Katholikentag Ulm 2004
Dies war das etwas abgewandelte Leitwort, mit dem sich die KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche am 95. Deutsche Katholikentag in Ulm beteiligt hat. Dieser Katholikentag hat wieder in eindrucksvoller Weise gezeigt, dass die große Mehrheit des Kirchenvolkes die Reformanliegen unterstützt, die auf der Communio-Theologie des Zweiten Vatikanischen Konzils basieren.
Die übergroße Zustimmung zu Reformen ist nicht zuletzt bei dem kirchenpolitisch bedeutsamen öffentlichen Dialog zwischen Kardinal Karl Lehmann als Vorsitzendem der Deutschen Bischofskonferenz, dem Theologen Prof. Dr. Hans Küng und Dr. Hanna-Renate Laurien als Mitglied des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) deutlich geworden. Prof. Küng, der beim Hamburger Katholikentag und Berliner Ökumenischen Kirchentag (ÖKT) nur auf Einladung von Wir sind Kirche sprechen konnte, war nun zum ersten Mal direkt vom ZdK eingeladen worden. Er machte dabei deutlich, dass er diese Einladung auch der KirchenVolksBewegung zu verdanken habe. Streckenweise wähnte man sich fast in einer Wir sind Kirche-Veranstaltung, z.B. als Prof. Küng die Forderungen des KirchenVolksBegehrens Punkt für Punkt aufzählte und Dr. Laurien vehement das Frauendiakonat einforderte.
Die große Zustimmung zu den reformorientierten Gottesdiensten und Veranstaltungen in Ulm ist als Signal zu werten, dass die seit langem anstehenden innerkirchlichen Reformen jetzt endlich auf den Weg gebracht werden müssen. Kein Bischof kann und darf den Katholikentag ignorieren, damit der lähmende Stillstand in der Ökumene und in kirchenpolitischen Fragen endlich beendet wird. Dies gilt für die drängenden pastoralen Probleme wie den akuten Priestermangel und den Ausschluss der Frauen von allen Weiheämtern wie auch für die Bewältigung der aktuellen Finanzkrise in vielen deutschen Bistümern. Solange sich die Bischöfe nicht für innerkirchliche Reformen einsetzen, hat die katholische Kirche nicht das Recht und auch nicht die moralische Kraft, die Strukturen der Gesellschaft zu kritisieren.
In der Ökumene ist und bleibt die Frage der Eucharistischen Gastfreundschaft Prüfstein für die Glaubwürdigkeit der christlichen Kirchen. Die Gottesdienste in der Gethsemane-Kirche beim ÖKT 2003 in Berlin haben bis nach Ulm gewirkt, so dass wir ganz bewusst auf eine demonstrative Wiederholung verzichtet haben. Diese beiden von der KirchenVolksBewegung mitinitiierten ökumenischen Gottesdienste haben die Diskussionen im vergangenen Jahr und auf diesem Katholikentag befruchtet. Die theologisch fundierte und vielerorts geübte Eucharistische Gastfreundschaft ist nicht mehr zu stoppen. In dieser Frage muss sich die römisch-katholische Kirche bewegen, damit die Eiszeit in der Ökumene ein Ende findet – allerspätestens bis zum nächsten Ökumenischen Kirchentag, der im Zeitraum 2008 bis 2010 stattfinden wird.
Pastorale Zukunftsmodelle ohne Tabus
In der Wir sind Kirche-Veranstaltung „Gemeinden ohne Priester – eine Chance?!“ am Freitag berichteten nach einer Einführung durch den Schweizer Pastoraltheologen Prof. Dr. Leo Karrer acht so genannte „Laien“ über ihre Erfahrungen und Konzepte priesterloser Gemeinden. Das Fazit: Angesichts des eklatanten Priestermangels müssen auch Laien, die von Priestern begleitet werden, die Leitung einer Gemeinde übernehmen dürfen.
