Wasch mich, aber ...

von Norbert Piechotta

Wenn man in den letzten Wochen vom Chefredakteur der Kölner Kirchenzeitung oder Texte des Erzbischofs aus Paderborn liest, so wird dort gesagt: Unsere Kirche hat Schwächen und es ist nicht alles so, wie es sein sollte. Aber diese Kirchenkritiker, Einzelpersonen wie Gruppen, besonders diese Kirchenvolksbegehrer, die gehen mit uns Amtsträgern gar nicht gut um, ihre Kritik ist “hämisch, gehässig, lieblos, aggressiv oder schadenfroh”. Oder: “Jedoch sollte bei jedem Katholiken, der sich kritisch über die Kirche und ihre Amtsträger äußert, spürbar sein, daß er seine Kirche liebt” (Erzbischof Degenhardt). Der unkritische Kirchgänger wird ob solcher bischöflichen Weisheit brav mit dem Kopf nicken.

Bischöfe in Österreich sprechen von Kirchenspaltung, weil Laien die Stirn haben, die Ablösung Krenns zu verlangen und die Wahl eines alternativen Ersatzbischofs für Pölten zu fordern. Den aktuellen Hierarchen scheint das weise Wort des Kirchenvaters Cyprian aus dem 3. Jahrhundert zum innerkirchlichen Dialog völlig abhanden gekommen zu sein: Nichts ohne den Bischof, nichts ohne den Rat der Priester, nichts ohne die Zustimmung des Volkes.

Oder wenn gar ein Bischof Stecher in seinem Brief “Gedanken zum neuesten Dekret über die Mitarbeit der Laien” die Menschenferne und das Abweichen von jesuanischer Lehre konstatiert, so ist man behende zur Stelle, z.B. Erzbischof Eder, sich für die Worte des NT über das Verzeihen (Mt 18,21-22 und Lk 17,3b-4) beim Papst devot zu entschuldigen, daß sein bischöflicher Mitbruder den Papst an die Worte der Frohen Botschaft erinnert.

Man erwartet und fordert von den Laien liebevollen Umgang mit den ihnen aufgepfropften Amtsträgern, von den Priestern Geduld mit ihnen vorgesetzten Bischöfen, deren Theologie und/oder Haltung –z.B. Meisner, Dyba, Krenn, Haas oder die Opus-dei-(General!)-Bischöfe in Südamerika- haarsträubend ist und die “eine Schneise spiritueller und intellektueller Verwüstung” durch Kirche schlagen, wie ein österreichischer Abt, auf Krenn bezogen, so trefflich formulierte.

Wo ist der liebevolle Umgang von Papst und vielen Bischöfen mit z.B. den wiederverheirateten Geschiedenen, den ehemaligen Amtsbrüdern, wenn diese eine Frau lieben und nicht mehr Seelsorger sein dürfen? Ökumene, Frauen, ...? Der neurotische Umgang mit Sexualität, das Reduzieren des Menschen und seine individuelle Lebensgeschichte auf den CIC; kirchliche Verordnungen oder bischöfliche Erlasse, Heucheleien und Scheinheiligkeiten in und durch kirchliche Strukturen – all das verletzt Menschen und ist unjesuanisch durch und durch.

Der Leitartikelschreiber und der Erzbischof sagen: “Kritisiert uns (Wascht uns), aber bitte liebevoll (aber macht uns nicht naß). Nein! Es müssen deutliche Worte gesprochen werden.

Den engagierten und kritischen Laien, Priestern und Bischöfen dies als Lieblosigkeit auszulegen, ist schizoid. Sauber-machen geschieht nicht durch intensives Ansehen von Wasser; das geschieht nur, wenn der verkrustete, ja fast schon verhornte Pelz von Amtskirche mit dem Wasser der Hoffnung, dem Lösungsmittel der Frohen Botschaft und der mit unendlicher Geduld geführten Wurzelbürste des Reformwillens behandelt wird.

Wenn unser Bruder Karol, Papst in Rom, in seinen Gründonnerstag-Briefen an alle Priester der Kirche behauptet, daß Jesus beim letzten Abendmahl die Zwölf zu Priestern geweiht hat, so kann davon keine Rede sein. (Herbert Haag, Imprimatur 8, 1997)

Wenn durch die Weihe zum Priester eine “Wesensverwandelung” stattfinden soll, wie in der “Instruktion” behauptet und von einigen Bischöfen wiederholt, so konnte man diese Aussage vielleicht noch vor 50 Jahren der “Herde” zumuten – mittlerweile lesen auch Katholiken, nicht nur Protestanten, die Bibel und die Jesus-Worte “denn einer ist euer Lehrer, ihr aber seid Brüder” (Mt 20,8-11) stehen in diametralem Gegensatz zu hierarchischem Machtanspruch. Dann gäb´s auch keinen Mitbrüder-schändenden Kardinal. Zumindest würde er bei “erfolgter Wesensverwandlung” um Vergebung bitten. (vgl. auch Herbert Haag, “Worauf es ankommt” und “Herdenbrief 2” von WsK-Österreich.)

Es mag sich selbst heutzutage noch dramatisch anhören, wenn vor Jahren schon ein Schweizer Christ in Blick auf Kirche formulierte, man müsse sich die Frage stellen, ob dieses Gebäude noch reparabel sei oder ob es bis auf die Fundamente abgetragen werden müsse, um es ganz neu zu erbauen.

Fast muß man eine dritte Möglichkeit befürchten. Es besteht die akute Gefahr, daß in wenigen Jahrzehnten weder das eine noch das andere geschehen wird. Denn: Die Jugend, mindestens 90%, ist schon weg. Und von denen, die einmal da waren, kommt kaum einer wieder. Oder: Wenn bei 714 angebotenen Stichwörtern eines Internet-Anbieters das Wort “Kirche”, selbst der Begriff “Gott” nicht vorkommt, so ist das bestürzend. Es ist hohe Zeit! Wasch mich, kräftig, und mach mich naß – das muß die Devise von Kirche heute sein!