Geschwisterliche Kirche?
Peter Arenz (verst. September 1996 - wir wissen Peter in guten Händen)
“Christ - sein” ist nicht möglich in der Vereinzelung”, so konnte man es vor kurzem in einer Veranstaltung des Katholischen Männerwerkes in Gummersbach vom Referenten hören. Zum “Christ-sein” gehört die Gemeinschaft der Glaubenden, die Kirche”. Diese Gemeinschaft muß aber dann auch für jeden einzelnen erfahrbar werden, er müßte sich in der Kirche aufgenommen fühlen und Heimat finden können . Ist das so?
Im gleichen Vortrag erklärte der Referent ebenfalls, daß für ihn auch Menschen mit unterschiedlichen Auffassungen zur Kirche gehören. die kirchliche Gemeinschaft umfasse ein Spektrum von Bischof Küng in der Schweiz, der in dem ruf steht, besonders konservativ zu sein, bis zu dem Tübinger Theologen Hans Küng, dem der Vatikan der Lehrauftrag entzogen wurde. Kann sich wirklich in der katholischen Kirche ein solches Spektrum angenommen und beheimatet fühlen? Ist es nicht vielmehr so, daß jeder “Abweichler” zwar nicht mehr exkommuniziert, aber doch möglichst an den Rand gedrängt wird, so daß er nach Möglichkeit mundtot wird. dies geschieht in der kirchlichen Hierarchie (man denke nur an den Bischof Jacques Gaillot von Evreux), setzt sich dann aber in vielen Diözesen und Gemeinden fort.
1982 hat Margarete Dotzler, die damalige Diözesenvorsitzende der kath. Frauengemeinschaft im Erzbistum München/Freising, es in einem Fernsehinterview gewagt, ein wenig an dem überkommenen Bild von der stets demütigen und gehorsamen Gottesmutter Maria zu kratzen, und sie als durchaus aktive selbstbewußte Frau dargestellt. Dies widersprach zwar der herrschenden Vorstellung, war aber durchaus keine ketzerische Irrlehre. Dennoch gab es eine Flut von Schmähungen durch Priester und “Gläubige” und führte schließlich dazu, daß Frau Dotzler aus dem Amt gedrängt wurde. Um ins Abseits gestellt zu werden, genügt es in der Pfarrgemeinde St. Franziskus in Gummersbach und auch andernorts schon in den 70er Jahren, den festen Pakt der Kirche mit der CDU zu kritisieren und die Auffassung zu vertreten, ein Christ dürfe auch andere Parteien wählen, von Auffassungen, wie sie durch das Kirchenvolksbegehren geäußert wurden, ganz zu schweigen. Diese Beispiele könnten zahlreich vermehrt werden. Müßte nicht eine Kirche, die in der modernen Gesellschaft glaubwürdig und wirksam sein will, bereit und in der Lage sein, Streitfragen offen zu diskutieren? Ist das eine geschwisterliche Kirche, die unterschiedliche Meinungen in ihren Reihen nicht zuläßt und die Probleme durch “Verdrängen” erledigt?
Nun könnte man darüber hinwegsehen und sagen, dies alles sei Ausdruck menschlicher Schwachheit und Sündhaftigkeit; die geschwisterliche Gemeinschaft sei eben immer gefährdet. Aber so einfach darf man es sich nach meiner Meinung nicht machen, denn es handelt sich eben nicht um gelegentliche Fehler und Ungeschicklichkeiten von Klerus und Kirchenvolk, sondern um eine von oben gesteuerte Kirchenpolitik. Deshalb ist die Forderung nach mehr Demokratie in der Kirche richtig und notwendig, nicht im Bereich kirchlicher Lehre, obwohl auch dort die Diskussion nicht untersagt werden sollte. Mehr Demokratie ist insoweit in kirchlichen Institutionen möglich und wünschenswert, als nicht die Lehre betroffen wird, sondern die Struktur und die Organisation der Kirche.
Der Primat des Papstes kann auch in demokratischen Strukturen unangetastet bleiben. Es darf aber nicht bei der derzeitigen Scheindemokratie von Kirchenvorstand und Pfarrgemeinderat bleiben. Es müssen vielmehr neue Strukturen entstehen, die den Machtmißbrauch des Amtes erschweren, wenn nicht gar verhindern können.