Bischöfliche Geiselnahme

von Norbert Piechotta

Wieder, wie fast immer, endete die Diskussion beim Katholikentag in Mainz in Ratlosigkeit bei: “Und dann müssen wir die Bischöfe bitten, auffordern, anschreiben ..., daß sich etwas ändert.”

Es ist in der Tat frustrierend: theologisch bei Haag, Drewermann, Häring, Küng, selbst dem frühen Ratzinger ist das neue Bild von Kirche schon projektiert; die Hoffnung hin zu einer jesuanischen Kirche längst in den Köpfen und Herzen der Menschen.

Warum sind dann die Bischöfe, oft ehemals blendende, fortschrittliche Theologen, so zögerlich und unbeweglich? Liegt es daran, daß sie durch ihren Schwur auf den Papst zu Geiseln geworden sind? Haben sie ihre Seele verkauft, um vielleicht -in guter Absicht- als Bischof Gutes wirken zu können? Was ist mit ihrem Gewissen, das von Gott ist und zu ihnen spricht, sprechen sollte?

Ein rudimentärer historischer Abriß zum Problem.

In jedem Geschichtsbuch kann der Eid der Soldaten auf Adolf Hitler nachgelesen werden: “Ich schwöre bei Gott diesen heiligen Eid, daß ich dem Führer des Deutschen Reiches und Volkes, Adolf Hitler, dem Obersten Befehlshaber der Wehrmacht, unbedingten Gehorsam leisten und als tapferer Soldat bereit sein will, jederzeit für diesen Eid mein Leben einzusetzen.”

Dies ist relativ harmlos gegen den totalitären Schwur des Bischofs –seit 1972- auf den Papst. Vor Augen und Ohr geführt, muß er zutiefst erschrecken ob des Machtanspruchs und des absolut fehlenden Vertrauens in bischöfliche Mitbrüder.

“Ich ..., ernannter Bischof von ... werde der heiligen apostolischen römischen Kirche und dem höchsten Pontifex, dem Nachfolger des hl. Apostels Petrus im Primat und Stellvertreter Christi, sowie dessen rechtmäßigen Nachfolgern stets treu ergeben und gehorsam sein. Ihnen werde ich nicht nur höchste Ehre erweisen, sondern werde auch dafür sorgen, daß ihnen die schuldige Ehre gezollt und jedes Unrecht von ihnen abgewehrt wird. Ich werde darauf bedacht sein, die Rechte und die Autorität der römischen Pontifices (Päpste) auszudehnen und zu verteidigen; ebenso die Vorrechte ihrer Gesandten und Statthalter (procuratores). Was jedoch dagegen von welcher Seite auch unternommen wird, werde ich dem höchsten Pontifex selbst aufrichtig melden.” (In dieser Diktion setzt sich der Eid noch doppelt so lang fort.)

Fast unmöglich sich vorzustellen, der große Johannes XXIII -”Giovanni, nimm dich nicht so ernst”- hätte solch einen Schwur einem Bischof abgefordert. Er wußte, daß die Kirche vom Heiligen Geist geleitet wird - nicht von den sich selbst überschätzenden “Hirten”, die nicht Diener auch nicht Geschwister sein wollen.

Im Gegensatz hierzu hielt Jesus nichts von dem strangulierenden Unfreimachen des Eides. “Ihr sollt überhaupt nicht schwören. ...Ein einfaches Ja, ein einfaches Nein sei Eure Rede. Was darüber ist, stammt vom Bösen.” (Mt 5,34-37)

Seit dem Juli 98 schreibt unser Bruder Karol, Papst in Rom, nunmehr darüber hinaus ein deutlich verschärftes Glaubensbekenntnis und einen Treueeid für Priester, Bischöfe und Theologieprofessoren vor. Darin wird nicht nur Gehorsam gegenüber Dogmen und traditionellen Lehren der Kirche, wie zweifelhaft sie auch immer sein mögen, verlangt. Priester und Professoren müssen künftig auch “Lehren des Papstes und des Bischofskollegiums” anerkennen, die noch nicht offiziell verkündet sind. Von welch einer Angst müssen doch Kurie und Papst besessen sein, daß nach der “Laieninstruktion” jetzt durch “Zum Schutz des Glaubens” (Ad tuendam fidem) dem Volk Gottes der Frost des Mißtrauens und die Kälte der Hierarchie zugemutet wird. Wäre es nicht so traurig, müßte man fast Mitleid mit den alten Männern in Rom haben.

Soll die katholische (griech.: “das Ganze, alle betreffend”; allgemein) Kirche zu einer römischen Sekte schrumpfen? Ist sich der aktuelle Papst, der sich als erster der Päpste überhaupt, für die Fehler, Vergehen und Verbrechen der Kirche an den Menschen entschuldigt hat, der u.a. nach 350 Jahren Galilei rehabilitiert hat, nicht klar darüber, daß er in vielen moralischen –Aids, Sexualität, humanae vitae (er war geistiger Vater), ...- und theologischen Aussagen –Zölibat, Frauenordination, ...- den gleichen Fehler begeht, wie die Päpste vor ihm? Ist ihm dies nicht bewußt? Wird er aus seiner nächsten Umgebung nicht darauf hingewiesen?

Deshalb auch fordert das Volk Gottes dringlich strukturelle Änderungen. Noch ist die Amtskirchen-Mentalität gepaart mit den riesigen Einnahmen aus der Kirchensteuer; noch gebietet der Bischof wie ein mittelalterlicher feudaler Herrscher inmitten sich entwickelnder weltweiter demokratischer Strukturen. Doch wie lautete noch das Motto des diesjährigen Mainzer Katholikentages? Gebt Zeugnis von eurer Hoffnung!

Würde Jesus, heute wiedergekehrt, in diesem Sinne an das Volk Gottes appellieren: Brüder und Schwestern handelt - wartet nicht auf die Bischöfe?