Es ist zum Davonlaufen

von Wolfgang Sabel

Rom teilt aus: Vor ein paar Wochen wurden die Befugnisse der Synodalen eingeschränkt, jetzt verweist der Vatikan uns Laien ins dritte Glied. Durch das römischen Dokument mit dem halsbrecherischen Titel: “Zu einigen Fragen über die Mitarbeit der Laien am Dienst der Priester”1 wird die Mitarbeit und Mitverantwortung der Laien im kirchlichen Dienst eingeschränkt. Tätigkeiten, die bisher von den Ortsbischöfen erlaubt oder geduldet wurden, sind zu unterlassen: “Particulargesetze, geltendes Gewohnheitsrecht sind widerrufen”. Es wird auf das gültige Kirchenrecht hingewiesen, wenn es um Laienpredigt, gottesdienstliche Handlungen, das Tragen von liturgischen Gewändern u.a. geht. Welche Gebete der Laie im Gottesdienst ohne Priester sprechen darf, und wann es dem Laien in Notfällen erlaubt ist, die Kommunion auszuteilen, wird neu geregelt. Das Kommunizieren am Altar wird ihm verboten. In Pastoralräten und pfarrlichen Räten darf er nicht mehr den Vorsitz führen. Weitere Verbote folgen.

Es ist zum Davonlaufen, und man muß sich immer wieder fragen, warum man noch bleibt. Allein der Ton dieser Verlautbarung ist für uns Laien verletzend und nicht hinnehmbar. Das ist die Sprache der Obrigkeit zu Untergebenen, herablassend, teils gönnerhaft, teils anmaßend. So spricht man nicht zu Geschwistern, zu Freunden, sondern zu Untertanen.

Ob hier wirklich die Sorge um die Wahrheit des Glaubens eine Rolle spielte oder nur die Sorge um die Wahrung des klerikalen Besitzstandes? Sind die Laien dem Altar zu nahe gerückt? Werden die Laien zu einflußreich, gefährden die Laien die klerikale Macht? Offensichtlich hat sich die konservative Gruppe im Vatikan durchgesetzt und benutzt den schwindenden Einfluß eines kranken und schwachen Papstes, vorkonziliäre Zeiten wieder einzuführen. Wer führt eigentlich noch in Rom - der Papst oder die Kongregationen? Wer ist Roß und wer Reiter? Zumindest hat der müde kranke Mann die Zügel nicht mehr in der Hand, und es hat den Anschein, daß er bereits abgestiegen ist.

Verfolgt man die offiziellen Verlautbarungen, so applaudieren zwar wie gewohnt Dyba und Meisner, aber Lehmann, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, bedauert öffentlich, daß das röm. Dokument ein Klima der Angst verbreite. H.J.Meyer, Vorsitzender des ZdK, ruft zum Widerspruch der Laien auf und Prof. Greinacher fordert kirchlichen Ungehorsam.

Rom hatte mit einer solchen Reaktion nicht gerechnet. Mittlerweile versucht der Vatikan abzuwiegeln: Der Inhalt sollte nicht zu hoch gespielt werden, es gelte lediglich Mißstände abzubauen.

Schlagzeilen wie: “Wie der Vatikan die Zukunft verhindern will”, “In Treue zum Konzil widerstehen”, “Rom und die Lückenbüßer”, “Bittere Pille”, “Vatikan setzt enge Grenzen für Laien”, zeigt, daß die Verlautbarungen nicht hingenommen und auch nicht angenommen werden.

Das Il. Vatikanum hat uns Laien als dritte gleichberechtigte Säule neben Lehramt und Theologie gestellt. Diesen Platz sollten wir uns nicht nehmen lassen. Es gibt handfeste Gründe den Einschüchterungen Roms standzuhalten. Denn “...durch die Rezeption des Communio-Gedankens und die Betonung der Teilhabe aller Getauften am dreifachen Amt Christi korrigierte das Zweite Vatikanum die juridische Vereinseitigung und die Geistvergessenheit des hierarchischen Kirchenmodells der Neuzeit. Bewußt stellten die Konzilsväter wieder das ganze gläubige Volk unter das Wort Gottes und hoben dadurch jede standesmäßige Differenzierung innerhalb der kirchlichen Gemeinschaft auf, vor allem die bereits angesprochene Differenzierung zwischen “lehrender" und “hörender Kirche": Weil das gläubige Volk in seiner Gesamtheit Geschöpf des göttlichen Wortes ist, darum bezieht sich die Kirchlichkeit des Wortes Gottes nicht allein auf das pastorale Lehramt, sondern auf das Christusvolk als Ganzes, so daß alle Gläubigen aktiv am Wort Gottes teilhaben und die gesamte Kirche sowohl als Lern- wie auch als Lehrgemeinschaft anzusehen ist...”(C.Böttigheimer, Stimmen der Zeit, Nr.9, 97, S 608)

