Lima-Liturgie
Aus dem Französischen übersetzt von Renate Sbeghen
Einführung von Max Thurian
Fundstelle: Churchmail Dokumentation: www.churchmail.de/bibli/~lima.htm (der Link ist leider nicht mehr gültig)
Diese Liturgie ist für die Sitzung der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung in Lima ausgearbeitet und dort am 15. Januar 1982 zum ersten Mal gefeiert worden. Anläßlich der Tagung des Zentralausschusses ist sie am 28. Juli 1982 in der Kapelle des Ökumenischen Zentrums in Genf unter der Leitung von Generalsekretär Philip Potter gefeiert worden. Sie wird auch während der Sechsten Vollversammlung des Ökumenischen Rates in Vancouver verwandt werden. Die Lima-Liturgie beabsichtigt, die theologischen Erkenntnisse der Konvergenzerklärungen zu "Taufe, Eucharistie und Amt" zu verdeutlichen. Sie ist nicht die einzige Möglichkeit; man könnte auch andere liturgische Versuche unternehmen, um die Konvergenzen über Taufe, Eucharistie und Amt zum Ausdruck zu bringen im Blick auf andere Traditionen, geistige Richtungen oder verschiedene Kulturen. Diese Liturgie will aber keine andere "Autorität" beanspruchen als die, bei einigen bedeutenden ökumenischen Anlässen gefeiert worden zu sein.
v Die Lima-Liturgie ist besonders weit angelegt und bietet sich daher eher für besondere Feiern an. Einige Gruppen haben sie bereits in vereinfachter Form gebraucht. In Teil III dieser Einführung werden wir einige Möglichkeiten zur Vereinfachung vorschlagen (daher auch die Numerierung der verschiedenen Abschnitte).
I. Feier und Feiernde
Wie die Erklärungen zu Taufe, Eucharistie und Amt ausführen, sollte die regelmäßige Feier des christlichen Gottesdienstes - zumindest am Tag des Herrn und an Festtagen - eine Feier der Eucharistie sein, die die Verkündigung des Wortes Gottes und die Gemeinschaft der Glieder des Leibes Christi im Wirken des Heiligen Geistes einschließt (E 31).1 Daher besteht die Eucharistische Liturgie aus drei Teilen. Die Eingangsliturgie sammelt das Volk Gottes in Demut, Bitte und Lobpreis (Sündenbekenntnis, Kyrie-Litanei und Gloria). Der Wortgottesdienst beginnt mit einem Kollektengebet und umfaßt die drei Verkündigungen der Propheten (erste Lesung), Apostel (Epistel) und Jesu Christi (Evangelium); dann wird die Stimme der Kirche laut, die das Wort der Schrift in der Predigt zeitgemäß und lebendig werden läßt. Danach folgt eine meditative Stille. Der Glaube der Kirche wird dann im Glaubensbekenntnis zusammengefaßt und alle Not der Menschen in der Fürbitte vor Gott gebracht. Die Eucharistiefeier umfaßt im wesentlichen das große eucharistische Gebet, dem eine kurze Vorbereitung vorangeht; das Gebet des Herrn, der Friedensgruß und die Kommunion folgen.
Die Liturgie ist ein Handeln der Gemeinde. Dies kommt schon in der Etymologie des Wortes Liturgie (leit-ourgia = Dienst des Volkes) zum Ausdruck. Sie ist nicht ein Monolog des Priesters oder Pfarrers, sondern ein "Konzert" der ganzen christlichen Gemeinschaft, in der einige Mitglieder, je nach ihren Charismen und ihrem Auftrag, eine bestimmte Rolle spielen. Auf ökumenischen Tagungen wird die Liturgie des Wortes unter den Liturgen aus verschiedenen Traditionen aufgeteilt; an der Liturgie der Eucharistie nehmen jedoch nur die als Assistenten des Hauptzelebranten teil, die von ihrer Kirche ermächtigt sind, bei solchen Gelegenheiten zu konzelebrieren.
