Ein Brief des Ultramontanus an seinen Erzbischof
Oberberg im Januar 1999
Hochzuverehrende, exzellente Eminenz,
als die Nachricht von Ihrer hohen Auszeichnung in Prag zu uns drang, waren wir doch sehr beeindruckt; einmal, weil Claudia Schiffer zur gleichen Zeit in Prag mit einem Orden geehrt wurde - sollten Sie jetzt zur High Society gehören? - und zum anderen, weil die Gründe zu Ihrer Ehrung uns sprachlos machten. Wer hätte das gedacht, daß Sie, verehrte Eminenz, die tschechische Untergrundkirche unterstützten, geheime Priesterweihen durchführten. Dürfen wir annehmen, daß Sie auch bei der Weihe von Verheirateten in Tschechien mitgewirkt haben? Diese Vorstellung beflügelt natürlich meine Phantasie. Es könnte an den Gerüchten, die hier bei uns hinter den Bergen umgehen, vielleicht doch etwas Wahres sein. Man munkelt nämlich, daß Sie im Geheimen in Rom sich für die Weihe von „Viri probati“ zu Priestern und für das Frauendiakonat stark machen.
In diesem Zusammenhang, sehr zu verehrende Eminenz, möchte ich Sie auf eine herausragende Tat Ihres Vorgängers, Kardinal Frings, hinweisen, der in den 60er Jahren im Geiste des 2. Vatikanums ein Diakoneninstitut für verheiratete Männer errichtete und damit ein Zeichen der Hoffnung in der Weltkirche setzte. Wie wäre es, wenn Sie ebenso ein Zeichen der Hoffnung und Öffnung geben würden, indem Sie als Modellprojekt ein Diakoninneninstitut in Ihrer Erzdiözese einrichten würden? Sie würden als moderner Kirchenvater in die Kirchengeschichte eingehen, der die Zeichen der Zeit erkannt hat. Sie würden dem Volk Gottes Ihrer Erzdiözese, besonders aber den Frauen, die Hoffnung wiedergeben, gleichberechtigte Glieder dieser Kirche zu sein. Es gäbe in Ihrer Kirche keine Zweiständekirche, Kleriker- und Laienkirche, mehr. Sie würden sich in die Spur unseres Herrn Jesus begeben, der zu den Frauen ein ganz unverkrampftes Verhältnis hatte. Darüber hinaus würden Sie nahtlos an der Tradition der Urkirche anknüpfen, die ja auch Apostolinnen und Diakoninnen kannte.
Lassen Sie namhafte Theologen unserer Kirche an der theologischen Begründung des Frauendiakonats arbeiten, so wie damals Kardinal Frings den berühmten Theologen, Karl Rahner, arbeiten ließ, der die theologische Begründung in seinem Werk „das Laiendiakonat“ lieferte.
Sehr verehrte Eminenz, von Rom aus sehe ich für Sie keine Schwierigkeiten, denn Sie sind ja kein kirchlicher Revoluzzer. Nein, Sie gelten doch als „die Säule“ der deutschen Kirche, der Fels in der Brandung. Von Rom aus gesehen, sind Sie ein echter Ultramontanus, der im vorauseilende Gehorsam die Zeichen der Zeit richtig erkennt, interpretiert und umsetzt.
Die Behebung des Priestermangels auf diese Weise würden wir natürlich begrüßen, denn Sie müßten einmal unsere gestreßten Pfarrer am Sonntag erleben, wenn sie drei bis vier Pfarren zu betreuen haben. Nach einer jeden Messe sieht man sie mit fliegenden Rockschößen mit einem Stoßgebet auf den Lippen: „Hoffentlich spricht mich keiner an“, zum Auto hetzen, um zur nächsten Kirche zu fahren. Ein gemütlicher Plausch zwischen Pfarrer und Gemeindemitgliedern nach der Messe ist nicht mehr möglich.
Bei meiner heutigen Schriftlesung fiel mit ein Wort des Propheten Jesaja auf, das ich Ihnen zur Ermutigung sagen möchte: „Seht, ich schaffe Neues; schon sproßt es auf. Merkt ihr es nicht?“ (Jes 43,19).
In diesem Sinne grüßt Sie
Ihr Ultramontanus
W. Mickiewicz