Liebe Schwestern und Brüder!
"In die Welt gesandt - nur gemeinsam glaubhaft": so lautet das Thema dieses
Abendmahlgottesdienstes.
Zunächst möchte ich mich kurz vorstellen: Ich heiße Bernhard Kroll und bin Pfarrer der katholischen Pfarrgemeinde Dietenhofen-Großhabersdorf am nördlichen Rand der Diözese Eichstätt, ca. 20 km westlich von Nürnberg. Ungefähr ein Sechstel der Bevölkerung dieser Gegend gehört der katholischen Kirche an. Begegnung und Zusammenarbeit mit evangelischen Christinnen und Christen gehören für mich zum Alltag.
"In die Welt gesandt" wurden die Jüngerinnen und Jünger von Jesus Christus, bevor er zum Vater heimkehrte, in die Welt gesandt sind auch wir, aber nicht hier die katholischen, da die evangelischen, dort die orthodoxen Christinnen und Christen. Eins sein sollen wir Jüngerinnen und Jünger Jesu: Denn wir haben eine gemeinsame Wurzel. Sein Evangelium! Er sendet seine Jüngerinnen und Jünger, auch uns: "Geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Hl. Geistes und lehrt sie alles zu befolgen, was ich euch geboten habe." Die Jüngerinnen und Jünger Jesu machten sich auf und verkündeten Jesu Botschaft. So konnte sich das Christinnen und Christentum in den ersten Jahrhunderten über das ganze römische Reich und darüber hinaus ausbreiten. Im Jahre 381 wurde der christliche Glaube durch Kaiser Theodosius sogar zur Staatsreligion gemacht. Eine Entscheidung, die wegen der Nähe zur Macht - vorsichtig ausgedrückt - nicht immer zum Segen gereichte.
"Nur gemeinsam glaubhaft" sind wir Christinnen und Christen angesichts der immer enger zusammenwachsenden Welt, der internationalen Globalisierung. Not und Elend in Afrika oder Asien sind durch die moderne Kommunikation und die Medien in unsere Wohnzimmer gelangt. Ich kann nicht mehr sagen: "ich habe davon nichts gewusst." Alleine stehe ich den großen Herausforderungen und Aufgaben ziemlich hilflos gegenüber. Aber gemeinsam, vernetzt mit vielen Menschen guten Willens, kann ich mit anpacken.
Jesus hat vor seinem Leiden für die Seinen gebetet. Er bat den Vater, sie zu bewahren, wenn er von ihnen gegangen ist. Ziel ist, "Damit sie eins sind wie wir", also wie Jesus Christus und Gott Vater. "Die Glaubenden bleiben bewahrt, indem sie in der Einheit mit dem Vater und dem Sohn bleiben. Denn das Wesen von Vater und Sohn ist Einheit, und in derselben Weise soll das Wesen der Jüngerschaft in der Welt Einheit sein. Kirchliche Einheit wird direkt aus dem himmlischen Verhältnis von Vater und Sohn und beider zur Gemeinde auf Erden abgeleitet." So Siegfried Schulz in seinem Johanneskommentar. Die Einheit der Jüngerinnen und Jünger in der Welt hat also ihren Grund und ihr Vorbild in der Einheit von Vater und Sohn.
Wie gingen die Christinnen und Christen in den vergangenen knapp 2000 Jahren mit dem Auftrag Jesu, "eins zu sein" um? Wie sehr war das Bemühen um Einheit im Vordergrund bei Diskussionen, bei Auseinandersetzungen, im Glaubensstreit? Wie oft waren es: das Streben nach Macht, der Kampf um die Erhaltung der Macht und die eigenen Interessen, die das Handeln der Christen bestimmten? Ist es nicht auch heute noch manchmal so, dass die Angst vor Machtverlust unsere Entscheidungen bzw. die der Kirchenleitungen bestimmt?
Dabei ist der Wunsch Jesu, dass die Christinnen und Christen eins seien, wohl bekannt. Gesprochen wird davon oft, besonders bei ökumenischen Veranstaltungen. Tun wir auch genug dafür? Ich meine, der ökumenische Kirchentag ist ein guter Versuch, das Gemeinsame zu betonen und die Einheit zu suchen. Der Gingko-Baum ist ein schönes Bild für uns Christinnen und Christen, eine gemeinsame Wurzel und Blätter, die sich teilen, aber doch eins sind. Einheit in versöhnter Verschiedenheit!
