Was sollen wir tun?

Strukturwandel in der Kirche

von Willi Mitzkewitz

Die gegenwärtigen Auseinandersetzungen um die Wege der Kirche in die Zukunft sind von krassen unterschiedlichen Visionen begleitet. Auf der einen Seite sind die, die nur am 'Alten' festhalten wollen und jede Veränderung ablehnen, auf der anderen Seite stehen die, die die religiöse Krise unserer Kirche durch Veränderung bewältigen wollen.

In einigen Thesen möchte ich Perspektiven aufzeigen, die mir für die Zukunft unserer Kirche wichtig erscheinen.

1. Eine Entklerikalisierung der Kirche

Um alle Mißverständnisse auszuschließen: Es geht mir nicht um die Abschaffung des Amtes mit bestimmten Aufgaben und Vollmachten in der Kirche. Es ist aber die Frage erlaubt, ob sich das Wesen der Kirche mit der gegenwärtigen gesellschaftlichen Struktur der Hierarchie unserer Kirche deckt? Ist unsere Kirche nicht zu sehr vom ”oben” und "unten” geprägt. Die Wenigen von ”oben” haben das ”Sagen”, die ”Vielen” von ”unten” haben zu gehorchen. Eine Entklerikalisierung der Kirche meint, daß die Amtsträger damit rechnen müssen, der Geist weht, wo er will und daß er kein exklusives Erbpachtrecht bei ihnen eingerichtet hat. Das nicht kontrollierbare Charismatische gehört notwendig zur Kirche wie das Amt. Hieraus ergeben sich praktische Konsequenzen:

- Der Lebensstil, besonders des höheren Klerus, wirkt in vielem sehr exotisch, ist oft den gesellschaftlichen Funktionären in der profanen Gesellschaft angepaßt. - In der Amtsführung könnte eine größere Sachlichkeit einziehen, die auch für Außenstehende einsichtig wäre.

- Jede Geheimniskrämerei bei Urteilsfindungen und Beschlüssen sind zu vermeiden.

- Laien sind in entscheidende Führungsgremien zu berufen und ihre Sachkompetenz ist zu akzeptieren.

- Es muß der Mut entwickelt werden, falsche Entscheidungen zu benennen und zu revidieren.

- Auf Kritik an Entscheidungen müßte gelassener reagiert werden. Es schadet der Autorität des Amtes und den Amtsträgern nicht, wenn Unsicherheiten, Zweifel und Ängste eingesteht.

2. Eine Moral ohne Moralisieren

Die Kirche sollte eine Kirche sein, die offen und ehrlich die Moral verteidigt, ohne zu moralisieren. Dabei sollte sie sich bewußt sein, daß im konkreten Einzelfall der menschlichen Sittlichkeit es nicht immer leicht und eindeutig ist, zu sagen, wie diese Fragen von der Mitte der christlichen Botschaft her und unter Berücksichtigung der heutigen Situation zu beantworten sind.

"Man moralisiert, wenn man sittliche Verhaltensnormen mürrisch und schulmeisterlich und mit moralischer Entrüstung über eine unmoralische Welt vorträgt; man moralisiert, wenn die moralischen Prinzipien nicht zurückgeführt werden auf jenen innersten Kern der christlichen Botschaft, die die Botschaft des lebendigen Geistes ist. " (K. Rahner) Kirchliche Verlautbarungen zur Moral bewegen sich weithin nur im Bereich der Sexualität. Wie verhält es sich z.B. mit einer ernstzunehmenden Pastoral für die Geschiedenen und Wiederverheirateten. Kommt es hier nicht oft zu Ausgrenzungen und Verstoßungen? Wird gegen eine moralisierende Moral protestiert, so ist doch letztlich etwas Positives gemeint, denn Menschen fühlen sich betroffen und reagieren.

3. Eine Kirche wirklicher Spiritualität

Wenn wir ehrlich sind, müssen wir zugeben, daß wir m einem schrecklichen Maße eine spirituell unlebendige Kirche sind. Die Teilnahme am sonntägliche Gottesdienst belegt doch, in weich geistlich dünner Botschaft der Prediger vor seine Gemeinde oft tritt, so daß man sich fragt: Aus welcher religiösen Erfahrung lebt der Prediger eigentlich? Hat er überhaupt eine religiöse Erfahrung? Vieles ist doch in erschreckendem Maße Ritualismus, Legalismus, Administration und die Folge ist eine sich ausbreitende Langweile in den üblichen Geleisen einer mittelmäßigen Spiritualität.

Der Prediger sollte sich immer bewußt sein, - auch wem er als Theologe 'alles' weiß - daß Gott das absolute Geheimnis ist, der sich auch seinem Zugriff entzieht. Man sollte fragen: Ihr Prediger vergeßt nicht, daß auch ihr durch die enge Pforte, die wir Tod nennen, gehen müßt. Was hat dann noch Bestand von den Ergüssen eines Kirchenbeamten? Ist euch schon einmal bewußt geworden, daß ihr oft nur religiöses Bla-Bla von euch gebt? Manche Prediger treten mit einem Anspruch auf, als ob sie Berater Gottes wären. Stellen sie sich auch mit ihrem Leben unter die Botschaft, die im Angesichte Gottes alles in Frage stellt?

Gestehen wir uns doch die Armut an Spiritualität in der heutigen deutschen Kirche ein. Die Botschaft vom lebendigen Gott muß ohne Rückversicherung gewagt werden, dann zeigt sie, daß sie trägt und befreit.

4. Eine Kirche der offenen Türen

Wir sollten eine Kirche der offenen sein. Hiermit meine ich, daß nicht in erster Linie Ausgrenzungen und Rückzug in einen zu leicht zu verteidigenden Turm gemeint sind, sondern Kirche ist zu den Menschen gesandt und nur, wenn sie auf diese zugeht, sich ihnen öffnet, erfüllt sie den Auftrag ihres Herrn. D.h. mit anderen Worten: Kirche ist nicht nur für die da, die sowieso kommen, sondern auch und vor allem für die Fernstehenden, ohne zu fragen und zu sortieren, warum einer fernsteht oder warum er mit der Kirche gebrochen hat. Wie oft wird bei unseren Predigern das Bild vom guten Hirten gebraucht. Wo wird es aber konkret im Leben umgesetzte Ist es nicht so, daß man sich nur im ,Stallgeruch der eigenen kleinen Gruppe - des heiligen Restes - wohlfühlt und die da draußen bleiben draußen?

Eine Tür ist nur dann wirklich offen, wenn sie für alle offen ist.