Der Priester, das vergöttlichte Wesen?
von Willi Mitzkewitz
Wenn man bei Priesterjubiläumspredigten oder in Pfarrbriefen im Oberbergischen folgendes hört oder liest:
"Der Empfang des Weihesakramentes macht den Empfänger zum Kleriker, d.h. seine Seele wird umgestaltet, damit er in persona Christi, also in der Person Christi handeln kann. Er soll ja Diener Christi und Sein Werkzeug sein insofern, als durch sein Handeln Christus handelt", dann faßt man sich an den Kopf und fragt: Welche Bedeutung hat dann noch die Rede vom Volk Gottes und vom allgemeinen Priestertum der Gläubigen, wie sie das 2. Vatikanum formulierte?
Sind wir nun doch eine Zwei-Stände-Kirche? Auf der einen Seite die "Priesterkirche", auf der anderen die "Laienkirche"? Erstere dominiert letztere aufgrund ihres Weihesakramentes.
Entweder wir sind alle Volk Gottes oder wir müssen zur Kenntnis nehmen, daß es ein Oben und ein Unten in der Kirche gibt. Die einen haben das Sagen - sie sind sozusagen die Hüter der "Gnadenmittel" - und werden "Pastor" oder "Hochwürden" genannt, die anderen, die Laien, haben zu gehorchen, denn die Kleriker sprechen aus einer letzten Autorität, gleichsam in persona Christi.
Nach der Lehre des 2. Vatikanums verkörpert der Priester nicht mehr allein die Kirche, sondern er übt nur eine bestimmte Funktion oder einen Dienst im Namen des Volkes Gottes aus.
Etwas anderes ist noch zu beachten. Das Hervorheben des besonderen Charakters des Weihesakramentes ist
natürlich auch eine Frage der Machtausübung über Menschen, denn der Vermittler der "Gnadenmittel" bestimmt, wer in den Genuß eben dieser Gnaden kommt und wer nicht. Er allein setzt fest und seine Entscheidung darf nicht hinterfragt werden, weil seine Machtkompetenz aus dem
"In-Persona-Christi-Sein" kommt. Das Volk Gottes wird so entmündigt und muß sich den Trägern des Amtes unterwerfen. Ein beredtes Beispiel ist die "Instruktion zu einigen Fragen über die Mitarbeit der Laien am Dienst der Priester" vom 13.11.97 aus Rom, sie vertieft die Kluft noch und zementiert eine "Zwei-Stände-Kirche".
Ursprünglich war das nicht so: Nirgendwo im Neuen Testament läßt sich zeigen, daß der Vorsitz bei der Eucharistiefeier nur bestimmten Amtsträgern vorbehalten war. Die Urgemeinde kannte das Amt in diesem Sinne nicht. Sie, die Gemeinde, bestimmte, wer den Vorsitz beim eucharistischen Mahl hatte.
Man sollte sich immer vor Augen halten, daß Jesus selber kein Priester war, keine Priester weihte und keine Episkopen (Bischöfe) ernannte.
Seine Lehre ist eindeutig: "Ihr aber - laßt euch nicht, Rabbi heißen. Denn einer ist euer Lehrer, ihr aber seid Brüder. Und: Vater - heißt euch nicht so, ihr auf Erden. Denn nur einer ist euer Vater - der himmlische. Auch Lehrmeister laßt euch nicht heißen. Denn euer Lehrmeister ist nur einer - der Messias. Der Größte unter euch sei euer Diener" (Mt 20,8-1 1).
Es gab in den Gemeinden der ersten zweihundert Jahren kein Gegenüber von Amt und Gemeinde, sondern ein Miteinander der verschiedenen Dienste in der Gemeinde. Erst im Verlaufe des 3. Jahrhunderts kam es zur Scheidung zwischen Klerus und Laien. Auf der einen Seite steht der Bischof, der dem Presbyterium präsidiert, auf der anderen Seite stehen die Gläubigen (Laien).
Die Wende setzte mit dem Kirchenvater Cyprian ein. Obwohl die Priesterweihe für ihn kein Sakrament war, war der Bischof der eigentliche
"Sacerdos" (Priester). Der Bischof verteilt die "Lose" (kleroi) unter den Bewerbern, die Empfänger werden dadurch zu Klerikern.
Unter Augustinus (354-430) kam es dann zum persönlichen Priestertum. Das Weihesakrament wurde zur unverlierbaren Gnade, zum unauslöschlichen Merkmal des Priesters. In der weiteren Entwicklung der Kirche wird der Priester zum Träger aller Charismen, die bis dahin dem Volke Gottes vorbehalten waren.
Alle Ämter sind Schöpfungen der Kirche. Keines läßt sich auf Jesus direkt zurückführen Die Ämter sind also in die Hand der Kirche gegeben, sie kann sie verändern.
Mit Prof. Herbert Haag kann man feststellen: "Nahezu vierhundert Jahre lang war eine "Priesterweihe" für den Vollzug der Eucharistie nicht erforderlich. Warum soll sie heute unerläßlich sein"?