Zitate aus publik-oberberg 1996  

Priester werden immer mehr zu “Funktionären”

Das Abgleiten der Rolle des Priesters in einen reinen “Funktionär” mit festgelegten Bürozeiten wurde bei einem internationalen Priestertreffen im Vatikan beklagt. Gerade in Industrieländern sei dies aus organisatorischen Gründen heute kaum zu verhindern, hieß es bei der Konferenz, die von der Vatikanischen Klerusorganisation organisiert worden war. Ihr Sekretär, Erzbischof Crescenzio Sepe, erklärte gegenüber Journalisten, daß die heutigen Geistlichen unter extremem Zeitmangel litten. Ein weiteres Problem sei der immer schwerer zu erklärende Unterschied zwischen Priestern und Laien. “Auch der schlechteste unter den Priestern darf die Messe zelebrieren, während der beste unter den Laien dies nicht kann und darf”, sagte der Erzbischof. Viele Priester klagten auch über mangelnde Ausbildung und Vorbereitung auf ihren Beruf. (Stadt Gottes, Nr.6,1996, S.7)

Ein Bischof auf der Flucht

Die Bonner bischofseigene Katholische Nachrichten-Agentur berichtet aus dem süditalienischen Apulien: “Aus Protest gegen die Versetzung ihres Pfarrers” haben die Katholiken von Racale den verantwortlichen Bischof Vittorio Fusco von Nardo-Gallipoli aus ihrem Dorf verjagt. Fusco, der in Racale eine Abendmesse feiern wollte, wurde auf dem Vorplatz der Kirche von einer aufgebrachten Gemeinde empfangen und lautstark beschimpft. Als Steine flogen und Fäuste auf das Auto des Bischofs einhämmerten, “griff die Polizei ein und eskortierte den Oberhirten aus dem Dorf hinaus”. ( Publik-Forum Nr. 13, S.13)

US-Bischöfe gegen autoritäres Vatikan-Regiment

40 US-Bischöfe haben eine Streitschrift gegen die autoritäre Herrschaft des Vatikans unterzeichnet. Wortführer ist der Erzbischof von Milwaukee, Rembert Weakland. - Aus der Sicht der Bischöfe war das Prinzip der Kollegialität zwischen den Bischofskonferenzen und dem Papst eine der größten Fortschritte des II. Vatikanischen Konzils. Heute aber regiere Johannes Paul II. Die Kirche “wie einen multinationalen Konzern mit dem Hauptquartier in Rom”, während die Bistümer zu “Nebenstellen” ohne eigene Autorität degradiert seien. Zur “Unfehlbarkeit” des päpstlichen Nein in der Frage des Frauenpriestertums haben die Bischöfe ein Gegendokument versprochen. Andere Bischöfe werden aufgefordert, es ihnen gleichzutun. (Imprimatur 2/96, S.102)

Papst als Kirchen-Leerer?

Ist der gegenwärtige Papst eher ein Kirchen-Leerer, der Leute aus der Kirche treibt, als ein Kirchen-Lehrer? Jeder vierte deutsche Katholik hat einer Umfrage zufolge schon einmal wegen Äußerungen von Johannes Paul II. an Kirchenaustritt gedacht. Vor allem Christen unter 30 Jahren (34%) liebäugeln gelegentlich mit dem Austritt, während von den über 49jährigen insgesamt 84% “noch nie” an Austritt wegen des Papstes gedacht haben.

Daß die Kirchensteuer vor allem für Bedürftige eingesetzt wird, wünschen sich mehr als zwei Drittel (71%) der 520 befragten deutschen Katholiken. Weniger als 1% ist für die Abgabe deutscher Kirchensteuer an den Vatikan. (Publik-Forum Nr. 13, S.33)

Pflichtzölibat

Rafael Morant, katholischer Priester im schweizerischen Luzern, hat bei einer Umfrage unter den Priestern des Bistums Basel herausgefunden, daß ein Großteil der Priester gegen den Pflichtzölibat ist. Von 473 Priestern des Bistums hätte ein Drittel auf seine Umfrage geantwortet, sagte Morant. Davon hätten nur einige erklärt, der Pflichtzölibat müsse bleiben. (Publik-Forum Nr. 13, S.39)

Italien: Zölibat wird unterlaufen

Italiens Priester nehmen es mit dem Zölibat nicht (mehr) so genau. Rund ein Drittel aller Pfarrer unterhalten feste Beziehungen zu einer Frau. Laut D´Altri von der Vereinigung “Vocatio” leben rund 33 Prozent aller italienischen Geistlichen in geheimgehaltenen Beziehungen. “Diesen Wert ermittelten wir aufgrund unseres Netzes von Beziehungen zu vielen hundert Priestern in ganz Italien”, erklärt D´Altri seiner Meinung nach leiden mindestens 10.000 Priester unter der Heimlichtuerei. (Imprimatur 3/96, S.152)

Verheiratete “Untergrund”-Priester in Tschechien

In Tschechien gibt/gab es mindestens 17 auch nach kirchenrechtlichen Maßstäben gültig verheiratete Priester zur Zeit der kommunistischen Diktatur, desgleichen gültig geweihte römisch-katholische Priesterinnen. (Imprimatur 3/96, S.151)

Regionaldechant von Hannover: “Zölibat läßt Geistliche vor die Hunde gehen.”

Mit einer ungewöhnlich scharfen Kritik am Heiratsverbot für kath. Priester hat sich Propst Joop Bergsma in den Ruhestand verabschiedet. Er will nicht, daß der Zölibat abschafft wird, wohl aber die Pflicht zu dieser Lebensform. Denn dieser Zwang überfordere viele Amtsbrüder in körperlicher, seelischer und spiritueller Hinsicht. “Eine Reihe von uns Priestern hat Not mit sich selbst - entweder weil sie den Zölibat nicht halten können oder durch die Einsamkeit.” Alkoholismus sei etwa eine der Folgen. Bergsma schätzt die Zahl der süchtigen Amtsbrüder auf 10 Prozent. (Imprimatur 2/96, S.104)

England: Widerspruch gegen Priesterinnen geringer als erwartet

Nur 201 von insgesamt 13.025 Gemeinden - also rund 1,5%- lehnen weibliche Priester konsequent ab, berichtet “The Guardian” unter Berufung auf eine Umfrage. ... Seit der Entscheidung im Jahre 1992 über die Frauenordination sind rund 1.500 Frauen zu Priesterinnen geweiht worden. Nur 374 Geistliche hätten aus Protest daraufhin ihre Ämter niedergelegt. (Imprimatur 2/96, S.105)

“Zölibat ist primär Machtinstrument”

In ihrer Dissertation führen die Autoren Dagmar Bez und Felix Osterheider aus, der Pflichtzölibat sei theologisch nicht zu rechtfertigen. Die Bibel verlange keine Ehelosigkeit von Geistlichen. Nur um ihren hierarchischen Aufbau nicht zu gefährden, halte die Amtskirche an dieser Norm fest. Nicht alle Priester könnten den Zölibat erfüllen, heißt es weiter. Mit den daraus sich ergebenden Schuldgefühlen rechne die Kirche. Wer chronisch mit einem schlechten Gewissen lebe und sich gleichzeitig mit “den existenzbedrohenden Sanktionen seines Arbeitgebers bei einem öffentlich gewordenen Normbruch gewiß sein muß”, werde sich der Kirchenordnung anpassen. Insgesamt gerieten ... die Ortspriester immer mehr in eine soziale Isolation und seien die Leidtragenden der Situation. (Imprimatur 2/96, S.105)