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Priestermangel: Hat Kirche den Kulturwandel verschlafen?

Klagenfurt, 5.5.99 (KAP) Neue und zeitgemäße Pastoralkonzepte, um das Interesse an geistlichen Berufen zu wecken, hat der Steyler-Missionar und ehemalige Generalsekretär der Päpstlichen Missionswerke ("Missio"-Austria), P. Franz Helm, gefordert. Seiner Meinung nach wird in der Kirche noch viel zu sehr auf veraltete Rezepte gesetzt. Statt auf die veränderte gesellschaftliche und kirchliche Situation mit neuen Konzepten zu reagieren, versuche man, die "traditionellen Strukturen" zu erhalten, obwohl diese für den Dienst am heutigen Menschen "kaum mehr die richtigen Instrumente sind". Das gelte - so Helm - auch für den Umgang mit dem Priestermangel: "Statt strukturelle Veränderungen vorzunehmen und die Gemeinden durch eine Vielzahl von Diensten in die Mitverantwortung zu nehmen, wird versucht, den 'Status quo' trotz des fehlenden Personals zu halten." Statt den Gemeinden den Priestermangel existentiell bewußt zu machen, vermittle man ihnen mit Priestern aus dem Ausland das Gefühl, daß es "irgendwie doch weitergeht", beklagte Helm beim Symposion der katholischen Bischöfe und der Priesterseminar-Regenten in St. Georgen/Längsee (Kärnten) unter dem Motto "Berufen zum Dienst".

Helm verwies auf Faktoren, die geistliche Berufungen früher begünstigt hätten, die aber heute aufgrund gesellschaftlicher und kultureller Veränderungen wegfallen. So gebe es mittlerweile kaum noch kinderreiche Familien, wo es leichter fiel, einen Sohn oder eine Tochter der Kirche zu "schenken". Auch sei die Kirche im Schulbereich heute nicht mehr so bestimmend wie früher. Der geistliche Beruf werde auch nicht mehr als "sozialer Aufstieg" gesehen. Zudem falle es immer mehr Menschen schwer, sich auf Lebenszeit zu binden.

"Überalterung" der Pfarrgemeinden

Eine Hauptursache für die kirchlichen Nachwuchs-Probleme sieht Helm jedoch in der versäumten "Einwurzelung der Kirche in das veränderte sozio-kulturelle Umfeld". Die "Überalterung" der Gemeinden nehme zu, immer weniger junge Familien nehmen regelmäßig am Gemeindeleben teil. Eine funktionierende pfarrliche Jugendarbeit gebe es kaum noch. Dazu komme, daß die Institution Kirche in der Öffentlichkeit oft in einem "schiefen Licht" stehe, was aber nicht zum Effekt geführt habe, daß sich "divergierende Sektoren" der Kirche enger zusammenschließen und nach außen geschlossen auftreten. Der "Schaden für das Ansehen" der Kirche sei dadurch groß, und der Identifikationsgrad mit der Kirche scheine bei den Mitgliedern abzunehmen. ...

Nach den Worten Helms muß die Kirche nicht nur "zur Ruhe" kommen, sie müsse vielmehr "als Ort der Freiheit neu erfahrbar werden, wo miteinander geschwisterlich umgegangen wird und die Armen und Ausgeschlossenen zuerst kommen". Das funktioniere nicht, solange kircheninterne Differenzen in der Öffentlichkeit breitgetreten werden.

Erst nach "Dienst am Menschen" fragen

Helm empfahl deshalb der Kirche, zuerst nach ihrem Dienst am heutigen Menschen und erst dann nach den "Dienst-Ämtern" zu fragen, die dafür notwendig sind. Dabei werde man - so Helm - auch die Konzentration des kirchlichen Dienstes auf die Person des "Klerikers" überwinden müssen. Denn wenn der Dienst an den Menschen Vorrang hat, öffne sich "Raum für eine Vielfalt an Diensten". Die Mitarbeit der Laien sei nicht deshalb notwendig, weil es zu wenige Priester gibt. Sie sei notwendig, weil jeder Christ dazu berufen sei, seine "Sendung" in der Kirche und für die Welt zu leben. Die Vielfalt der Dienstämter werde es auch möglich machen, das Spezifische des Priester-Dienstes und des Ordensberufes besser zu erkennen.

Mit mehr Vielfalt an Diensten könnte man auch die heutigen Priester und Ordensleute entlasten und sie - trotz Priestermangel - für ihre eigentliche Aufgabe freier machen. Die Arbeitsüberlastung der immer weniger werdenden Priester und Ordensleute führe dazu, daß sie oft nicht mehr als "geistliche Menschen", sondern als "gehetzte Manager des religiösen Lebens" erfahren werden. Helm dazu: "Ich kann mir gut vorstellen, daß ein solches Leben für Jugendliche nicht attraktiv ist."