Die
Grundrechte der Katholischen Kirche
Hans-Otto
Hagemeister, Bonn – Ein Entwurf
I.
Allgemeines
Art. 1 Grundrechtsbindung
Die Grundrechte der Katholischen Kirche binden alle kirchlichen Organe
und alle kirchlichen Amtsträger einschließlich des kirchlichen Gesetzgebers
und der kirchlichen Rechtsprechung. Die kirchlichen Grundrechte gelten nicht
gegenüber den Gläubigen, strahlen jedoch auf kirchenrechtliche Beziehungen
zwischen den Gläubigen aus.
Art. 2 Rang der Grundrechte
Die kirchlichen Grundrechte gehen allen nicht verfassungsrechtlichen
Rechtsvorschriften der Katholischen Kirche im Range vor. Entgegenstehende
Rechtsvorschriften sind nichtig. Die Feststellung der Nichtigkeit ist jedoch dem
Heiligen Vater oder dem höchsten kirchlichen Gericht vorbehalten. Näheres
regelt ein Kirchengesetz.
Art. 3 Grundrechtsberechtigte.
Grundrechtsmündigkeit (1) Die
kirchlichen Grundrechte gelten für alle Gläubigen und für kirchliche
juristische Personen und sonstige Personenvereinigungen, sofern sie ihrem Wesen
nach auf diese anwendbar sind. (2) Auf die kirchlichen Grundrechte kann sich
jeder Gefirmte und jeder Gläubige berufen, der nach den einschlägigen
staatlichen Rechtsvorschriften in vollem Umfang geschäftsfähig ist. Andere
Personen werden durch Eltern oder Vormünder, Betreuer oder ähnliche zur
Vertretung ermächtigte Personen vertreten.
Art. 4 Justiziabilität, Wiedergutmachung
Wird ein Gläubiger in einem Grundrecht durch einen kirchlichen
Amtsträger oder ein kirchliches Organ verletzt, steht ihm der Rechtsweg offen.
Es ist eine angemessene Wiedergutmachung zu leisten.
Art. 5 Schranken,
Gesetzesvorbehalt (1)
Die Grundrechte werden beschränkt durch kollidierende Grundrechte anderer Gläubige
und sonstige kirchenverfassungsrechtlich geschützte Rechtsgüter.(2)
Soweit ein Grundrecht durch ein Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt
wird, muss dieses Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem
muss das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen. Ein Grundrecht
darf nicht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.
II.
Freiheitsgrundrechte
Art. 6 Eintrittsfreiheit
Jeder Mensch hat das Recht, in
die Katholischen Kirche einzutreten. Eine Taufbitte oder der Übertritt von
einer anderen christlichen Konfession dürfen nur abgelehnt werden, wenn
sachfremde Motive im Vordergrund stehen oder ein christliches Leben nicht
ernsthaft erwartet werden kann.
Art. 7 Austrittfreiheit (1)
Jeder Gläubige hat das Recht, aus der
Katholischen Kirche auszutreten. Mit dem Austritt wird der Gläubige nicht mehr
in kirchlichen Verzeichnissen geführt und nicht mehr zu Beiträgen
herangezogen; kirchliche Ämter erlöschen. Ein Austritt, der nur zum Schein
erfolgt, ist unwirksam.(2) Einem Ausgetretenen können auf seinen
ernsthaften Wunsch die Sakramente gespendet werden. Ein Anspruch besteht nicht.
Art. 8
Meinungsfreiheit, Informationsfreiheit (1)
Jeder Gläubige hat das Recht, seine Meinung ungehindert innerhalb der Kirche zu
äußern und durch die Medien zu verbreiten. (2)
Dies gilt nicht für Meinungen, die von Kerngrundsätzen des christlichen
Glaubens grob abweichen, und für rassistisches oder gegen die Völkerverständigung
gerichtetes Gedankengut. Eine förmliche Zensur findet aber nicht statt.
(3) Die Meinungsfreiheit
findet darüber hinaus ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen
Gesetze und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(4) Jeder Gläubige hat das
Recht, sich aus allgemein zugänglichen kirchlichen Quellen ungehindert zu
unterrichten.
Art. 9 Wissenschaftsfreiheit
(1) Die Freiheit der theologischen
Forschung und Lehre wird gewährleistet. Die Theologie darf sich nicht grob von
den Kerngrundsätzen des christlichen Glaubens entfernen... (2)
Für andere an kirchlichen Hochschulen und Universitäten gelehrte
Wissenschaften gilt ebenfalls die Wissenschaftsfreiheit. Sie dürfen sich nicht
gegen die christliche Lehre wenden oder andere religiöse Bekenntnisse unterstützen.
Art. 10
Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit (1)
Die Gläubigen haben das Recht, sich zu Vereinen und Vereinigungen
zusammenzuschließen. Die Anerkennung als kirchliche Vereinigung kann nur
versagt werden, wenn deren Ziele oder wesentlichen Anschauungen
grob von den Kerngrundsätzen des christlichen Glaubens abweichen oder
wenn überwiegend außerkirchliche Zielsetzungen verfolgt werden.