Normalerweise spricht der leitende Geistliche (Bischof oder Presbyter A 29-30) 2 bei der Liturgie die Begrüßungsworte, die Absolution und das Kollektengebet; er leitet die Liturgie der Eucharistie; er spricht das eucharistische Gebet (Präfation, Epiklese I und II, Einsetzungsworte, Anamnese und Abschluß), das Dankgebet und erteilt den Segen. Die Gemeinde singt oder spricht alle Responsorien und Amen; sie spricht gemeinsam das Sündenbekenntnis, das Gloria (oder sie alterniert mit einem Liturgen, wenn das Gloria nicht gesungen wird), das Glaubensbekenntnis (gesprochen oder gesungen) und das Gebet des Herrn (gesprochen oder gesungen). Andere Liturgen können sich die Kyrie-Litanei und die Fürbitten teilen, die Verse des Gloria, die Vorbereitung und die eucharistischen Gedenkbitten sowie die Einführung in das Gebet des Herrn und den Friedensgruß. Drei Lektoren können die Bibellesungen übernehmen. (Das Evangelium wird in den katholischen und orthodoxen Traditionen von einem Diakon entweder gelesen oder gesungen.)
II. Bedeutung und Quellen der einzelnen liturgischen Stücke
Das Eingangslied, das den Einzug der Geistlichen oder auch der ganzen Gemeinde begleitet, sollte vorzugsweise ein Psalm sein, der der liturgischen Jahreszeit oder dem gefeierten Fest entspricht; er wird durch einen charakteristischen Wechselgesang unterbrochen, der von allen leicht angenommen werden kann zwischen den Strophen, die der Chor singt. Nehmen wir z.B. den ersten Adventsonntag; das Eingangslied ist Psalm 24 (h 25) 3 mit dem Wechselgesang; "Zu dir, Herr, erhebe ich meine Seele. Niemand, der auf dich hofft, wird zuschanden." Der Psalm kann durch einen Choral oder ein Lied ersetzt werden, dessen liturgischer Gebrauch üblich ist. So gibt es z.B. in der lutherischen Tradition verschiedene Choräle für bestimmte Sonntage. Wenn der Einzug beendet ist, singt die Gemeinde das Gloria Patri ("Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist ...") und wiederholt den Wechselgesang ein letztes Mal.
Der Hauptzelebrant spricht dann die Begrüßungsworte - wahrscheinlich geht diese Sitte auf einen alten liturgischen Brauch zurück -, die Paulus uns in 2 Kor 13,13, überliefert. Die Bemühungen der katholischen Kirche um eine Reform der Liturgie nach dem letzten Konzil haben sie wieder zu Ehren kommen lassen; sie sind oft auch ein Bestandteil des reformierten und lutherischen Gottesdienstes.
Dem Sündenbekenntnis, von der ganzen Gemeinde gesprochen, folgt die Absolution, die vom Hauptzelebranten gesprochen wird. Beide sind den "Lutheran Book of Worship" entnommen, das von der lutherischen Liturgie-Kommission für die Kirchen in den USA und Kanada herausgegeben worden ist. Einige leichte Korrekturen sind im englischen Text vorgenommen worden, um eine allzu maskuline Sprache zu vermeiden.
Die Kyrie-Litanei ist eine kurze Anrufung. Die Tradition dieser Litanei stammt aus der byzantischen Liturgie, die damit begonnen hat. Hier indessen ist sie kürzer; sie besteht nur aus drei Anrufungen zu den Themen Taufe, Eucharistie und Amt, die sich auf drei neutestamentliche Texte beziehen: Eph 4.3-5; 1 Kor 10,16-17 und 2 Kor 5.18-20. Diese Anrufungen können je nach den Umständen geändert werden.
Man könnte Bußrufe anstelle des Sündenbekenntnisses vorsehen, die sich dann unmittelbar an die Begrüßungsworte anschließen. Wir kennen die Formulierung in der revidierten katholischen Liturgie:
"Herr Jesus Christus,
du bist vom Vater gesandt,
zu heilen was verwundet ist:
Kyrie eleison.
Du bist gekommen, die Sünder zu berufen:
Christe eleison.
Du bist zum Vater heimgekehrt,
um für uns einzutreten.
Kyrie eleison.
Der allmächtige Gott erbarme sich unser.
Er lasse uns die Sünden nach und
führe uns zum ewigen Leben.
Amen."