Daß es zwischen Lehramt und der theologischen Wissenschaft handfeste Probleme gibt, erfahren wir fast jeden Monat. Keineswegs wird dem Theologen, wie immer wieder behauptet, die “entsprechende Freiheit des Forschens und Denkens sowie demütige! und entschiedene Meinungsäußerung" (GS 62) zugestanden. Schon die Unterzeichner der Kölner Erklärung strafte der Vatikan mit massiven Restriktionen.

Daß den Laien jetzt auch längst zugestandene Rechte genommen werden sollen, zeigt, daß innerkirchliche Spannungen nicht nur zwischen Theologie und Lehramt bestehen, sondern ebenso zwischen Lehramt und der Gemeinschaft der Gläubigen.

Was uns Laien jetzt fehlt, ist eine selbstverständliche Selbtsicherheit und selbstbewußte Eigenständigkeit. Eines sollte klar sein: Wir Laien sind nicht für die Kirche, sondern die Kirche ist für das Volk Gottes da.

Schließlich hat in der Urkirche die Gemeinde ihre Vorsteher selbst ausgewählt und zum Gemeindedienst bestellt. In aller Bescheidenheit sollte unsere Kirche in einer ehrlichen Wahrhaftigkeit zu ihrer eigenen Geschichte stehen: Es ist historisch unbestritten, daß Jesus keine Kirche gegründet und auch keine Priester bestellt hat.

Wenn auch Zustimmung aus Fulda und Köln kommt - kritische Äußerungen von Lehmann und die Betroffenheit des Zentralkomitees der deutschen Katholiken machen uns Mut, diese päpstliche Ohrfeige nicht einzustecken. Es bleibt zu hoffen, daß das ZdK in Rom vorstellig wird und die Rechte der Gläubigen einklagt. Denn der Christ ist längst kein Objekt der Hierarchie mehr, sondern selbtverantwortliches Subjekt, auch der Kirche gegenüber. Die Unterscheidung zwischen den Laien als den “Hörenden" und den Geistlichen als den “Lehrenden" ist durch das Il. Vatikanum aufgehoben.

*Der Text der Instruktion kann beim Sekretariat der deutschen Bischofskonferenz, Kaiserstr. 163, 53113 Bonn, angefordert werden.

Das Zitat zum Thema

“...In erster Linie reagiert das Schreiben auf Veränderungen in der kirchlichen Ämterstruktur. Es kann nicht ohne Folgen für das Priesteramt bleiben, wenn vielerorts Laien, z.T. ebenso gut oder schlecht ausgebildet wie geweihte Kleriker, auf der Basis von Taufe und Firmung Funktionen wahrnehmen, die in der Vergangenheit dem Priester bzw. dem Kleriker vorbehalten waren und dies der Theorie nach bis heute sind.

Anstatt diese faktische und allenthalben spürbare Übergangssituation in den Profilen kirchlicher Ämter vorsichtig auf schon evidente oder doch mögliche Gefahren hin abzuklopfen, konstruktiv Zukunftsperspektiven zu entwickeln, sich den Realitäten zu stellen, wird mit dieser Instruktion defensiv abzuwehren versucht, restriktiv das geltende Recht eingeschärft, obwohl dies den gewachsenen kirchlichen Realitäten nur unzureichend gerecht wird. Das kirchliche Amt stellt sich inzwischen faktisch vielfältiger dar, als es die Instruktion wahrhaben will....”

(Herder-Korrespondenz, Heft 12, 97, S. 599)

 

 

 

“...Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken ruft die deutschen Katholiken auf, den rückwärts gewandten Bestimmungen der Instruktionen zu einigen Fragen über die Mitarbeit der Laien am Dienst der Priester zu widerstehen, an der Lehre des II. Vatikanischen Konzils über das gemeinsame und das besondere Priestertum treu festzuhalten und in Bereitschaft zu Dialog und Zusammenarbeit ihren innerkirchlichen Dienst fortzusetzen....”

(H. J. Meyer, Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Kultusminister von Sachsen)