Das Nähere regelt ein Kirchengesetz.
(2) Kirchliche Arbeitnehmer
und Beamte einschließlich der Kleriker haben das Recht, sich zu berufsständischen
Vereinigungen oder Gewerkschaften zusammenzuschließen oder bereits bestehenden
Vereinigungen oder Gewerkschaften beizutreten. Der Beitritt zu berufsständischen
Vereinigungen oder Gewerkschaften ist unzulässig, wenn diese Ziele verfolgen,
die mit dem christlichen Glauben nicht vereinbar sind. Für Kleriker und
Ordensangehörige sind durch Kirchengesetz weitere Einschränkungen möglich,
wenn diese für das Ansehen oder den guten Ruf der Kirche notwendig sind.
Art. 11
Versammlungsfreiheit Die
Gläubigen sowie kirchliche Vereinigungen haben das Recht, sich in
kircheneigenen Räumen zu versammeln sowie Kirchen und Gotteshäuser
entsprechend ihrer Zweckbestimmung zu benutzen.
Das Recht kann für einzelne Gebäude und Gotteshäuser durch kirchliche
Gesetze aufgehoben oder beschränkt werden. Es kann durch Kirchengesetz an
Bedingungen, etwa einer angemessenen Kostenbeteiligung, geknüpft werden.
Art. 12
Ehe und Familie (1)
Alle Gläubigen einschließlich
der Kleriker haben das Recht, eine Ehe zu schließen und eine Familie zu gründen.
Dasselbe gilt für eine nicht eheliche Lebensgemeinschaft.
(2) Freiwillig abgegebene
Versprechungen zur Ehelosigkeit bzw. zum Verzicht auf eine Lebensgemeinschaft
sind zulässig. Ein Bruch derartiger
Versprechungen kann Nachteile in Bezug auf kirchliche Ämter nach sich ziehen.
III.
Gleichheitsrechte
Art. 13 Gleichheit (1) Alle Gläubigen
sind vor dem kirchlichen Gesetz gleich.
(2) Niemand darf aufgrund
seines Geschlechtes, seiner Nationalität, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner
Herkunft oder seiner sexuellen Orientierung benachteiligt oder bevorzugt werden.
Art. 14 Zugang zu kirchlichen Ämtern Jeder
Gläubige hat nach seiner Eignung, Befähigung, seiner Glaubensstärke und
seiner Leistung gleichen Zugang zu einem kirchlichen Amt. Art. 13 Abs. 2 findet
Anwendung.
IV. Teilhaberechte
Art. 15 Sakramentenempfang (1)
Jeder Gläubige hat das Recht, die Sakramente entsprechend den dafür geltenden
Regelungen zu empfangen. (2)
Die Spendung eines Sakramentes kann verweigert werden, wenn sachfremde Motive
verfolgt werden, keine hinreichende Glaubensüberzeugung besteht oder dem
Sakrament nicht die nötige Ehrfurcht entgegengebracht wird.
Art. 16 Gottesdienst
(1) Alle Gläubigen haben das Recht zur Teilnahme an Gottesdiensten. Die
Veranstaltung von Gottesdiensten nur für bestimmte Gruppen von Gläubigen ist
zulässig.(2) Das Recht kann Personen versagt werden, die sich nicht ordnungsgemäß
verhalten oder nicht in angemessener Kleidung erscheinen.
Art. 17 Kirchenasyl
(1) Aus religiösen, politischen
oder ethnischen Gründen Verfolgten ist nach Möglichkeit Asyl in kirchlichen Räumen
zu gewähren. (2) Die Gläubigen sind nicht verpflichtet, sich staatlichen
Strafen oder Verfolgungen auszusetzen.
V. Justizgrundrechte
Art. 18 Gerichtliches
Verfahren (1) Vor einem kirchlichen
Gericht hat jedermann Anspruch auf ein faires Verfahren durch ein unabhängiges
Gericht, das nur dem Gesetz verpflichtetet ist. (2) Jede Person ist in
einer ihm verständlichen Sprache über alle wesentlichen Einzelheiten des
Verfahrens zu unterrichten.(3)
Jede Person darf sich eines Bevollmächtigen oder Beistandes seiner Wahl bzw. in
einem kirchlichen Strafverfahren
eines Verteidigers bedienen. Durch Kirchengesetz kann bestimmt werden, welche
Personen als Bevollmächtigte, Beistände oder Verteidiger zugelassen werden.
Dem Bevollmächtigten oder Verteidiger ist Akteneinsicht zu gewähren.(4)
In einem kirchlichen Strafverfahren ist dem Beschuldigten ausreichend
Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung seiner Verteidigung zu gewähren. Falls er
in einer mündlichen Verhandlung die Verhandlungssprache nicht versteht oder
nicht spricht, ist ihm unentgeltlich ein Dolmetscher beizuordnen.
Art. 19 Kirchliches
Strafrecht (1)
Eine Tat kann nur mit einer kirchlichen Strafe belegt werden, wenn die
Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.
(2) Kein Gläubiger darf
wegen derselben Tat aufgrund eines kirchlichen Strafgesetzes mehrmals bestraft
werden.