Man kann vielleicht auch die Eröffnungsliturgie der orthodoxen Liturgie nach St. Johannes Chrysostomos verwenden.
Nach diesen Anrufungen kommt ein Lobhymnus: "Ehre sei Gott in der Höhe ..." So werden in der Eingangsliturgie die drei grundlegenden Bestandteile des christlichen Gebetes zum Ausdruck gebracht: Buße, Anrufung und Lobpreis.
Der Wortgottesdienst wird mit einem Gebet eröffnet. In der Anbetung bereitet es auf das Hören des Wortes Gottes vor. Je nach Zeit, Festen und Umständen kann dieses Gebet sich wandeln. Hier bezieht es sich auf die Themen "Taufe, Eucharistie und Amt". Es erinnert an Jesu Taufe im Jordan, die messianische Salbung Christi, der zum Propheten, Priester und König eingesetzt wird. Hier wird um ein erneutes Ausgießen des Geistes in der Eucharistie und um Einsegnung zum Dienst an den Armen und an denjenigen, die der christlichen Liebe besonders bedürfen.
Die erste Schriftlesung ist entweder dem Alten Testament, der Apostelgeschichte oder der Offenbarung des Johannes entnommen. Für Lima wurde eine Stelle aus Ezechiel (47,1-9) über das Wasser gewählt, das unter der Schwelle des Tempels herausfließt und das Untertauchen bei der Taufe in Erinnerung ruft - das Wasser, das reinigt, läutert und Leben spendet. Das darauffolgende Lied gehört im allgemeinen zu einem wechselseitig gesungenen Psalm. Geeignete Verse, die diesem Text aus Ezechiel über das lebenspendende Wasser folgen, könnten aus Psalm 42 (h 41), 2-3. 8-9, mit der Antiphon aus Ezechiel 36,25 stammen:
"Und ich will reines Wasser über euch sprengen, daß ihr rein werdet von all eurer Unreinheit."
Die zweite Lesung ist eine kurze Stelle aus einer Epistel.In Lima handelte es sich um den Ersten Petrus-Brief (5,1-11) zum Thema Amt. Das folgende Halleluja klingt dann wie eine Akklamation, die das Evangelium einleitet, z.B.:
"Halleluja, halleluja,
die Jünger in Emmaus
erkannten den auferstandenen Herrn,
als er das Brot brach. Halleluja."
Ein Diakon oder ein dritter Lektor wird dann das Evangelium lesen. In Lima wurde die Emmaus-Perikope aus LK 24, 25-32 über das eucharistische Mahl gewählt, dem die Auslegung der Schriften vorangeht. Die Predigt legt die Botschaft des Wortes Gottes für das heutige Leben aus; sie ist die Stimme der Kirche, das Echo der Propheten, der Apostel und Jesu Christi. Ein Augenblick gesammelter Stille erlaubt es jedem, für sich allein über das empfangene Wort zu meditieren Danach folgt das Glaubensbekenntnis, entweder gesprochen oder gesungen, als eine Zusammenfassung der Heilsgeschichte. Es können sowohl das Nizänische als auch das Apostolische Glaubensbekenntnis gebraucht werden. In ökumenischer Treue zum Originaltext geben wir hier, wie es auch in Lima und beim Zentralausschuß in Genf der Fall war, den Text des Konzils von Konstantinopel (381) wieder. Die Jubiläumsfeier dieses Konzils im Jahr 1981 hat diesen Urtext, der Ost und West im fundamentalen Glauben vereint, wieder in den Vordergrund gerückt.
In den Fürbitten trägt die Gemeinschaft der Gläubigen, die nun durch das Wort Gottes bereichert ist, alle Anliegen der Kirche und der Welt vor Gott. Die hier aufgenommene Struktur und auch der Stil entsprechen der Litanei von Papst Gelasius (+496), die das Kyrie so wiedergibt, wie es in Rom am Ende des 5.Jahrhunderts gebräuchlich war.5 Die Themen des sechs Fürbitten sind hier: Ausgießung des Geistes auf die Kirche; die Verantwortlichen der Nationen; Gerechtigkeit und Friede; die Unterdrückten und alle Opfer der Gewalttätigkeit: dann - den Themen Taufe, Eucharistie und Amt entsprechend - die Einheit der Kirchen in der Taufe; die Gemeinschaft der Kirchen an einem Tisch; die gegenseitige Anerkennung der Ämter durch die Kirchen.