Am Samstag feierte die KirchenVolksBewegung einen priesterlosen Gottesdienst mit Mahlfeier in der Maria Suso-Kirche unter dem Thema „Aufstehen – aufeinander zugehen“. Die zahlreichen Besucher ließen sich durch die Lieder, die Gebete und durch die Bewegungsmeditation zum aktiven Mitfeiern anstecken. Den Gottesdienst leiteten zwei Frauen und zwei Männer aus der Kirchengemeinde St. Martin und St. Josef, Herrenberg. Höhepunkt war die Mahlfeier, zu der sich alle Besucher in einem großen Kreis zusammenfanden, der den ganzen Kirchenraum einbezog. Gemeinsam wurden das Brot gebrochen und der Wein geteilt – im Gedächtnis an das Abendmahl Jesu mit seinen Jüngerinnen und Jüngern und in der Gewissheit, dass Jesus mitten unter den Feiernden weilt, so wie er es verheißen hat.
Mit diesem priesterlosen Gottesdienst, um dessen Ankündigung als Mahlfeier es im Vorfeld einige Auseinandersetzungen mit dem ZdK gegeben hatte, hat Wir sind Kirche eine Möglichkeit gezeigt, wie auch angesichts des Priestermangels Gemeinden Mahlgottesdienste feiern und lebendig bleiben können. Übrigens: In der Rottenburg-Stuttgarter Bistumszeitung wurde über diesen Gottesdienst mit einem großen Foto berichtet.
„Wenn Kinder Kinder kriegen . . .“
Angeregt durch steigende Zahlen von ratsuchenden, minderjährigen Müttern in den Schwangerschaftskonflikt-Beratungsstellen bot der zur KirchenVolksBewegung gehörende Verein Frauenwürde e.V. gemeinsam mit dem Mutter-/Vater-Kind-Haus in Ulm einen Workshop an. Besonders überraschend und erfreulich war die engagierte Teilnahme vieler junger Mädchen an diesem Angebot.
Ende der Eiszeit in der Ökumene?
Ein Jahr nach dem Ökumenischen Kirchentag in Berlin war die Ökumene ein wesentlicher Prüfstein für die Glaubwürdigkeit dieses Christentreffens. In vielem war dieser Katholikentag ökumenischer als alle anderen zuvor – doch in der zentralen Frage der Mahlgemeinschaft hat sich offiziell noch nichts bewegt. Es sei denn, man deutet die Aussagen des in Rom seit fünf Jahren für die Ökumene zuständigen Kurienkardinals Walter Kasper in seinem Vortrag als Ermutigung, nicht nur auf Erlaubnisse „von oben“ zu warten: „Ich habe das Zutrauen, dass unsere Priester genügend pastorales Feingespür besitzen und in Übereinstimmung mit ihrem Bischof auf der vom Papst vorgegebenen Linie Lösungen finden, welche der jeweiligen persönlichen Situation und der Vielfalt des Lebens gerecht werden.“ Umso enttäuschender war es, dass wenige Tage vor dem Katholikentag der Präfekt der Glaubenskongregation Joseph Kardinal Ratzinger die vom Trierer Bischof Dr. Reinhard Marx ausgesprochene Suspendierung des Priesters und Dogmatikprofessors Gotthold Hasenhüttl bestätigt hat, gegen die dieser aber Rekurs eingelegt hat.
Die Podiumsdiskussion „Eiszeit in der Ökumene – Eucharistische Gastfreundschaft am Ende?!“ u.a. mit dem Saarbrücker Theologen Prof. DDr. Gotthold Hasenhüttl und der ev. Pfarrerin Dr. Brigitte Enzner-Probst, die beide an den Gottesdiensten in der Berliner Gethsemane-Kirche beteiligt waren, fand außerhalb des offiziellen Katholikentags statt. In dieser Diskussion wurde deutlich: Theologisch steht dem gemeinsamen Abendmahl nichts mehr im Wege. Auch wenn die katholische Amtskirche es noch nicht wahr haben will, wird es seit Jahrzehnten ganz selbstverständlich Tag für Tag an vielen Orten gefeiert.
Ein Mitschnitt dieser Diskussion auf einer Audio-Doppel-CD kann bei der bundesweiten Kontaktadresse für den privaten Gebrauch gegen eine Spende angefordert werden.
