Weltjugendtag 2005 in Köln
Vor dem Hintergrund einer überwiegend euphorisch-unkritischen Berichterstattung in vielen Medien war Wir sind Kirche und diesmal insbesondere die Wir sind Kirche-JUGEND fast die einzige kritische innerkirchliche Stimme zum „Weltjubeltag“. Das wurde deutlich in unserer großen Präsenz in deutschen und internationalen Medien.
Der „Wir sind Kirche-Treffpunkt“ mit thematischen Gesprächsrunden, zu Gast in der Alt-katholischen Gemeinde in der Kölner Innenstadt, war ein wichtiger Anlaufpunkt für junge Menschen, die auf der Suche nach einer Alternative zum offiziellen Programm des katholischen Weltjugendtages waren. Er war aber auch ein Ort des Ausruhens und Austauschens zwischen „unseren“ Jugendlichen, die aus 15 Nationen angereist waren.
Der von der Wir sind Kirche-JUGEND initiierte internationale „Weltjugendtag für alle“ (www.wyd4all.org) thematisierte durch Gespräche mit den BesucherInnen des katholischen Weltjugendtages auf der Straße und durch Teilnahme an den wenigen angebotenen Diskussionsforen für junge Menschen relevante Fragen und kirchenkritische heiße Eisen unserer Zeit, die von dem auf Papst und Bischöfe fixierten katholischen Weltjugendtag ausgeschlossen waren.
Die Verteilung von Postkarten der Kampagne „Condoms4Life“, die sich angesichts der weltweiten HIV/AIDS-Problematik für die Aufhebung des vatikanischen Kondomverbots einsetzt, fand viel Zustimmung unter den Jugendlichen, aber natürlich auch Widerspruch traditioneller Kreise.
ausführliche Dokumentation auf der Webseite
http://wyd4all.org
Sehr zwiespältige Gefühle haben der XX. Weltjugendtag in Köln und der erste „Heimatbesuch“ von Papst Benedikt XVI. hinterlassen. Für die vielen Jugendlichen und jungen Erwachsenen aus 193 Ländern, die mit großen Erwartungen zum Weltjugendtag kamen, waren es sicher eindrucksvolle Tage der Gemeinschaft. Das Kölner Großereignis war aber auch eine Machtdemonstration der Kirche, die mit dem jesuanischen Glauben nur schwer vereinbar ist. Durch übertriebene Emotionalisierung, Eventisierung und absolute Personalisierung wurde der sonst von der Kirche so häufig kritisierte Zeitgeist bei dieser gigantischen Veranstaltung von der Kirche selbst bedient.
Echte und nachhaltige Begegnungen waren angesichts der Menschenmassen in Köln oft nur sehr schwer möglich. Besonders bedauerlich ist, dass an den Tagen der Begegnung zuvor in den Diözesen nur ein gutes Drittel der ursprünglich mehr als 300.000 erwarteten ausländischen Gäste teilnahmen.
Der Jubel, der bis vor kurzem Johannes Paul II. galt, scheint auf den neuen Papst übertragen worden zu sein. Doch inhaltlich haben die allermeisten Menschen den professoralen Ansprachen und Predigten Benedikts sicher nicht folgen können. Die Auswirkungen seiner mehr als 23-jährigen Tätigkeit als Präfekt der Glaubenskongregation waren den allermeisten Teilnehmenden und auch vielen JournalistInnen nicht bekannt.
Neue Akzente, von manchen immer noch erwartet, hat Benedikt nicht gesetzt. Die Dialoge waren höchstens symbolischer Art, neue Türen wurden nicht geöffnet. Frauen – der überwiegende Teil der Anwesenden – haben kein ermutigendes Wort für ihre Rolle in der Kirche erhalten. Der Besuch des deutschen Papstes in der Kölner Synagoge, für die dortige Gemeinde sicher außerordentlich bedeutsam, wurde als historisches Ereignis ins zentrale Licht gerückt. Dagegen wurde das Treffen am selben Tag mit VertreterInnen der Ökumene, bei dem die russisch-orthodoxe Kirche überproportional vertreten war, an den abendlichen Rand gedrängt.
Für die Ökumene in Deutschland besonders enttäuschend war bei allen Gottesdiensten die ausdrückliche Ausladung aller NichtkatholikInnen vom Kommunionempfang. Auch erfolgte Ablassgewährung beim katholischen Weltjugendtag – und dies im Lande Luthers – war ein Schlag ins Gesicht für die ökumenischen Bestrebungen mit den Kirchen der Reformation. – Das Treffen des Papstes mit 5.000 Seminaristen fand ausgerechnet in der Kölner Opus Dei-Kirche Sankt Pantaleon statt. Auch wenn ganz sicher nicht alle völlig papstbegeistert und unkritisch waren, gab es unter den Teilnehmenden des katholischen Weltjugendtages einen großen Anteil traditionalistischer Gruppen.
Die hierarchische Struktur der römisch-katholischen Kirche wurde insbesondere beim Abschlussgottesdienst deutlich sichtbar: Papst und 750 Bischöfe auf dem Hügel, an die 10.000 Priester am Fuße des Hügels und alle übrigen Menschen auf den so genannten Pilgeraufstellflächen des Marienfeldes. Bemerkenswert höchstens, dass bei dieser Messe auch Ministrantinnen dienen durften.
Was bleibt vom Weltjugendtag in Köln?
Es bleibt zu fragen, ob solche Massen-Events überhaupt noch sinnvoll und finanzierbar sind und ob die Weltjugendtage nicht vor allem auf die Person von Johannes Paul II. zugeschnitten waren. Die ständig zunehmende Fixierung auf Amt und Person des Papstes sowie auf die kirchliche Hierarchie entspricht nicht der Botschaft Jesu und kann und darf kein Vorbild für die Jugend sein. Zu neuem geistlichen und apostolischen Schwung sollten die Erfahrungen von Köln die Katholiken im Land motivieren; gerade die Jugendarbeit ist ja in vielen Gemeinden schwierig. Doch auch Religionssoziologen sind skeptisch bezüglich der Nachhaltigkeit des Weltjugendtages für die Kirche in Deutschland.
Zuletzt geändert am 17.07.2008