt m.E. in der Spannung zwischen fundamentalistisch gesinnten Kreisen einerseits, die sogar dringend notwendige Reformen in der Kirche ablehnen und diese durch ihren maßgeblichen Einfluß in der vatikanischen Kirchenleitung mit allen Kräften zu verhindern suchen, - und reformorientierten Kreisen andererseits, für die das Prinzip: Ecclesia semper reformanda bindend ist. Dieser Riß geht weit tiefer als die durch die Frauenordination vermeintlich verursachte Gefährdung der Einheit. Ablehnung und Befürwortung der Frauenordination sind meistens nur ein beiläufiger Ausdruck der beiden ge-gensätzlichen Richtungen.

Im Hinblick auf die Frauenordination kann nur das Prin-zip "Einheit in Pluriformität" Geltung beanspruchen. Nur so kann gewährleistet werden, daß für die zum Priesteramt berufenen, theologisch ausgebildeten Frauen und letztlich für alle Frauen Gerechtigkeit in der Kirche geschaffen wird, daß die Charismen von Frauen nicht mehr länger durch kirchenrechtliche Vorschriften zum Schaden der Kirche insgesamt unterdrückt werden und daß schließlich ein entscheidender Schritt hin zu einer geschwisterli-chen Kirche getan wird, die der Verwirklichung des Reiches Gottes die Wege bahnen hilft und erst so "Stadt auf dem Berge", "Salz der Erde" (vgl. Mt 5,13-16) sein kann.



(Für die Formatierung: Bitte, Anmerkungen mit arabischen Zahlen kennzeichen, wenn möglich!! Natürlich auch im Text!!)