Sehr geehrter Herr Kardinal Ratzinger!

Man könnte Rom gratulieren, wenn die Sache nicht so unendlich traurig und unchristlich wäre. Ein frommer, aufrechten Gottesmann und Bischof, dem es ehrlich nur darum geht, seinem Gewissen folgend, ungeborene Leben zu retten, versucht man im wahrsten Sinne des Wortes auf eine ganz gemeine und unchristliche Art fertig zu machen. Traurig ist daß es Bischofskollegen sind, die in vielleicht zu großer Selbstherrlichkeit glauben, Gott näher zu stehen, größer und klüger zu sein als ihre Mitbrüder und diese in seinem Namen so behandeln zu können. Laut Apostelgeschichte waren die Apostel gleichrangig und nicht einmal Petrus oder Paulus hätte es gewagt, einen Apostelkollegen so zu behandeln, wie Sie es jetzt mit Bischof Kamphaus getan haben. Keiner von ihnen hätte es auch gewagt zu versuchen, einem anderen das eigene Gewissen zu verbiegen und etwas aufzuzwingen, was er selbst mit seinem eigenen Gewissen nicht zu verantworten vermochte.

Herr Kardinal, wissen einige Herren in Rom überhaupt noch mit wem sie es bei Gott zu tun haben? Glaubt man noch wirklich an ihn oder ist man von seiner Existenz vielleicht nicht mehr so ganz überzeugt. Wenn man die Abgehobenheit, Selbstherrlichkeit und die immer wieder zu erkennende Unbrüderlichkeit von einigen Herren dort sieht, ist diese Frage durchaus berechtigt. Würdet Ihr mehr nach Gott fragen, oder fragen, wie Christus wohl handeln würde, könnte manche Peinlichkeit verhindert werden.

Sehr geehrter Herr Ratzinger, denken Sie und ihre Kollegen doch mal darüber nach, ob Sie sich nicht selbst zuviel für Gott halten und zu wenig nach ihm fragen. Ich muß mich wiederholen und allen Ernstes fragen, ob der Glaube an Gott nicht bei einigen von Euch in Rom ziemliche Kratzer hat. Es reicht nicht, sich in Purpur oder glitzernden Gewändern und mit goldenem Bischofsstab zu präsentieren, sondern wir denkenden Christen beurteilen Euch nach anderen Maßstäben. Denkt doch mal darüber nach.

Meiner bescheidenen Meinung nach war es auch vor gut einem Jahr eine höchst unchristliche Tat und Zumutung, als man mehr als 30 gestandenen deutschen Bischöfen das Rückgrat verbogen und sie zu einer Gewissenbeugung gezwungen hat. Hierbei war die Rücksichtslosigkeit bestimmter Herren in Rom zu erkennen. Man hat unsere deutschen Bischöfe praktisch als dumme Jungen hingestellt und ihnen Ihre Persönlichkeit und Ausstrahlung genommen. Bis heute haben Sie es noch nicht geschafft, sich wieder voll aufzurichten, um wieder als selbstbewußte Apostelnachfolger aufzutreten. Man spricht von Umfallern und Schwächlingen, was allein Rom zu verantworten hat. Für die Nachwelt ist dies ein äußerst traurige und peinliche Geschichte. Hätten unsere deutschen Bischöfe damals mehr Mut gezeigt, wäre dem aufrechten Bischof Kamphaus auch viel Leid erspart worden. Ein Bischof sollte, wie schon aus der Apostelgeschichte hervor geht, auch den Mut haben, ins Angesicht zu widersprechen. Außer Bischof Kamphaus hat leider keiner das Stehvermögen hierzu gehabt.

Denkt doch mal darüber nach, welchen Schaden ihr der deutschen Kirche durch diese Geschichte zugefügt habt. Ihr habt zwar gesiegt, aber leider gehen Eure Siege meistens zu Lasten des Nachlasses Christi und das ist eine ziemliche Katastrophe. Wie oft glaubt Ihr noch, siegen zu können, bis Ihr den Nachlaß Christi am Boden habt. Aber Ihr scheint das ziemlich locker zu sehen und nicht so ernst zu nehmen. Hauptsache man hat wieder gezeigt, wer das Sagen hat. Sicherlich machen wir einfachen Christen uns mehr Sorgen um den Nachlaß Christi als bestimmte Herren in Rom.

Gott sei Dank habt Ihr es aber, trotz allen nicht gerade brüderlichen Versuchen, nicht geschafft, dem aufrechten Bischof Kamphaus sein Rückgrad zu verbiegen und sein Gewissen zu beugen. Vielleicht solltet Ihr Euch auch mal fragen, wie Ihr es mit dem Evangelium vereinbaren wollt, Mitchristen und sogar Bischofskollegen das persönliche Gewissen zu verbiegen.

Nur grenzenlose Überheblichkeit kann zu so etwas führen, denn nach der katholischen Morallehre und Thoma von Aquin sollte ein Christ eher eine Exkommunikation auf sich nehmen als sein Gewissen verleugnen. Aber genau das verlangt ihr von Bischof Kamphaus. Eine ganz gemeine Gewissensverleugnung verlangt Ihr von ihm. Ich weiß nicht, wen da mehr Schuld trifft, den alten kranken Papst oder seine vielleicht übereifrigen Mitarbeiter, zu denen auch Sie zählen dürften.