Die Eucharistiefeier beginnt mit einer Darbringung der Gaben, Brot und Wein, die von zwei Segenssprüchen aus der jüdischen Liturgie 6 (wiederaufgenommen in der revidierten römisch-katholischen Liturgie) und einem Gebet aus der Didache 7 begleitet wird. Diese Vorbereitung mündet in die sehr alt aramäische eucharistische Freudenformel "Maranatha" ("Komm, Herr Jesus" oder "Der Herr kommt", vgl. 1 Kor 16,22).
Das eucharistische Gebet beginnt mit einer Präfation, die auch auf dem Konvergenzdokument beruht. Zuerst konzentriert sich die Danksagung für die Schöpfung auf das Wort, das Leben spendet, und den Menschen, der die Herrlichkeit Gottes widerspiegelt. Als Erfüllung aller Zeiten wurde Christus der Menschheit als der Weg, die Wahrheit und das Leben geschenkt. In der Geschichte Jesu erinnert die Präfation an seine Einsetzung zum Diener in der Taufe, an das letzte Mahl der Eucharistie, an das Gedächtnis seines Todes und seiner Auferstehung und an die Gegenwart des auferstandenen Herrn im gebrochenen Brot. Schließlich erwähnt die Präfation auch die Gabe der königlichen Priesterschaft an alle Christen, unter denen Gott Amtsträger auswählt, die dazu berufen sind, die Kirche durch das Wort und die Sakramente zu nähren und ihr dadurch Leben zu geben. Die Herabrufung des Heiligen Geistes (Epiklese) auf die Eucharistie geht den Einsetzungsworten - gemäß der alexandrinischen und römischen Tradition - voraus.8 Die Anrufung des Heiligen Geistes im Zusammenhang der Heilsgeschichte ist von der Liturgie des heiligen Jakobus (4. Jh.) beeinflußt; sie ist auch wieder in der Liturgie der Evangelisch-lutherischen Kirche von Frankreich (1977, Variante VIII) aufgenommen. Die Epiklese bittet um die Ausgießung des Heiligen Geistes, wie er auf Mose und die Propheten, auf die Jungfrau Maria, auf Jesus am Jorden und auf die Apostel an Pfingsten herabkam, damit er das Festmahl bereite, so daß Brot und Wein für uns zum Leib und Blut Christi werden(E 14-15). Die Gemeinde nimmt diese Epiklese mit dem responsorischen Gesang auf: "Veni Creator Spiritus: Komm, Schöpfer Geist!"
So wie der Beginn der Epiklese die Themen des vorangehenden Sanctus ("Herr, unser Gott, Schöpfer der Welt, du bist heilig, und dein Ruhm ist ohne Grenzen") wieder aufgenommen hat, so knüpft der Beginn der Einsetzung an die Epiklese und ihr Responsorium durch die Erwähnung des Schöpfergeistes an. Damit wird auch die Einheit im Handeln von Geist und Christus im eucharistischen Geheimnis verdeutlicht. Der Schöpfergeist erfüllt die Worte des Sohnes, der in der Nacht, in der er ausgeliefert wurde, Brot nahm ...
Durch den Geist werden diese historischen Worte Jesu gegenwärtig und machen aus Brot und Wein Leib und Blut Christi: "Der Heilige Geist macht im eucharistischen Mahl den gekreuzigten und auferstandenen Christus für uns wahrhaftig gegenwärtig, indem er die Verheißung der Einsetzungsworte erfüllt" (E 14). Der Heilige Geist "läßt die historischen Worte Jesu gegenwärtig und lebendig werden" (E 14). Die Segnung des Brotes und des Kelches wird in dem Akt der Danksagung erfüllt - wie in der jüdischen Liturgie, besonders beim Passamahl. Die Worte "Tut dies zu meinem Gedächtnis" wollen eine zu subjektive Vorstellung einer einfachen Erinnerung vermeiden. Die Eucharistie ist ein Gedächtnis, eine Anamnese, d.h. eine Vergegenwärtigung des heilbringenden Opfers am Kreuz.
