Donum vitae auch in Oberberg

Die Stunde der Laien

Wolfgang Sabel

Nachdem der Papst - trotz mehrfacher Intervention einiger Bischöfe - den Ausstieg aus der staatliche Schwangerschaftskonfliktberatung angeordnet hatte, beschloss die Vollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken mit großer Mehrheit (141 Ja- und 16 Nein-Stimmen) die bisherige Beratung mit Schein ohne Papst und ohne Bischöfe in christlicher Eigenverantwortung mit dem im November 1999 in Fulda gegründeten Verein Donum vitae selbständig weiterzuführen.

Bereits Ende Februar waren sechs Landesverbände gegründet. Im Mai wurde im Saarland die erste Beratungsstelle eröffnet. Zur gleiche Zeit hatten sich engagierte oberbergische Katholiken zusammengefunden und auf Kreisebene Donum vitae Oberberg e.V. gegründet, um möglichst nahtlos die bisherige Konfliktberatungspraxis weiterzuführen, nachdem der Kardinal für Mitte des Jahres den Ausstieg aus der bisherigen Beratungspraxis angeordnet hatte.

In der Präambel zur Satzung von Donum vitae Oberberg eV., Verein zum Schutz des menschlichen Lebens, heißt es: "Im Wissen um die Tatsache, dass jährlich viele tausend Kinder Müttern, die in einer katholischen Schwangerschaftskonfliktberatung Rat gesucht haben, ihr Leben verdanken, in der klaren Erkenntnis, dass das Leben ungeborener Kinder nicht gegen die Frau geschützt werden kann, sondern mit der Frau geschützt werden muss, in der gesicherten Erfahrung, dass die Frau in einem Schwangerschaftskonflikt durch Beratung nur erreicht werden kann, wenn auf eine Strafandrohung gegenüber der Frau verzichtet wird, in der festen Überzeugung, dass die Verantwortung für den Schutz des Lebens ungeborener Kinder auch künftig den Einsatz deutscher Katholiken für eine entsprechend geprägte Schwangerschaftskonfliktberatung verlangt, haben Bürgerinnen und Bürger, die der katholischen Kirche angehören, den Verein zum Schutz des menschlichen Lebens -DONUM VITAE OBERBERG e.V. gegründet."

Wenn alles nach Plan verläuft, so wird schon im August Donum vitae Oberberg die Arbeit in Gummersbach aufnehmen und bis 2001 werden entsprechende Beratungsstellen flächendeckend in der Bundesrepublik arbeiten. Alle Gründungsmitglieder waren sich bewusst, dass die aus katholischer Überzeugung geleistete Schwangerschaftsberatung im gesetzlich geregelten System auch im Oberbergischen weitergehen muss.

Nur durch eine Beratungsstelle mit Schein, durch eine Beratung, die für die Frau letztendlich offen bleibt, können die Frauen erreicht werden, die ernsthaft einen Schwangerschaftsabbruch erwägen. Eine Beratungsstelle ohne Schein wird eine abtreibungswillige Frau nicht aufsuchen. Dass die bisherige Praxis mit Erfolg in der Bundesrepublik gearbeitet hat, belegt die Statistik des Deutschen Caritasverbandes für 1997. Von 20.097 Frauen, die in Konfliktsituationen die kirchliche Beratungsstellen aufsuchten, konnten 5000 Frauen dazu gewonnen werden, ihr Kind auszutragen. Konkret bedeutet dies: hätte diese Beratungspraxis nicht stattgefunden, würden 5000 Kinder nicht leben. Angesichts dieser Zahlen sind die Vorstellungen des Papstes nicht nachvollziehbar. Er will Leben schützen und vernichtet Leben. Durch seine Anordnung werden 5000 Kinder jährlich getötet, wenn die Konfliktberatung mit Scheinausstellung nicht mehr stattfinden darf. Dass 75% der Kinder trotz Beratung abgetrieben werden, ist schlimm, aber 25% abtreibungswillige Frauen können umgestimmt werden und ihr Kind austragen. Das Leben lässt keine weiße Weste zu. Wo Verantwortung gefordert wird, da gibt es Schuld. Sich aus der Verantwortung stehlen, nur um einer wirklichkeitsfremden Morallehre zu gehorchen, ist eine größere Verfehlung als Menschenmögliches zu wagen, auch mit dem Risiko, nur einen Teilerfolg zu erzielen. Diesen Gewissenskonflikt muss jeder Christ, ob Papst, Bischof oder Laie, für sich entscheiden. Dabei ist die Unterscheidung zwischen objektivem und subjektivem Gewissen (Meisner) Wortklauberei und lediglich eine fatale Ausrede und keine Hilfe. Das, was der Kölner Kardinal in Rom gemacht hat, nennt man im bürgerlichen Leben Intrige und den, der dies macht, nennt man Intrigant.

Viele Bischöfe haben sich gegen die päpstliche Anordnung gewehrt. In der Bischofkonferenz gab es harte Worte und die hochgepriesene Einmüdigkeit der Bischöfe gibt es längst nicht mehr. Auch ist die Kluft zwischen dem deutschen Katholizismus und Rom fast unüberbrückbar geworden. Die Glaubwürdigkeit der Kirche hat durch die wirklichkeitsfremde und unvernünftige Vorschrift des Papstes ihre Glaubwürdigkeit verloren. Mag der alte Mann durch sein Charisma die Menschen bewegen, mag er mitgeholfen haben, Unglaubliches im politischen Raum zu erreichen, so ist er für die bitter notwendigen innerkirchlichen Reformen eine Katastrophe.

Aus Köln kommen wie gewohnt harte Töne. Dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken, der höchste Laienvertretung, wird vorgeworfen, durch die Gründung von Donum vitae nicht mehr katholisch zu sein; Konsequenzen müssten gezogen werden, über Änderungen müsste nachgedacht werden. Dabei gilt es zunächst die Frage zu beantworten: was heißt katholisch? Sicherlich nicht dem Papst zum unbedingten Gehorsam verpflichtet zu sein! Schon längst ist er keine moralische Instanz mehr. Schon längst wird die Amtskirche samt Papsttum in ihrer jetzigen Form von den meisten Katholiken als überholt und veraltet angesehen.

Nach dem II. Vatikanum ist jeder Katholik nach seinem christlichen Gewissen verpflichtet, seinem Bischof und seinem Papst zu widersprechen, wenn Anordnungen auf ihn zukommen, die er vor seinem Gewissem nicht verantworten kann und für falsch hält. Im CIC-Canon 212,3 heißt es: Die Christgläubigen haben das Recht und manchmal auch die Pflicht, gegenüber ihren geweihten Hirten ihre Ansicht über jene Angelegenheiten zu äußern, welche das Wohl der Kirche betreffen.

So ist es das Recht und die Pflicht des mündigen Christen, den Bischöfen und dem Papst ihr Fehlverhalten in der Schwangerschaftskonfliktberatung vorzuhalten. Wenn keine vernünftige Korrektur möglich ist, so ist es urchristliche Pflicht des Laien, in Eigenverantwortung vor dem Gewissen das weiterzuführen, was bisher mit großen Erfolg Leben geschützt hat.