Ein Brief des Ultramontanus an seinen Erzbischof
Hochzuverehrende, exzellente Eminenz,mit Ihrem letzten Hirtenbrief haben Sie einen Coup gelandet, wie das noch keinem gelungen ist. Wir, hinter den Bergen, sind einfach sprachlos. Da kann man Ihnen nur gratulieren. Geschickt lassen Sie Ihre Krokodilstränen rollen und öffnen dem Leser/Hörer Ihr von Gewissensnot gequältes Herz. Wie ein waidwundes Reh, das mit brechenden Augen um Gnade bettelt, drücken Sie auf die Tränendrüsen Ihrer Schäfchen. Mit Ihrer Anfrage an den Papst erledigen Sie mit einem Schlag "zwei
Fliegen": Einmal geben Sie Ihr Gewissen beim Papst ab, der nun Ihre Gewissensentscheidungen trifft. Sie tragen von nun an keine Verantwortung mehr. Und zum Zweiten gelingt Ihnen mit diesem Schlag ganz elegant dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Herrn Bischof Lehmann, "eins auszuwischen".
Sehr verehrte Eminenz, Sie sind ein Meister des geistlichen Ränkespiels, von Ihnen kann man noch sehr viel lernen. Vielleicht findet sich ein Dramaturg, der Ihre Taten in einem würdigen Drama "Kabale und Bruderliebe" verarbeitet. Wie stehen Sie nun in Rom da? Wer kann schon solche Meriten wie Sie vorweisen?
Hoffentlich weiß der Papst jetzt, was er Ihnen, der einzigen stabilen Säule zwischen all den geborstenen in der deutschen Kirche, zu verdanken hat. Gewisse eingeweihte Kreise in Rom haben verlauten lassen, daß Sie Nachfolger von Kardinal Ratzinger werden sollen. Sie sollen ja auch schon vor Ihrem Amtsantritt die Glaubenskongregation umbenennen wollen: "Durchleuchtungssekretariat für eine reine und heilige Kirche". Ist da etwas dran?
Endlich, hochverehrte Eminenz, kann das große Reinemachen in unserer verlotterten Kirche beginnen. In Zukunft wird es in unseren Kirchengebäuden noch mehr Platz geben, nachdem die schwarzen Schafe durchleuchtet, erkannt und ausgeschieden werden. Wir leben ja in einem "antichristlichen" Deutschland, wie Sie unlängst verlauten ließen. Sie werden sich dieser Aufgabe mit großem Fleiß hingeben, wie seinerzeit der berühmte Torquemada. Drohen Sie nicht nur mit der Exkommunikation. Sollte es nicht auch eine feurige Lösung geben für die vielen, die Ihrem allerhöchsten, erzbischöflichen Wort nicht mehr gehorchen? Für diese Arbeit sind Sie bestens vorbereitet, denn eine Gewissensnot gibt es für Sie nicht mehr, nachdem Sie Ihr Gewissen beim Papst abgegeben haben.
In der Hoffnung, daß für unsere Kirche nun bald "reine und heilige Zeiten" anbrechen, grüßt Sie
Ihr Ultramontanus
W. Mickiewicz