7.12.2007 - Publik-Forum
Wer auf den Papst hofft, hofft vergeblich
Von Britta Baas
Für jetzt bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; doch am größten unter ihnen ist die Liebe.« Dieser Satz aus dem ersten Brief des Paulus an die Korinther hat offenbar magische Anziehungskraft auf den deutschen Papst in Rom. Zum Weihnachtsfest 2005 legte er die Liebe theologisch aus und veröffentlichte seine Gedanken in einer Enzyklika. Zukünftig muss wohl der Glaube dran glauben. Und für dieses Mal ist die Hoffnung dran: Die zweite Enzyklika des Papstes, Spe salvi facti sumus (Auf Hoffnung hin sind wir gerettet), ist - auf hohem Reflexionsniveau - ein Dokument des Antimodernismus und der Hoffnungslosigkeit. Jedenfalls für diejenigen, die wider besseres Wissen immer noch die Hoffnung haben, in der römisch-katholischen Kirche selbst könne sich etwas zum Guten wenden.
»Mir kommt der Papst vor wie ein Traumtänzer, der über der ihm anvertrauten Kirche schwebt und nicht auf die Risse im Gemäuer und die drohende Einsturzgefahr achtet, die für jeden halbwegs wachen Beobachter immer deutlicher erkennbar werden«, sagt der Theologe Norbert Scholl. »Benedikt XVI. predigt Hoffnung von seinem Heiligen Stuhl herab und achtet nicht auf die Hoffnungslosigkeit und Resignation, die sich beim Volk Gottes mehr und mehr ausbreiten.« Scholl listet einige der Missstände auf: Priester würden in immer mehr Pfarreien erbarmungslos verheizt, Frauen nach wie vor als Menschen zweiter Klasse behandelt, die Kirchen der Reformation abqualifiziert usw. Hoffnung wider alle Hoffnungslosigkeit? Aus Scholls Sicht schwer zu erwecken.
Von all diesen konkreten Problemen ist in Benedikts Enzyklika nicht die Rede. Sie spricht nicht über innerkirchliche Fragen, wiewohl die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche in Deutschland (VELKD) in einer Presseerklärung befindet, das Lehrschreiben sei »ganz nach innen, an die römisch-katholische Kirche, gerichtet«. Wie kann dieser Eindruck entstehen?
Ganz einfach: dadurch, dass Benedikt philosophisch mit nahezu allen Entwicklungen der Neuzeit abrechnet. In einem Parforceritt durch die Geschichte - von Immanuel Kant bis zu Karl Marx - analysiert er, dass am Ende alles Stückwerk bleibt. Kant kann »den Sieg des guten Prinzips über das böse und die Gründung eines Reichs Gottes auf Erden« nicht schaffen, weil er dabei den Himmel vergisst. Marx kann als Sozialrevolutionär agieren, so viel er mag: »Aber er hat uns nicht gesagt, wie es nach dem Umsturz weitergehen soll.« Das »neue Jerusalem« sei so nicht zu gründen gewesen, schreibt Benedikt - und man hat den Eindruck, dass ihn das persönlich freut. Wenn aber Kant und Marx und alle, die vor und nach ihnen kamen, keine wirkliche Hoffnung bringen konnten: Wer kann es dann? Der Papst verweist auf Gott und auf dessen Mittler Jesus Christus. Das ist sein gutes Recht als Papst. Nur versteigt er sich dabei zu Sätzen, die nah an einer Beleidigung aller Nicht-Gottgläubigen sind. »Der Mensch braucht Gott, sonst ist er hoffnungslos. Diese Aussage des heiligen Paulus erweist sich vom Verlauf der Neuzeit her als wahr«, deklariert Benedikt. Und: »Eine Welt, die sich selbst Gerechtigkeit schaffen muss, ist eine Welt ohne Hoffnung. Niemand und nichts bürgt dafür, dass nicht weiter der Zynismus der Macht die Welt beherrscht.« Ja, sind denn alle, die diesen Gedankengängen nicht folgen, hoffnungslose Wesen? Sind es nicht gerade auch überzeugte Atheisten und die von Benedikt so geschmähten »Sozialrevolutionäre« gewesen, die Hoffnung zu den Entrechteten dieser Welt gebracht haben?
Was aber hat der Papst denen anzubieten, die bereit sind, sich mit ihm in einer Debatte über den Ursprung und das Ziel der Hoffnung zu messen? Er bietet ihnen die alten christlichen Glaubensformeln, die er zwar neu zu deuten versucht, aber dennoch in ihrem Kerngehalt bestätigt. Menschen der Postmoderne klappen an dieser Stelle das Buch zu. Denn hier wird in der Enzyklika quasi dogmatisiert, woran eine überwältigende Zahl von Katholiken - trotz bleibendem Bekenntnis zum Christentum - nicht mehr glaubt: das Fegefeuer als Ort der Läuterung nach dem Tod, das ewige Leben in leiblicher Gestalt, ein persönlicher Gott, »der über die Sterne herrscht«.
Wenn der Papst formuliert: »Ich bin überzeugt, dass die Frage der Gerechtigkeit das eigentliche Argument für den Glauben an das ewige Leben ist«, fühlt man sich an die Vertröstungstheologie vorreformatorischer Zeiten erinnert. Will Benedikt etwa sagen: Wenn schon keine Gerechtigkeit im Hier und Jetzt, dann eben im Jenseits? Dann sorgte er theologisch dafür, dass das »Unrecht der Geschichte« Unrecht bliebe - mit dem Segen aus Rom. Oder will er vor allem darauf hinaus, dass die Täter dieser Welt, die niemand zur Rechenschaft zieht, am Ende doch gerichtet werden?
Die vatikanische Politik weist bedauerlicherweise in die erstgenannte Richtung. Jüngst zum Beispiel lud der Papst den Dalai Lama aus, weil er diplomatische Verwicklungen mit China fürchtete.Wichtiger als Gerechtigkeit für die Tibeter und die Würdigung ihres Oberhauptes ist es ihm offensichtlich, dass die katholische Kirche in China künftig fester im Sattel sitzt.
Ist Benedikts traumtänzerischer Umgang mit der hochpolitischen Vokabel »Hoffnung« schon bedenklich, so ist es noch bedenklicher, dass diese seine zweite Enzyklika erneut seine eurozentrische Denkweise zeigt. Im gesamten Text setzt sich der Papst ausschließlich mit europäischen Geistesgrößen auseinander; ausschließlich europäische Philosophie, Soziologie und Naturwissenschaft werden benannt und kritisiert. Dass der Papst aus Europa stammt, ist ihm nicht vorzuwerfen. Dass er aber so tut, als ob die katholische Kirche eine europäische Kirche war, ist und sein wird und auf Papst-Niveau nur in Europa gedacht wird, grenzt an Arroganz. Für einen Stellvertreter Christi auf Erden ist das jedenfalls keine Haltung.
Zuletzt geändert am 10.12.2007