Die Akklamation, die die Einsetzungsworte abschließt, ist in vielen Revisionen der Liturgie in der jüngsten Zeit aufgenommen worden, wie z.B. in der römisch-katholischen, anglikanischen und schwedischen Kirche sowie in den lutherischen Kirchen in Amerika. Sie verbindet die Gemeinde mit der Verkündigung des Todes und der Auferstehung Christi.
Die Anamnese ist die Feier des "Gedächtnisses unserer Erlösung". Das Opfer am Kreuz und die Auferstehung, die für uns heute in der Eucharistie lebendig und gegenwärtig werden, stehen im Mittelpunkt der Anamnese. Aber wie es im Dokument zur Eucharistie heißt, ist es das ganze Leben Christi, das in der Danksagung der Anamnese in Erinnerung gerufen wird (E 6). In dieser Anamnese werden manche Elemente betont, weil sie den Themen Taufe, Eucharistie und Amt entsprechen: die Taufe Jesu, sein letztes Mahl mit den Aposteln, sein Amt als Hoherpriester, der in der Fürbitte für alle eintritt. In der Eucharistie sind wir dem einzigartigen Priestertum Christi verbunden, an dem auch das ganze Volk Gottes teilhat, jeder nach seinem Charisma und seinem Amt. Wir bringen das Gedächtnis Christ vor den Vater als Fürbitte der Kirche, indem wir zu Gott sagen: "Gedenke des Opfers am Kreuz, und schenke uns und allen Menschen wegen dieses einzigartigen Opfers, Quelle aller Gnade, den Überfluß des Segens, den das Erlösungswerk Jesu Christi für uns gebracht hat." Dies ist die Anamnese oder das Gedächtnis, die Vergegenwärtigung des einzigartigen Opfers in der Fürbitte, damit der Vater des Heilswerkes Christi zu unseren Gunsten gedenke.
Die eschatologische Akklamation kommt in einem Akt des Glaubens zum Ausdruck, der uns bestätigt, daß der Herr kommt: Maranatha! Die Eucharistie, die der Vater seiner Kirche als ein kostbares Gut gegeben hat, wird vom Vater als Fürbitte und Danksagung empfangen, vereint im Opfer seines Sohnes, der uns wieder in den Bund mit Gott aufgenommen hat.
In einem sehr schönen Text hat Luther gezeigt, wie innig die himmlische Fürbitte Christi und das Opfer der Kirche in der Eucharistie sind: "Aus welchen Worten wir lernen, daß wir nicht Christum, sondern Christus uns opfert, und nach dieser Weise ist es erlaubt, ja nützlich, daß wir die Messe ein "Opfer" heißen, nicht um ihretwillen, sondern daß wir uns mit Christus opfern, daß ist, daß wir uns auf Christum legen, mit einem festen Glauben seines Testaments und nicht anders mit unserem Gebet, Lob und Opfer vor Gott erscheinen als durch ihn und sein Mittel, und wir nicht daran zweifeln, er sei unser Pfarrer oder Pfaff im Himmel vor Gottes Angesicht. Solcher Glaube macht fürwahr, daß Christus sich unser annimmt, uns selbst, unser Gebet und Lob vorträgt und sich selbst auch für uns dargibt im Himmel. Wo man also die Messe ein Opfer hieße und verstünde, wäre es wohl recht. Nicht daß wir das Sakrament opfern, sondern daß wir durch unser Loben, Beten und Opfern ihn reizen. Ursach geben, daß er sich selbst für uns im Himmel und uns mit ihm opfere."
Eine zweite Epiklese bittet dann um ein neues Ausgießen des Heiligen Geistes auf die Gemeinde als Folge der Gemeinschaft mit Leib und Blut Christi. Diese Ausgießung des Geistes versammelt den Leib der Kirche und fördert in ihr die geistliche Einheit; sie macht aus der Gemeinschaft ein lebendiges Opfer zum Lobe Gottes; sie nimmt das kommende Reich vorweg.
