Von der Ehescheidung

aus einer Predigt zu Mk. 10, 2-12

von Johannes Wendeler

"Was Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen." Dieses Jesus-Wort auf die Frage der Pharisäer, ob ein Mann seine Frau aus der Ehe entlassen darf, gilt der katholischen Kirche als Begründung für die Unauflöslichkeit der Ehe.

Betrachten wir den Schrifttext etwas genauer: Jesus wird also gefragt, ob ein Mann seine Frau aus der Ehe entlassen kann." Damit wollten sie ihm eine Falle stellen" heißt es erklärend. Jesus antwortet also nicht auf eine ehrlich gemeinte Frage, sondern auf eine Fangfrage. In dieser Situation verweist er die Pharisäer auf das Gebot des Mose, daß der Mann der Frau eine Scheidungsurkunde aushändigen muß. Aber dieser gesetzliche Rahmen ist Jesus nicht genug! Er sagt: "Nur weil ihr so hartherzig seid, hat er euch dieses Gebot gegeben".

Hartherzigkeit, das bedeutet hier wörtlich "Verkalkung der Herzen" d.h., nicht mehr fähig zu sein, mit dem Herzen wahrzunehmen. Eine solche Verkalkung des Herzens ist nichts Ungewöhnliches. Es ist zutiefst menschlich, daß wir begrenzt sind und gefangen in unseren Schwächen. Und weil es eben die Erfahrung der Begrenztheit und des Scheiterns gab und gibt, gab Mose den Israeliten dieses Gebot, das der Natur des Menschen, seiner Begrenztheit gerecht wurde.

Der Anspruch aber, den Jesus erhebt, das ist kein gesetzlicher, kein rechtlich durchsetzbarer Anspruch. Jesus richtet sich gegen die leichtfertige Praxis der Pharisäer, einfach einen Scheidebrief auszustellen und fordert mehr als nur Gesetzestreue. Er bezieht sich auf den Schöpfungsbericht und sagt: "und die zwei werden eins sein". Dieser Zustand des Eins-Seins erfordert die Mühe, sich aufeinander einzulassen, sich gegenseitig zu tragen und zu ertragen. Man soll also nicht bei den ersten Problemen alles hinwerfen und vor den Schwierigkeiten kapitulieren. Dagegen wendet sich Jesus ganz entschieden, wenn er sagt: "Was Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen." Aber andererseits hat Jesus sicher auch darum gewußt, daß es trotz allem Bemühen auch ein Scheitern geben kann.

Und hier sehe ich heute das Problem in unserer Kirche. Um dem hohen sittlichen Anspruch Jesu gerecht zu werden, hat die Kirche die Ehe für unauflöslich erklärt. Daraus ergeben sich dann aber rechtliche Folgen, die der Begrenztheit des Menschen nicht gerecht werden. Ich denke, man kann den Anspruch Jesu nicht zum Gesetz machen.

Wenn heute Menschen, die zum zweiten Mal verheiratet sind, nicht mehr das Sakrament der Eucharistie empfangen dürfen, dann wird das nicht dem Willen Jesu gerecht, der den Menschen immer wieder vergeben hat und den Weg zu einem Neuanfang geöffnet hat.

Ich denke, es muß darum gehen, das Ideal, das Jesus aufgezeigt hat, immer wieder bewußt zu machen, denn es ist der Weg, der Heil bringen soll. Das Heil liegt in der Tiefe, sich aufeinander einzulassen, auch wenn das oft Mühe kostet.

Wenn aber der gemeinsame Weg zweier Menschen nicht Heil, sondern Unheil bringt, dann ist es besser, einen Schlußstrich zu ziehen und neu zu beginnen. Und eine solche Umkehr ist sicher auch im Sinne Jesu.