Wider die Hoffnungslosigkeit

von Norbert Piechotta

Für viele geht es in unserer Kirche nur in einem unerträglichen Schneckentempo voran. Seit Jahren, seit Jahrzehnten bewege sich nichts, eher sei der Rückwärtsgang eingelegt, wie man es am zunehmenden Einfluß von innerkirchlichen sektiererischen Gruppen wie Opus Dei, Engelwerk u. ä. sehe. Bischofsernennungen vorbei am Willen des “Volkes Gottes” wie Meisner, Krenn oder Haas machten das Faß voll. Solche Veranstaltungen wie das Kirchenvolksbegehren und Bewegungen wie “Wir sind Kirche” hätten auch nichts gebracht, Kirchenreformversuche seien zum Scheitern verurteilt.

Dies alles mag so stimmen. Daß aber ein katholischer Pfarrer, Ingo Reimer, sich mit Frau und Kind im Fernsehen stellt und die Problematik und Absurdität des Zwangszölibats theologisch fundiert, sich auf Gottesrecht berufend und argumentativ von seinem Bischof die Erlaubnis zur Eheschließung fordert - das ist neu, das hat es noch nicht gegeben. Wenn einem Pfarrer in Österreich, dem Mönch Cornelius Sagmeister, jetzt das 4. Kind geschenkt wird - die Gemeinde und sein Bischof wußten davon und erstere befand dies für richtig, letzterem wurde erst das vierte Kind zuviel, so sind dies Vorgänge, die vor 20, auch vor 10 Jahren für den durchschnittlichen Kirchgänger eine unvorstellbare Schande, der Untergang der Kirche, eine nicht mehr zu überbietende Ungeheuerlichkeit dargestellt hätte.

Doch! Es hat sich an der Basis ganz entscheidend viel verändert. Das liegt sicherlich zum einen an der zunehmend guten Bildung, an der Zunahme von Wissen, an den immer geringeren Chancen, Menschen künstlich dumm zu halten, wie es noch im Mittelalter und wenigen Jahrzehnten möglich war. Einige Bischöfe scheinen das noch nicht begriffen zu haben, lassen sie sich selber doch von Gestalten wie Ratzinger wie dumme Jungen behandeln, siehe die Vorgänge am 4. April mit den 5 deutschen Bischöfen zum Thema der Schwangerschaftskonfliktberatung (Kirche intern, 6/97, S.13). Das Bewußtsein haben auch die von Meisner so gefürchteten Medien verändert, die die Wahrheit an das Licht zu bringen und Skandale in Gesellschaft und Kirche schonungslos zu Gesicht und Gehör zu bringen vermögen; sie sind in ihrem Einfluß ebenfalls nicht zu unterschätzen. Und vielleicht ist schon an den vielen kleinen Veränderungen das frische Grün einer neuen Saat zu erkennen, die aus dem sterbenden, unglaubwürdigen hierarchisch strukturierten alten Kirchenkörper ausschlägt. Eine Saat, die sich zurückbesinnt auf die Anfänge von Kirche, die Ur-Christliches postuliert, die sich nicht durch überholte Traditionen, kirchliche Erlasse oder Dogmen einzwängen oder verkrüppeln läßt.

Nein, es geht voran. Und viele, denen es nicht schnell genug geht, sollten den Mut nicht sinken lassen. Da wo sie an ihren Platz gestellt sind, da sollen sie weiterhin tätig bleiben - im Geiste Jesu, in seinem Denken, Fühlen und Handeln ihm folgend. Lob und Dank wird ihnen, den Küngs, Drewermännern, Gaillots ,Balasuriyas und den Menschen an der Basis nicht zuteil werden von den kirchlichen Hierarchen. Der Fortschritt nach 2000 Jahren Christentum ist aber in der Tatsache erkennbar, daß diese physisch nicht zerstört werden wie Savonarola, Jan Hus und viele Reformer, die sich auf die Frohe Botschaft Jesu beriefen.

Der für ein Jahr von Bischof Weber beurlaubte Pfarrer Cornelius Sagmeister deutet die Unterschriftsliste mit 800 von 1000 Wahlberechtigten seiner Pfarrei Traboch wie folgt: “Die Menschen spüren ja, daß das - der Zölibat, d.Red.- ein überholtes und unmenschliches, ja unnatürliches System in der Kirche ist.” An diesem wie an vielen anderen Beispielen ist erkennbar, daß die Bischöfe Jahrzehnte hinter manchen ihrer priesterlichen Mitbrüder zurückliegen wie auch den sogenannten Laien, die sich von geistigen/geistlichen Zwangsjacken durch den Geist, der wirkt wann und wo er will, befreien ließen und die Hand in die Wunde der nicht-jesuanischen Gestalt der aktuellen Amtskirche legen.

Genauso wenig wie eine mächtige, gesunde Eiche von 27 Metern Höhe in wenigen Jahren diese Größe erreicht, genauso wenig kann eine ökumenische, tolerant-liebevolle, jesuanische katholische Kirche im Jahre 2 nach dem Kirchenvolksbegehren entstanden sein.

Seht Ihr, die ihr heute verzagt und ohne Hoffnung seid, nicht das junge Grün, das aus Altem, Verrottendem schlägt?