Nach westlicher Tradition gedenkt man in diesem Augenblick der Menschen, für die man besonders beten will; man gedenkt derer, die uns im Glauben vorangegangen sind und all der Zeugen, die uns umgeben. Diese Gedenkbitten richten unsere Aufmerksamkeit nachdrücklich auf die ganze christliche Gemeinschaft, auf die der Heilige Geist herabgerufen wird; daher ist hier ihr Platz nach der zweiten Epiklese. In einer kürzeren Liturgie könnte man sie auslassen, indem man ihren Inhalt mit der ersten Fürbitte verbindet (Nr. 16). Der Wortlaut der vorliegenden Fürbitten ist durch das eucharistische Gebet III in dem Buch "Word, Bread and Cup" (Wort, Brot und Kelch)10 angeregt worden. Nach einem letzten "Maranatha" endet das eucharistische Gebet mit dem traditionellen trinitarischen Abschluß in den Liturgien des Westen.
Die Einführung zum Vaterunser erinnert an die Einheit aller Christen in der Taufe, die sie in den Leib Christi eingliedert und ihnen in dem einen Geist Leben gibt. Diese Einheit der Christen erlaubt es ihnen, gemeinsam das Gebet der Kinder Gottes zu sprechen, das Gebet des Herrn; sie erlaubt ihnen auch, untereinander den Frieden Christi zu erneuern und einander ein Zeichen des Friedens und der Versöhnung zu geben.
Das Brechen des Brotes während des Agnus Dei (gesungen) wird nach der reformierten Tradition mit den Worten des Paulus angekündigt: "Das Brot, das wir brechen, ist Teilhabe am Leib Christi ..."(1 Kor 10,16)
Die Kommunion wird von allen ausgeteilt, die im Gottesdienst eine bestimmte Aufgabe übernommen haben, Geistlichen oder Laien, und möglicherweise auch noch von weiteren Laien: Auf diese Weise wird der gemeinschaftliche Charakter der Eucharistie sichtbar und das gemeinsame Priestertum des ganzen Volkes Gottes unterstrichen. Diejenigen, die die Elemente austeilen, begeben sich zu je zwei Personen an verschiedene Stellen in der ganzen Kirche; man kann einen Kreis um sie herum bilden oder in einer Reihe an ihnen vorüberziehen. Man kann sich auch in einem Kreis um den Altar herum aufstellen, wenn die Anzahl der Kommunikanten nicht zu groß ist. Der Brauch, vor dem Altar niederzuknien, ist ebenfalls üblich. Wie die Kommunion ausgeteilt wird, hängt von der Anzahl der Kommunikanten oder dem Charakter des Gottesdienstes ab. Während der Kommunion kann ein Psalm gesungen werden mit einem Refrain, der zwischen jeder Strophe leicht aufzunehmen ist. Ein Orgelstück kann ebenfalls gespielt werden.
Das Dankgebet nach der Kommunion dankt Gott für die Einheit in der Taufe und die Freude an der Eucharistie; es bittet um die volle sichtbare Einheit und macht auf die bereits erhaltenen Zeichen der Versöhnung aufmerksam; es erbittet schließlich für diejenigen, die bereits von dem Festmahl gekostet haben, die Teilhabe am Erbe der Heiligen im Licht (Kol 1,12).
III. Mögliche Vereinfachung
Je nach den Umständen kann die eucharistische Liturgie abgekürzt werden.
Die Eingangsliturgie braucht nur das Lied, die Begrüßung, die Kyrie-Litanei und das Gloria zu umfassen, ohne Sündenbekenntnis und Absolution; sie kann sogar nur aus einem Lied bestehen: Psalm oder Gloria, und unmittelbar zum Kollektengebet übergehen.
