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Macht und Machbarkeit

17. Februar 2002

Mk 8,11-13:


Einige Pharisäer kamen zu Jesus und fingen an, mit ihm zu diskutieren.
Weil sie ihn auf die Probe stellen wollten, verlangten sie von ihm einen Beweis dafür, dass er wirklich von Gott beauftragt sei.
Jesus stieß einen Seufzer aus und fragte:
«Wieso verlangen diese Leute einen Beweis?
Ich sage euch: diese Generation bekommt nie und nimmer einen Beweis!»
Damit ließ er sie stehen, stieg wieder ins Boot und fuhr ans andere Seeufer.



     In Indien bzw. im Hinduismus begegnet man der Frage, die die Pharisäer Jesus gestellt haben, sehr häufig. Dort geht man ganz selbstverständlich davon aus, dass der- oder diejenige, die eine gewisse spirituelle Reife erlangt hat, Wunder tun kann: Heilungen, Engel oder Sonstiges erscheinen lassen, in Träumen Botschaften vermitteln o.a. Das meint, im Gegensatz zu unserer Kultur, nicht automatisch, dass diese Menschen "gut" sind, sondern, dass sie sich Kräfte auf Wegen der geistigen Disziplin zu eigen gemacht haben, die ihnen Macht und Einfluss geben, die Möglichkeit, großartige Dinge zu bewegen.
Der alte Baum      Wenn bei uns Menschen heilig gesprochen werden, ist das in ähnlicher Weise der Fall: Ein Wunder, also die Fähigkeit, außergewöhnliche Dinge zu bewirken, muss nachgewiesen werden. Und ich finde das sehr menschlich und im gewissen Sinne auch richtig. Warum sollen wir dem einen glauben, dem anderen nicht. Warum den einen als großen geistigen Lehrer oder Weisen verehren, den anderen nicht. Wir müssen tatsächlich irgendeinen Maßstab anlegen, um jemandem Macht über uns zuzuschreiben, das heißt, damit wir seinen Weisungen folgen. Die Pharisäer stehen ja auch für uns. Sie stehen als ernsthaft fragende und suchende Menschen vor Jesus und fragen nach Zeichen. Und schließlich ist es auch ein Grund, warum es die Treffen des Wir-sind-Kirche Kreises gibt: Die Frage nach einer geschwisterlichen Kirche oder auch: Wie gestalte ich Macht in der Kirche?

     Jesus hat hier eine einfache und deutliche Haltung: Er verzichtet darauf, diesem Begehren der Pharisäer nachzukommen. Er verzichtet nicht deshalb, weil er keinem Wunderglauben entsprechen möchte. Er verzichtet, weil er ein menschliches Spiel durchbrechen will: Wer ist der Weise? Wer kann mir sagen, wo es lang geht? Wem kann ich Macht geben, für mich Wahrheiten zu wissen? Er will nicht, dass sich die Menschen klein machen und ihm oder überhaupt jemandem nachlaufen, der großartige und wundersame Taten vollbringt. Dass diese Menschen jemanden mächtig und wunderbar machen - und sich selbst klein und hilflos. Und gibt es nicht auch immer die Gefahr für den, der wundersame oder außergewöhnliche Dinge tut, sie sich selbst zuzuschreiben, sich aufzublähen und sich machtvoll zu fühlen? Das Spiel von Führerschaft und Anhängerschaft, von Lenker und Herde - das hierarchische Zusammenspiel von denen, die jemandem suchen, dem sie hinterherlaufen und dem, der sich hinterherlaufen lässt und dadurch sein Selbstwertgefühl aufbaut. Beide brauchen sich gegenseitig. Beides macht die landläufige Machtausübung aus.

     Jesus verzichtet auf eine demonstrative Machtdarstellung. Er verzichtet auf ein ganz bestimmtes Bild von sich: auf den des glanzvollen Messias, von Engeln umgeben, auf dem Thron - und auf das Bild von uns als diejenigen, die sich niederwerfen und klein machen und ihre eigene Kraft und Weisheit abgeben. (Das wird allerdings später in der Kirchengeschichte nachgeholt werden) Das kann er, weil er darauf baut: Wer mit offenem Auge und Herz sieht, wie sein erbarmungsvoller Blick und seine liebevolle Berührung, das heißt, wie sein menschlicher Umgang mit Menschen heilt, berührt, aufrichtet, Kraft gibt, der braucht keine Engel, die vom Himmel herabkommen und ähnliches. Und der wird sich auch nicht unkritisch zu den Füssen niederwerfen, sondern ein Stück weit zu sich selbst und der eigenen Kraft, Macht und Liebesfähigkeit kommen. Es braucht also keine großartigen Machtdemonstrationen, keine damit verbundenen Selbstdarstellungen, kein Pochen auf Wahrheiten. Es braucht kein Ringen um großartige Erfolge oder um Einfluss, um sich selbst zu legitimieren Es braucht nicht die Suche, wo kann ich besonders viele Dinge bewegen oder die Frage, wer bewegt denn tolle Dinge, damit ich ihm oder ihr folgen kann. Im Gegenteil, gerade da ist Vorsicht angesagt.

     Ich möchte Jesu Verzicht auf all das, was mit Machtdemonstration, mit dem eigenen Aufblähen und dem Abgeben von Macht Euch mit in die Fastenzeit geben. Als Kirche, so denke ich, gibt es viele Möglichkeiten, Jesu Beispiel zu folgen: Der Verzicht auf die dreistöckige Tiara zeigt beispielhaft den wachsenden Sinn für ein schlichteres Auftreten der Kirche. Im Gegensatz dazu bleibt vielen das Unfehlbarkeitsdogma unverständlich. Aber ich denke auch, die WSK-Bewegung kann an Jesu Beispiel wachsen: Wie oft kommt doch der Gedanke auf, viel bewegen zu müssen, um sich selbst zu legitimieren. Wo sitzt der eigene Machthunger? Und dann in unserem ganz privaten Leben: Macht als Kontrolle über jemanden (z.B. Kinder) oder am Arbeitsplatz. Wo haben wir das Vertrauen, dass es das eigene falsche Aufblähen nicht braucht. Im Sinne von: Ich sage Euch, was richtig ist. Oder umgekehrt: Sich selbst schwach und machtlos machen - einem anderen Macht über mich geben - Denken, ich kann eh nichts machen.

     Wir laden Euch ein, über folgende Impulse nachzudenken und Euch auszutauschen: Was ist Euch wichtig und wo denkt ihr, können wir als Kirche und auch als Wir sind Kirche Gruppe dieses Beispiel Jesu ernst nehmen? Wo können wir das im privaten Bereich als Christen, besonders im Hinblick auf die beginnende Fastenzeit?

Gabriele Kraatz