Kirche — ein Trauerspiel in mehreren Akten
Norbert Piechotta
Lässt man die Ereignisse der letzten Monate in der Kirche Revue passieren, so bleibt nach der ersten Fassungslosigkeit, Empörung oder hilflosem Lachen — je nach Situation — nur Trauer.
Akt 1 — So kräftige Schläge so gehäuft gegen die freieren Geister in der katholischen Kirche, dieses Mal gegen Paolo Suess und Josef Imbach, hat es nach dem Ratzingerschen Waterloo gegen Balasurija nicht mehr gegeben. Wieder rauben die Machthaber, besser: Angsthaber im Vatikan den Nachdenklichen, den Reformorientierten die Hoffnung, dass Änderungen in der Kirche möglich sind.
Akt 2 — Einem Krebsgeschwür gleich wuchert das Opus Dei in der Kirche weiter. Symptom ist die für kirchliche Verhältnisse atemberaubende Geschwindigkeit, mit der der Gründer dieser Organisation, Josemaria Escivar, den kirchlichen Selig– und Heiligsprechungsprozess durchlaufen hat. Wird dieses wohlmeinende, aber totalitär geführte sektenähnliche Opus, entstanden und gefördert zur Zeit des faschistischen Diktator Franco, in Spanien früher als „die heilige Mafia“ bezeichnet, den Degenerationsprozess der römisch-katholischen Kirche zu einer Sekte herbeiführen? (siehe auch, außer Peter Hertel, Michael Lehner, Eine Jugend im Opus Dei, Wichern-Verlag, 2002)
Akt 3 — Da gab es einen aufrechten, gewissen-habenden Bischof in Limburg, Kamphaus, der wie kein anderer die Gesamtproblematik von (unerwünschter) Schwangerschaft mit den „Profis vor Ort“ durch/dacht/fühlt hatte; der nach Abwägung aller Fakten für einen Verbleib in der staatlichen Schwangerschaftsberatung zum Retten von ungeborenem Leben bereit war. Ist Vergewaltigung eines Gewissens in diesem Zusammenhang zu hart oder völlig angemessen?
Akt 4 — Nach den unerhörten Meldungen von sexuellem Missbrauch von Ordensschwestern durch Priester in über 23 Staaten der Welt vor einem Jahr schienen Steigerungen nicht mehr möglich. Weit gefehlt. Nach Kardinal Groer sorgen die homosexuellen Belästigungen des Erzbischof von Posen, Juliusz Paetz, in Polen, die sexuellen Verfehlungen von Bischof Anthony O'Connell in Florida, das skandalöse Verhalten von Kardinal Law bei den pädophilen und päderastischen Missbrauchsfällen in Boston, die Zahlungsübereinkunft der irischen Kirche mit dem irischen Staat in Höhe von 500.000.000 Euro bei ca. 3.500 Betroffenen (Christ in der Gegenwart, 24.2.2002) nach Einschätzung bedeutender amerikanischer Zeitungen für den radikalsten Glaubwürdigkeitsverlust der Kirche in den letzten 50 Jahren.
Akt 5 — Einer Lachnummer gleicht in einer Verlautbarung das vatikanische Verbot, Engeln unerlaubt Namen zu geben. Wer tut das schon? Die Engel-Spezialisten im Vatikan kennen angeblich die Zahl der Engel: Sie sei 99-mal höher als die aller Menschen in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
Und was sagt die Bibel dazu? Im Buch Daniel finden wir folgende Menge: „Tau-sendmal tausend dienten ihm, und zehntausendmal hunderttausend standen vor ihm.“ Macht insgesamt rund eine Milliarde Engel. Nun hat aber schon 1990 der Bielefelder Bevölkerungsforscher Herwig Birg errechnet, dass bis dahin 81 Milliarden Menschen zur Welt gekommen waren. Da sind die vom Vatikan mitkalkulierten Zukunftsmenschen noch gar nicht drin, und wie die Engel je die 99-fache Zahl erreichen sollen, weiß der Himmel — pardon, natürlich nur der Vatikan.
Akt 6 — Die fehlende Beichte. Schon vor Jahren von Kardinal Meisner zur allgemeinen Belustigung als die Ursache allen Bösens ausgemacht, erhält sie nun durch das in Rom veröffentlichten Schreiben Misericordia Dei (die Barmherzigkeit Gottes) vatikanischen Adel. „Es sei die Pflicht jedes katholischen Gläubigen, jede einzelne Sünde, die er begangen habe, regelmäßig zu beichten, schrieb der Papst weiter. Das sei der einzig richtige Weg, den Gläubigen mit Gott und der Kirche zu versöhnen und die Absolution zu erhalten. ...“ (ap) - Dieser Vorgang zeigt wieder einmal exemplarisch, wie angstvoll auf den Verlust von Macht und Einfluss auf das Denken von heutigen Christen reagiert wird.
Akt 7 — Wenn man diesen alten kranken 81-jährigen Menschen sieht, dann ist ebenfalls Trauer angesagt. Wo sind die wahren Freunde, die ihn zu einem Verzicht auf sein Papstamt und zu dem wohlverdienten Ruhestand beraten? Welcher erschreckenden Omnipräsenzphantasie muss dieser alte Mann unterworfen sein, um nicht von sich aus einen Amtsverzicht zu erklären? Auf den Friedhöfen der Welt liegen doch unzählige, die ebenfalls unabkömmlich waren. Wann endlich greift eine Verfassung in der römischen Kirche, die das Papstamt auf z. B. maximal 2 Wahlperioden zu 5, 6 oder 7 Jahren begrenzt.
Akt 8 — 153 Neupriester in Deutschland im vergangenen Jahr, Tendenz weiter fallend, bei ca. 30.000.000 steuerzahlungspflichtigen Katholiken. Weiter so ihr wirklichkeitsfremden Junggesellen im Vatikan. Den agonalen Zustand von Kirche wird man durch die künstliche Ernährung in Form der Kirchensteuer sicherlich noch einige Jahre aufrecht erhalten können. Aber das 3. Jahrtausend, das Jahrtausend der Laien, hat schon längst begonnen und wird vielleicht die Weissagung von Nostradamus bestätigen, dass in der römisch-katholischen Kirche nur noch die Namen zweier Päpste nach dem jetzigen verzeichnet werden.