Der Wortteil beginnt immer mit dem Kollektengebet, dem Sonntag, dem Fest oder den Umständen angepaßt. Man kann auch nur zwei statt drei Lesungen haben: die erste Schriftlesung oder die Epistel und immer das Evangelium; zwischen den beiden Lesungen wird man den Psalm und das Halleluja singen, oder nur das Halleluja. Die Predigt sollte sich immer auf einen Aspekt der Botschaft des Wortes Gottes konzentrieren, um die Aufmerksamkeit der Gemeinde zu behalten, ohne sie zu zerstreuen oder zu ermüden. Das Glaubensbekenntnis gehört nicht immer zur Liturgie; man kann es den Sonn- und Festtagen vorbehalten. Man kann auch zwischen der Fürbitte und den Gedenkbitten (mementos) wählen, indem man die eine oder die andere ausläßt. Dann ergibt sich ein vereinfachter Ablauf: Predigt, meditative Stille, Vorbereitung auf die Eucharistie. Die Eucharistiefeier beginnt immer mit der Vorbereitung. Weiter muß sie folgende unverzichtbare Elemente enthalten:Präfation, der Zeit, dem Fest oder den Umständen angepaßt, eventuell auch verkürzt. Epiklese I und II, Einsetzung, Anamnese und Abschluß. Die Gedenkbitten (mementos) können weggelassen werden, wenn sie in die Fürbitte aufgenommen worden sind. Nach dem Vaterunser könnte man auf den Friedensgruß verzichten und nur die Worte beibehalten: "Der Friede des Herrn sei allezeit mit euch ...". Das Dankgebet kann ein freies Gebet sein, sollte aber immer kurz und gut geordnet sein. Die Liturgie endet mit einem Schlußlied, nach Möglichkeit mit einem kurzen Sendungswort und dem Segen.
IV. Die Eucharistie im Mittelpunkt der Gemeinde und ihrer Sendung
In der Apostelgeschichte wird das Leben der ersten christlichen Gemeinde mit folgenden Worten beschrieben: "Sie hielten fest an der Lehre der Apostel, an der Gemeinschaft, am Brotbrechen und am Gebet ... Und sie waren täglich im Tempel einmütig beieinander und brachen in den einzelnen Häusern das Brot, sie nahmen die Mahlzeiten ein voll Freude und mit lauterem Herzen, sie lobten Gott und waren beim ganzen Volk beliebt. Der Herr aber ließ täglich zur Gemeinde Menschen hinzukommen, die gerettet wurden." (2,42-47) Das ganze Leben der Kirche über alle Zeiten hinweg ist in diesen wenigen Zeilen enthalten. Die Kirche wird verschiedene Gesichter über die Jahrhunderte hinweg annehmen können, aber sie wird nie wirklich die Kirche Jesu Christi sein, wenn man in ihr nicht diese grundlegenden Elemente ihres Wesens finden kann. An diesem Modell läßt sich ihre Treue im Laufe der Geschichte ablesen. Alle Zeiten der kirchlichen Erneuerung gehen auf diese ursprünglichen Quellen zurück.
Sieben Elemente lassen sich in dieser Beschreibung der ersten christlichen Gemeinschaft hervorheben, die die Kirche immer beachten sollte, um mit ihren Ursprung übereinzustimmen und in der Nachfolge Christi und der Apostel zu bleiben: auf das Wort Gottes hören, das Brechen des Brotes feiern, Gebete vorbringen, die brüderliche Gemeinschaft aufrechterhalten, die materiellen Güter teilen, sich im Lobpreis und in der Gegenwart Gottes vereinen und die Sendung des Herrn, der die Kirche aufbaut und mehrt, erfüllen.
Die christliche Gemeinde erwächst aus dem Hören des Wortes Gottes, der Schriftlesung und der Predigt: sie wird nach und nach auferbaut und gestärkt dank der Meditation über dieses lebendige Wort. Die Heilige Schrift, die gelesen, gepredigt und bedacht wird, unterscheidet die christliche Gemeinschaft radikal von anderen menschlichen Gesellschaften oder religiöse Gruppen. Das fortschreitende Sich-zu-eigen-machen der großen Themen der Schrift verwandelt die Gemeinde: Sie wird zum Ort der Befreiung, des Friedens, der Freude, des Feierns, der Brüderlichkeit, der Ausstrahlung, der Hoffnung ...
Die Kirche kann nicht leben, ohne ständig auf diese lebendige Quelle des Wortes Gottes zurückzugreifen. Deshalb ist ihr Gottesdienst auf die Lesung des Propheten und Apostel ausgerichtet ebenso wie auf die Verkündigung des Evangeliums Christi, auf die Predigt und die Meditation über die Wahrheit im Geist. Dieses Wort Gottes nährt die christliche Gemeinde und läßt sie wachsen; es macht sie anziehend und sendet sie in die Welt, um die frohe Botschaft zu verkündigen.
