24. - 26. März 2000 in Köln

7. öffentliche Bundesversammlung "Kirche - Macht - Ethik"

> Manuskript von Prof. DDr. Dietmar Mieth:
"Plädoyer für eine zukunftsträchtige Moral"


Kurzbericht

Wie kann die katholische Kirche nach der unheilvollen Auseinandersetzung um die Schwangerschaftskonfliktberatung noch zukunftsfähige und glaubwürdige Beiträge in den Konfliktfeldern der Gesellschaft leisten? Unter dieser Leitfrage stand die 7. Bundesversammlung der KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche, zu der 80 DelegiertInnen aus 20 deutschen Diözesen am 24. - 26. März 2000 nach Köln gekommen waren.

Die Bewegung, die vor fünf Jahren aus der KirchenVolksBegehren hervorgegangen war, sieht nach wie vor ihre fünf Forderungen nicht erfüllt, die im Zusammenhang mit der KirchenVolksBefragung aufgestellt worden sind: Geschwisterliche Kirche, Volle Gleichberechtigung der Frauen in allen kirchlichen Belangen, Keine Bindung des Priestertums an den Zölibat, Positive Bewertung der Sexualität; Anerkennung der verantworteten Gewissensentscheidung, Frohbotschaft statt Drohbotschaft.
Zu Gast war Wir sind Kirche im Gemeindezentrum der Alt-Katholiken in Köln.



Dr. Dieter Appel, Angelika Fromm, Dr. Magdalene Bußmann und Christian Weisner (v.l.n.r.)

Nach der Begrüßung durch die Mitglieder des Wir sind Kirche Bundesteams Angelika Fromm und Christian Weisner gedachten die TeilnehmerInnen des Forums dem vor 20 Jahren in San Salvador am Altar ermordeten Bischof Oscar Romero. Romero stellte sich auf die Seite der Armen und Benachteiligten und forderte ihre Akzeptanz und Anerkennung ein. Er forderte die Reichen und Herrschenden auf, ihre Verantwortung für die Benachteiligten wahrzunehmen und sie als vollwertige Mitglieder der Gesellschaft zu achten. Hinweise auf die Denkweise des mittelamerikanischen Bischofs geben Zitate, die zu seinem Gedenken vorgetragen wurden.



Das Impulsreferat "Kirche - Macht - Ethik: Plädoyer für eine zukunftsfähige Moral" hielt Prof. DDr. Dietmar Mieth, Professor für Theologische Ethik in Tübingen. Mieth stellte heraus, dass die Kirche heute im Rahmen des gesellschaftlichen Konsens keinen Einfluss mehr auf Ethik habe, obwohl Ethik in der Gesellschaft boome. Dabei unterschied Mieth deutlich zwischen Ethik und Moral: "Die Kirche macht Moral und sitzt dabei am Katzentisch der internationalen Ethik". Vor allem durch Machtmissbrauch habe die Kirche Ethik verletzt. Eine wirksame rechtliche Kontrolle im rechtsstaatlichen Sinne gebe es in der Kirche praktisch nicht, auch wenn dies die Kirche für sich reklamiert. Letzten Endes habe das letzte Wort derjenige, der die Macht habe. Moral, so Mieth, müsse am Menschen gemessen werden, dadurch werde sie zukunftsfähig. Der Mensch dürfe nicht Opfer der Moral werden, es gehe vielmehr darum, eine Moral mit menschlichem Antlitz zu formulieren. Damit dies zum Tragen kommen kann forderte Mieth, dass sich Kirche als Ethik-Forum und nicht als Moralinstanz verstehen solle. Außerdem mahnte er an, eine interne Streitkultur zu entwickeln und zuzulassen. Zu oft werde auch in der Kirche nicht vom Dienen geredet, tatsächlich verberge sich hinter diesen Worten Machtausübung. Natürlich, so Mieth, sehe er auch Hoffnungsschimmer. Allerdings solle sich das Kirchenvolk auch bewusst sein, dass Inititativen zu Veränderungen in der Kirche von unten kommen müssen, da sei jeder einzelne gefordert.



Im Anschluss an das Referat hatten die TeilnehmerInnen Gelegenheit, mit dem Referenten in einen Dialog zu gehen, nachzufragen und seine Gedanken zu vertiefen. Davon machten die TeilnehmerInnen regen Gebrauch. Gleichzeitig gab das Referat und die anschließende Aussprache viele Impulse für die nachmittägliche Arbeit in Kleingruppen.

In fünf Arbeitskreisen am Nachmittag wurden Gedanken aus dem Referat und weitere Ideen vertieft:
1. Schwangerschafts Konfliktberatung
2. Ethik Forum
3. Arbeitskreis Theologie
4. Frauen in der Kirche
5. Zukunft der Reformbewegungen

Am Abend informierte das Kölner Netzwerk für eine geschwisterliche Kirche (KNW) in einem Überblick im Domforum über seine Entstehung und den Werdegang der letzten 11 Jahre. Danach gab es mit dem Kirchenkabarett "Klüngelbeutel" ein kirchen-kabarettistisches Feuerwerk, in dem wieder deutlich wurde, dass die Unterschiede zwischen den Konfessionen zumindes aus der Sicht des Kabarettisten gering sind und das Kirchenkabarett damit einen entscheidenden Beitrag zur Ökumene leisten kann. Dies wurde in den einzelnen Beiträgen eindrucksvoll demonstriert.

Auf der Tagesordnung der Bundesversammlung standen außerdem die letzten Vorbereitungen für die Beteiligung am 94. Deutschen Katholikentag 2000 in Hamburg sowie erste Überlegungen zu einem Treffen aller Reformbewegungen im Herbst diesen Jahres.

Nach der Bearbeitung interner Themen (Berichte aus den Diözesangruppen, aus den Arbeitsgruppen und Beratung weiterer Aktivitäten) endete die Bundesversammlung mit einem Gottesdienst in der Kirche der Altkatholischen Gemeinde. Der ursprünglich geplante Gottesdienst auf der Domplatte zum Weltgebetstag für Frauenordination konnte leider nicht stattfinden, da weder das erzbischöfliche Ordinariat noch die Stadt Köln die notwendige Zustimmung erteilt hat.

Vertreter und Vertreterinnen des Präsidiums des Zentralkomitees der deutschen Katholiken. des Kolping Bundesfachausschusses "Kirche mitgestalten", des Arbeitskreises Erneuerung der Kirche im Bund Neudeutschland und der Initiative Kirch von unten (IKvu) nahmen als Gäste an der Bundesversammlung teil. Wir sind Kirche bedauerte allerdings, dass - anders als in anderen Diözesen - kein Vertreter des Kölner Ordinariats der Einladung zur Bundesversammlung gefolgt ist.

Wir sind Kirche dankt dem Kölner Netzwerk für das informative und spritzige Rahmenprogramm und der Altkatholischen Kirchengemeinde mit Pfarrer Kestermann und seiner Frau für die gastfreundliche Aufnahme.

Zuletzt geändert am 19­.11.2007