Distanz zur "Institution", aber "Glaube" nimmt zu
- Den österreichischen Kirchen bläst, nach einer neuen Umfrage, kurz vor dem Weihnachtsfest ein heftiger "Gegenwind" der Gläubigen ins Gesicht. Die Österreicherinnen und Österreicher gehen massiv auf Distanz zur "Institution" Kirche. Nur mehr 20 % fühlen sich der "Kirche" nahe, wobei allerdings nicht im Detail definiert wurde, um welche Glaubensgemeinschaft es sich handelt. Vor vier Jahren waren es noch fast 50 % gewesen, die von einem Naheverhältnis zu einer Kirche sprachen. Die Umfrage wurde vom Linzer Meinungsforschungsinstitutes "market" durchgeführt.
"market" befragte im Oktober und November des heurigen Jahres einen repräsentativen Querschnitt von 500 Personen ab 15 Jahre. Herr und Frau Österreicher wurden gefragt: "Wie würden Sie ihre Beziehung zur Kirche einstufen?" Auf einer Skala zwischen Eins - "stehe der Kirche sehr nahe" - und Fünf - "stehe der Kirche überhaupt nicht nahe" - konnten sich die Befragten entscheiden.
Acht Prozent votierten für Note Eins und zwölf % für Note Zwei, damit ergaben sich die genannten 20 % mit einer deutlichen Nähe zu einer Kirche. 1994 wählten noch 15 % der Befragten Note Eins und gar ein Drittel Note Zwei, also fast 50 Prozent mit kirchlichem Naheverhältnis. Analog dazu meinten jetzt 35 %, daß sie der Kirche überhaupt nicht nahe stehen. Vor vier Jahren waren es lediglich 5 % gewesen.
"market" fragte weiters: "Glauben Sie daran, daß man Gott im eigenen Leben in irgendeiner Form spüren, erleben kann ?"
Dabei kam es zum Ergebnis, daß der Glaube innerhalb der Bevölkerung zunimmt. 35 % der Befragten meinten jetzt, daß sie Gott "voll und ganz" spüren können. Vor vier Jahren waren dieser Meinung nur 23 % gewesen. Aber auch der Anteil jener, für die Gott nicht "erlebbar" ist, stieg. Waren es 1994 nur 19 %, die Gott "nie spüren", so waren es heuer 26 %. Der Rest der Befragten meinte, Gott im Leben "vielleicht" erfahren zu können.
Der Glaube an Gott nimmt zu, die Ablehnung der Kirchen steigt. Werner Beutelmayer von "market" erklärt dies so: "Glaube ist etwas Privates geworden, das man für sich selbst entscheidet und lebt. Die Kirche benötigt man dazu nicht, denn man hat nicht das Gefühl, daß sie einem weiterhelfen kann." (ORF) (Update 24.12.98, WsK-Österreich)
- Die römisch-katholische Kirche ist offenbar unreformierbar. Auch wenn, wie alle Umfragen zeigen, 80 Prozent der österreichischen Katholiken eine Reform wollen. Die Reaktionen auf das Beharren des Apparates werden verschieden sein - die einen werden austreten, die anderen auf einen neuen Papst hoffen, den dritten wird es egal sein, die vierten werden dessen ungeachtet ihre Reformbestrebungen fortsetzen und im Rahmen ihrer bescheidenen Möglichkeiten umsetzen.
(STANDARD v. 9.1.99)
- Daß die hohen Herren im Vatikan Probleme mit der innerkirchlichen Demokratie haben, liegt glatt auf der Hand. Über den Glauben lasse sich eben nicht abstimmen, sagen sie. Warum eigentlich nicht? Weil die oben besser Bescheid wissen? Weil sie Gott näher sind? Oder doch bloß, weil sie weiterhin das Sagen haben wollen?
Entsprechend ist auch die Einstellung des Vatikans zur Demokratie schlechthin. Auch dazu gibt es eine Passage in der Papstrede anläßlich des Besuches der österreichischen Bischöfe: "Da die Regierungsform, die mit dem heutigen Empfindungsvermögen am meisten im Einklang steht, die Demokratie ist" seien eben auch in der Kirche Demokratisierungsrufe laut geworden, die er jedoch nicht gutheißen könne.
Das also ist die Demokratie für den Papst und seine Berater im Vatikan: "die Regierungsform, die mit dem heutigen Empfindungsvermögen am meisten in Einklang steht". Hätte das ein Politiker gesagt, die Hölle wäre los. Sagt es der Papst, reichen ein paar Geplänkel zwischen Schönborn und Krenn, um die Ungeheuerlichkeit dieser Aussage zu überdecken. Zu deutlich klingt die Distanz zur Demokratie durch, zu deutlich die Frage, ob das heutige Empfindungsvermögen nicht ein allzu beschränktes ist. Klare Machtverhältnisse, das ist es, was diese Amtskirche will. Intern und in der Gesellschaft. Damit ist sie jahrhundertelang gut gefahren. Da hat keiner und schon gar keine aufgemuckt. Starke Männer, feinsinnig oder grob, je nach Zeitgeschmack.
Dr. Eva Rossmann ist Autorin mehrerer Bücher, darunter "Die Angst der Kirche vor den Frauen", Folio-Verlag, 1996.