In den Gottesdiensten der vergangenen Tage und heute in dieser Gemeinde wagen wir weitere Schritte auf einander zu. Wir lassen uns einladen zum Mahl, das wir zum Gedächtnis Jesu feiern. Die vielen ökumenischen Christinnen und Christen wollen endlich dem Ausdruck geben und das feiern, was für sie längst Realität ist. Wenn Konsens besteht, dass Christus in Brot und Wein gegenwärtig ist, dann sind die gemeinsamen Mahlfeiern mit gegenseitiger eucharistischer Gastfreundschaft konsequent.
Die Emmausjünger erkannten den auferstandenen Herrn Jesus Christus, als er das Brot brach. Das ist eine Erfahrung, die von den jungen Christinnen und Christen verstanden wird. Wenn der Lobpreis gesungen und das Brot gebrochen wird, ist Christus selbst unter ihnen und schenkt sich ihnen. Die Christinnen und Christen, die zusammen kommen, dem Auftrag Jesu nachkommen und sein Gedächtnis feiern, machen nicht irgendein Happening, sondern feiern Mahl mit Jesus in ihrer Mitte.
Ich denke: Mahl halten, das Gedächtnis Jesu begehen, ist nicht an eine Konfession gebunden. Wer der Aufforderung Jesu folgt: "Tut dies zu meinem Gedächtnis", Brot bricht und den Becher reicht, erfüllt Jesu Willen. Sein Mahl stiftet Einheit. Warum können wir nicht den Geist Gottes wirken lassen in einem gemeinsamen Mahl zwischen den Konfessionen? Es ist an der Zeit, nicht immer alles genau reglementieren zu wollen, sondern mutig neue Wege zu gehen. Wenn wir in den verschiedenen Konfessionen das gleiche tun, warum nicht gemeinsam?
Die ersten Christinnen und Christen haben das Herrenmahl in ihren Häusern gefeiert. Männer und Frauen, die in ihr Haus einluden, brachen das Brot und feierten mit ihren Gästen Mahl. Und sie taten es zum Gedächtnis Jesu. Nicht immer gestaltete sich aber die Feier ohne Komplikationen. Wir lesen es im elften Kapitel des ersten Korintherbriefes. Der Apostel Paulus ermahnt die Gemeinde, da er von Spaltungen hörte, wenn sie als Gemeinde zusammenkommen; zum Teil glaubt er das auch. Paulus kritisiert, dass es Parteiungen unter den Korinthern gebe. "Was ihr bei euren Zusammenkünften tut, ist keine Feier des Herrenmahles mehr; denn jeder verzehrt sogleich seine eigenen Speisen, und dann hungert der eine, während der andere schon betrunken ist. Könnt ihr denn nicht zu Hause essen und trinken? Oder verachtet ihr die Kirche Gottes? Wollt ihr jene demütigen, die nichts haben? Was habe ich euch zu sagen? Soll ich euch etwa loben? In diesem Fall kann ich euch nicht loben."
Die Gemeinde in Korinth feiert an getrennten Tischen. Hier die Reichen - dort die Armen. Kein theologischer Streit, sondern fehlende Liebe! Der Willen zum Teilen, zur Einheit fehlt. Das ist kein Herrenmahl. Denn an einem Tisch mit Brot und Wein wie Jesus beim letzten Abendmahl wird das Gedächtnis Jesu begangen und gefeiert.
Paulus erklärt es der Gemeinde: "Denn ich habe vom Herrn empfangen, was ich euch überliefert habe: Jesus, der Herr, nahm in der Nacht, in der er ausgeliefert wurde, Brot, sprach das Dankgebet, brach das Brot und sagte: Das ist mein Leib für euch. Tut dies zu meinem Gedächtnis! Ebenso nahm er nach dem Mahl den Kelch und sprach: Dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blut. Tut dies, sooft ihr daraus trinkt, zu meinem Gedächtnis! Denn sooft ihr von diesem Brot esst und aus dem Kelch trinkt, verkündet ihr den Tod des Herrn, bis er wiederkommt. Wer also unwürdig von dem Brot isst und aus dem Kelch des Herrn trinkt, macht sich schuldig am Leib und Blut des Herrn."