Das durch die beiden von der KirchenVolksBewegung mitinitiierten ökumenischen Gottesdienste während des Ökumenischen Kirchentages 2003 gesetzte Zeichen der Eucharistischen Gastfreundschaft hat die Diskussion des vergangenen Jahres und auch auf dem Ulmer Katholikentag entscheidend befruchtet. So haben 121 Pfarrer des Katholikentags-Bistums Rottenburg-Stuttgart sich in einem Brief an Bischof Dr. Gebhard Fürst um einer verantwortlichen Pastoral willen ausdrücklich für die Eucharistische Gastfreundschaft ausgesprochen. Ähnliche Initiativen gibt es mittlerweile auch in anderen Diözesen. Auf eine Wiederholung der in der Berliner Gethsemane-Kirche gefeierten Gottesdienste in Ulm hat Wir sind Kirche aber bewusst verzichtet.
Stattdessen rief die KirchenVolksBewegung in Ulm alle Teilnehmenden dazu auf, nach ihrem Gewissen der Einladung zum Tisch des Herrn zu folgen, auch wenn die katholische Kirche offiziell noch keine Eucharistische Gastfreundschaft gewährt. Mit den wie in Berlin verteilten orangenen Bändern „Gemeinsame Mahlfeier“ konnten die Teilnehmenden des Katholikentages Farbe bekennen für die Eucharistische Gastfreundschaft.
Als „Erfolgsmodell“ haben sich auch in Ulm die „Gespräche am Jakobsbrunnen“ zu aktuellen Themen in Kirche und Gesellschaft am Stand der KirchenVolksBewegung in Halle 7 erwiesen. Unsere Gäste waren:
Prof. Dr. Urs Baumann, Institut für Ökumenische Forschung, Tübingen; Ulla Beckers und Bea Liesenfeld Schwangerschaftskonfliktberaterinnen bei Frauenwürde e.V.; Magdalena Bogner, Mitglied des ZdK und Präsidentin der kath. Frauengemeinschaft Deutschland kfd; Anette Bruhns und Peter Wensierski, SPIEGEL-RedakteurInnen und BuchautorInnen; Matthias Drobinski, Journalist der Süddeutschen Zeitung, München; Prof. DDr. Gotthold Hasenhüttl, Prof. für Systematische Theologie, Universität Saarbrücken; Pfr. Wolfgang Herrmann, Basisgemeindeforum 2005, Herbrechtingen; Dr. Birgit Hoyer, Seelsorgerin der KLJB Deutschland; Prof. Dr. Leo Karrer, Pastoraltheologe, Fribourg/Schweiz; Dr. Margot Käßmann, Bischöfin der ev.-luth. Landeskirche Hannover; Prof. Dr. Dietmar Mieth, Mitglied versch. Ethik-Kommissionen, Uni Tübingen; Christa Nickels, MdB und Mitglied des ZdK, Vorsitzende Menschenrechtsausschuss des Bundestages; Ralf Sauer, BDKJ-Diözesanvorsitzender, Würzburg; Dr. Ruth Schäfer, Theologin und aus der Kirche ausgetretene Ordensfrau; Prof. Dr. Norbert Scholl, Religionspädagoge, Heidelberg; Prof. Dr. Fulbert Steffensky, Religionspädagoge, Hamburg.
Auf großen Zuspruch ist auch die Meinungsumfrage am Wir sind Kirche-Stand gestoßen, an der sich 623 Personen beteiligten. Auch wenn diese Umfrage nicht im wissenschaftlichen Sinne als repräsentativ gelten kann, zeigte sie – wie viele andere religionssoziologischen Studien – eine sehr deutliche Unterstützung der von der KirchenVolksBewegung geforderten innerkirchlichen Reformen.
> Wir sind Kirche-Programmflyer für den Katholikentag in Ulm
Seite 1 (PDF)
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> Ergebnisse der Wir sind Kirche-Meinungsumfrage
(PDF)
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> mehr zum Thema "Ökumene und interreligiöser Dialog"
> mehr zum Thema "Eucharistische Gastfreundschaft"
Zuletzt geändert am 05.12.2007