Herr Kardinal, Bischof Kamphaus steht als aufrechter und frommer Mann zu seinem Gewissen und der Überzeugung, daß Rom durch sein Verhalten Mitschuld an der Tötung ungeborener Leben auf sich lädt. Das ist auch die Meinung von mir und nicht weniger gläubiger Christen. Speziell für Menschen in leitenden Positionen unserer Kirche sollte der Schutz des menschlichen Lebens höchste Priorität haben. Oberstes Gebot sollte es sein, alles dafür zu tun, damit Leben nicht vernichtet werden. Genau das tat Bischof Kamphaus, indem er nicht, wie Rom es verlangt, Ungeborene ihrem Schicksal überläßt, sondern sich in jedem Einzelfall für das Leben einsetzt. Bischof Kamphaus hat unbestritten in seiner Diözese durch seinen persönlichen Einsatz eine große Zahl ungeborener Leben gerettet. Dies ist auch sein Herzensanliegen, wobei man leider annehmen muß, daß Rom Prinzipienreiterei wichtiger zu sein scheint, als Leben zu retten. Ihr stellt Euch sogar massiv Bischof Kamphaus in den Weg und verhindert, daß er weiterhin Leben retten kann. Muß man da nicht von einer verkehrten Welt sprechen?

Wie viele ungeborene Leben sind wohl in den übrigen Diözesen in Deutschland in dieser Zeit nicht gerettet worden? Wegen einer störrischen, selbstherrlichen, nicht nachvollziehbaren Haltung Roms, an der Sie in hohem Maße beteiligt sind.

Wie viele ungeborene Leben werden weiterhin noch sterben müssen, bis Rom sein Versagen einsieht und die täglich wachsende Schuld erkennt? Sie sollten sich der Verantwortung nicht entziehen, sondern einmal hochrechnen, an wie vielen Tötungen ungeborener Leben Sie persönlich vielleicht große Mitschuld tragen könnten? Man spricht in Rom viel vom Schutz des werdenden Leben, was aber nur Worthülsen zu sein scheinen. Ich wiederhole mich und muß es noch einmal sagen. Meiner bescheidenen Meinung nach opfert Rom aus reiner Prinzipienreiterei massenweise ungeborene Leben. Herr Kardinal, wollen Sie nicht wieder mit den Füßen auf den Boden kommen und einsehen, daß dies eine unverantwortliche Katastrophe und schreckliche Tatsache ist? Auch wenn Ihr es nicht wahrhaben wollt— der Heilige Geist scheint in diesem Fall Limburg näher zu sein als Rom.

Herr Kardinal ich muß noch eins drauf setzen. Können Sie, wenn Sie noch wirklich fest an Gott glauben, sich nicht vorstellen, einmal für jede Tötung zur Rechenschaft gezogen zu werden, die Sie leichtfertig dadurch verschuldet haben, daß Sie Ihren deutschen Bischofskollegen sichere Rettungsversuche nach ihrem eigenen Gewissen verboten haben? Eine Gewissensfrage, der sich auch ein Kardinal, der sich vielleicht als rechte Hand des Papstes sieht, nicht entziehen kann.

Leider entsteht immer mehr der Eindruck, daß Rom immer kälter wird und nur noch mit eiserner Faust regieren will. Das Christliche scheint immer nebensächlicher zu werden. Immer mehr Christen wenden sich daher leider enttäuscht ab. Immer öfter wird man an das Buch des Theologen Peter de Rosa, mit dem Titel „Der Vatikan von Gott verlassen?“ erinnert. Das sollte zu denken geben. Dabei heißt es doch so schön: „Wo die Liebe ist, ist Güte, da ist Gott“. Wo spürt man in Rom noch Liebe, wo bleibt die Güte und wo bleibt Gott. Sie sollten einmal darüber nachdenken.

Zum Schluß ein Rat eines einfachen Christen. Werdet wieder bescheidener und brüderlicher in Rom. Vielleicht solltet Ihr Euch überwinden und in vieler Hinsicht den frommen, schlichten Gottesmann Kamphaus als Vorbild nehmen. Er wirkt wesentlich glaubwürdiger als mancher, der sich selbst in die Nähe Gottes rückt.

Herr Kardinal, bitte sehen Sie es nicht als vermessen an, daß ich als einfacher Katholik und Kirchenmusiker, Ihnen diese klaren Worte schreibe. Unter Christen müssen auch heute noch deutliche Worte erlaubt sein. Es geht schließlich um den Nachlaß Christi und den Respekt vor dem Gewissen des einzelnen Menschen. Rom hat in der Sache Kamphaus äußerlich einen Sieg errungen. In Wirklichkeit ist aber der Glaubwürdigkeitsverlust Roms und des Papsttums weit größer als der vermeintliche Scheingewinn.

Mit freundlichen Grüßen

Josef Berens