Die größte Sekte der Welt
Über die Versuche des Papstes, die Geschichte aufzuheben
Kernaussagen von Prof. Anton Pelinka, Politikwissenschaften, Universität Innsbruck
Der Papst überträgt Glaubenssätze in das kanonische Recht. Alle, die von diesen Glaubenssätzen des neuen Rundschreibens abweichen, werden einer “gerechten Strafe” unterworfen. ... Viele Katholiken hatten seit dem Pontifikat Johannes XXIII. Grund zur Hoffnung, daß die Bestrafung der Abweichung von der päpstlichen Lehre der Vergangenheit angehört.
Zerstörung der Ökumene
Was Johannes Paul II. damit beabsichtigt, ist klar: Er sucht eine neue Rechtfertigung zur Disziplinierung von Theologen. In dem Begleitschreiben, das Kardinal Ratzinger dem päpstlichen Text beigefügt hat, wird dies deutlich – z.B. ist nunmehr innerkirchlich verboten, die Priesterweihe für Frauen auch nur für grundsätzlich möglich zu halten. - Was der Papst damit in Kauf nimmt, ist ebenso eindeutig: Die Ökumene ist tot. Wie sollen andere christliche Gemeinschaften sich von der katholischen Kirche eingeladen fühlen, wenn deren Oberhaupt allen mit Strafe droht, die in Fragen der Interpretation von Glaubenssätzen mit ihm nicht einer Meinung sind? - Denn es geht ja, auch nach der Doktrin der kath. Kirche selbst, nicht um den Glauben, sondern um dessen Interpretation. ... - Es geht darum, daß der Papst auch dort, wo er nach seinem eigenen Verständnis fehlbar ist, diejenigen bestrafen will, die mit ihm nicht einer Meinung sind.
Schleichende Ausweitung ...
.... Es geht um die Macht des Papstes über das Denken. ... Wer die päpstliche Interpretation nicht für “wahr” hält, also nicht daran glaubt, macht sich kirchenrechtlich strafbar. Wer denkt, daß die Weihe von Frauen in der anglikanischen Kirche richtig ist, verstößt gegen die “Wahrheit” des Papstes – und macht sich strafbar.
... der päpstlichen Unfehlbarkeit
Das kommt einer schleichenden Ausweitung der päpstlichen Unfehlbarkeit gleich. Der Papst erweitert damit von sich aus, ohne Stützung durch ein Konzil, seinen 1870 von einem Konzil abgesteckten Spielraum, Wahrheit unfehlbar zu verkünden. - Das ist ein Auszug aus der Geschichte. Der Papst verbietet das Reflektieren über historischen Wandel. Er verbietet, darüber nachzudenken, was unfehlbar ein Lehramt sein kann, das Jahrhunderte hindurch Zinsen verbot und Sklaverei erlaubt hat. Er untersagt das, was die Voraussetzung intellektueller Redlichkeit ist. Das ist natürlich viel einschneidender als das päpstliche Schweigen zum sexuellen Mißbrauch von Abhängigen. Denn das neue päpstliche Rollenverständnis begründet den Auszug der Kirche aus der Gemeinschaft des zwischenmenschlichen Dialogs.
Dieser Papst macht aus der kath. Kirche die größte Sekte der Welt.