Am Osterabend, als der Auferstandene mit den Emmaus-Jüngern ging, legte er ihnen aus, was in der ganzen Schrift über ihn gesagt war; sein Wort bereitete ihre Herzen vor, ihn zu erkennen. Aber erst als er mit ihnen am Tisch saß, das Brot nahm, den Segen sprach, das Brot brach und es ihnen reichte, öffneten sich ihre Augen, und ihre Herzen brannten von seinen Worten; sie erkannten ihn beim Brotbrechen (LK 24, 27-32). Christus hat uns nicht nur sein Wort hinterlassen, sondern auch die Zeichen seiner Menschlichkeit, die er angenommen hat, um uns von dem Bösen und dem Tod zu befreien. Durch sein Evangelium ebenso wie durch die Zeichen seines Leibes und Blutes ist er unter uns gegenwärtig. Wenn daher die Kirche die Gegenwart des Auferstandenen in ihrer Mitte feiert, hauptsächlich am Tag des Herrn, dann verkündigt sie sein Wort und nährt sich beim Festmahl: Sie erkennt ihn in der Schrift und beim Brotbrechen. Daher umfaßt der volle christliche Gottesdienst die Verkündigung des Wortes Gottes und die Feier der Eucharistie.
Diese Verkündigung und diese Feier sind von den Gebeten der Kirche umgeben. Die ersten Christen "hielten fest am Gebet ... und waren täglich im Tempel": Die Urkirche hat die Disziplin der jüdischen Gebete weitergeführt. Sie wollte jeden Tag regelmäßig "das Stundengebet" im Tempel von Jerusalem einhalten, das dann zum Ursprung der Liturgie des täglichen Gottesdienstes wurde. Diese Liturgie umfaßt den Gesang der Psalmen, die Lesung des Wortes und die Fürbitten. Dieses regelmäßige Beten der christlichen Gemeinde schweißt die Gemeinschaft der Kirche zusammen und begründet ein Opfer des Lobpreises und der Fürbitte, in denen sich ihre Gemeinschaft mit Gott ständig erneuert.
Christliche Gemeinschaft und Einmütigkeit sind die Folgen dieses Verhältnisses der Gemeinde zu ihrem Herrn durch das Wort, die Eucharistie und das Gebet. Sie sind Zeichen eines glaubwürdigen Lebens der Kirche. Sie verwirklichen sich in Zeichen wie der Agape, wo Christen gemeinsam ein Mahl halten und ihre materiellen Güter mit denen teilen, die bedürftig sind. Freude und Einfachheit sind deutliche Zeichen dieser christlichen Gemeinschaft. Der Lobpreis Gottes und die Gegenwart in der Welt sind kein Gegensatz, das eine schließt das andere nicht aus. Die Gemeinschaft, deren erstes Merkmal die Feier des Lobpreises Gottes ist, wird von dem ganzen Volk, das sie umgibt, willkommen geheißen, weil sie einfach und fröhlich ist.
Wenn die christliche Gemeinschaft so auf das Wesentlich ihrer Existenz ausgerichtet ist, ist ihre eigene Ausstrahlungskraft ihre Mission in der Welt. Sie muß sich nicht auf alle möglichen Unternehmungen einlassen, um die sie umgebende Welt durch ihre Überzeugungen zu erobern. Es ist der Herr selbst, durch den sie in der Mitte ihrer Existenz lebt, der seine Mission durch die Ausstrahlung der Kirche, des Leibes Christi, verwirklicht: Der Herr läßt jeden Tag zu der Gemeinschaft Menschen hinzukommen, die gerettet werden. So steht die Eucharistie im Mittelpunkt des kirchlichen Lebens. Durch Wort und Gebet entsteht eine Gemeinschaft von Brüdern und Schwestern, eine Gemeinschaft des Teilens. So wird diese Gemeinde in der Welt gegenwärtig und erstrahlt durch Christus: Die Eucharistie auferbaut in Kirche in Einheit und läßt sie missionarisch werden.
Im Originaltext folgt eine detaillierte Beschreibung der Liturgie.
Zuletzt geändert am 08.05.2006