Der Skandal in Korinth besteht in den getrennten Tischen. Das ist unwürdig für das Vermächtnis Jesu.
Heinrich Böll fragt sich 1957: "Wie ist es möglich, dass 800 Millionen Christen diese Welt so wenig zu verändern mögen, eine Welt des Terrors, der Unterdrückung, der Angst? (…) Nirgendwo im Evangelium finde ich eine Rechtfertigung für Unterdrückung, Mord, Gewalt; ein Christ, der sich ihrer schuldig macht, ist schuldig. Unter Christen ist Barmherzigkeit wenigstens möglich, und hin und wieder gibt es sie: Christen; wo einer auftritt, gerät die Welt in Erstaunen."
Bringen wir heute die Welt zum Staunen? Wir sitzen an getrennten Tischen wegen theologischer Streitigkeiten. Wenn wir Christi Botschaft leben, müssen wir um die Einheit bemüht sein. Ja wir müssen darum kämpfen. Denn die Einheit, internationale Verbundenheit über Grenzen, Nationen und Konfessionen hinweg, kann überzeugen und auch Menschen, die zaudern und zögern, mit ins Boot nehmen.
Wir sitzen aber auch an getrennten Tischen wegen unseres Egoismus und mangelnder Sensibilität für die Nöte unserer Mitmenschen. Wir haben aber auch eine Verantwortung für die Menschen, die unsere Schwestern und Brüder sind. Die frohe Botschaft verkünden sollen wir durch Worte und Taten. So gehört es zum Vollzug unseres Glaubens, unsere Schwestern und Brüder, die in Not sind, zu unterstützen. Der Apostel Paulus sammelte in den jungen Gemeinden für die notleidende Kirche in Jerusalem. Bei uns heute organisieren viele Gruppen und große Hilfswerke wie "Brot für die Welt" oder "Misereor" internationale Hilfsprojekte.
In der UNO hat sich Deutschland zusammen mit vielen anderen Staaten verpflichtet, wenigstens 0,7 % des Bruttosozialproduktes für Entwicklungshilfe zu geben. Bei uns in Deutschland ist dieser Prozentsatz ständig gesunken und liegt jetzt bei 0,23 %, in den USA bei 0,1 %. Da sind wir Christinnen und Christen auch gefragt, die Tische der Reichen und Armen weltweit zusammenzurücken, damit nicht die einen hungrig bleiben und die anderen übersättigt ihr Leben leben. Das erfordert gesellschaftlichen und politischen Einsatz für einen gerechteren Ausgleich, für die Erhöhung der Entwicklungshilfe, für gerechtere Weltwirtschaftsstrukturen. Jede und jeder Einzelne, aber auch die Kirchen gemeinsam sind aufgerufen, für diese Gerechtigkeit einzutreten.
Auch hierzulande wächst die Armut. Vor allem Alleinerziehende und Familien mit mehreren Kindern sind oft die Opfer. Die vielen Arbeitslosen, deren Zahl auf hohem Niveau stagniert, sind ebenfalls von Armut bedroht. Wenn wir die Tische zusammenrücken wollen, dann müssen die Christinnen und Christen auch für eine deutlichere Politik zugunsten der Armen hier unter uns eintreten.
Denn so können wir den Armen bei uns eine Stimme geben. Vor allem aber sollten wir uns bemühen, sie mit an den Tisch zu nehmen, nicht auszugrenzen. Wenn wir uns gemeinsam, alle Christinnen und Christen verschiedener Konfessionen, um Gerechtigkeit bemühen, können wir etwas bewirken.
Ein schönes, fast eschatologisches Bild für diese Tischgemeinschaft hat Sieger Köder gemalt. Menschen aus verschiedenen Nationen, Arme und Reiche an einem Tisch versammelt um Jesus Christus. Ich freue mich, wenn - und bete darum, dass diese Vision einer geeinten Menschheit, die für mich auch die verschiedenen Konfessionen einschließt, Wirklichkeit wird. Denn wir sind von Christus in die Welt gesandt, aber nur gemeinsam glaubhaft.