Fulbert Steffensky: Was wird aus dem Christentum?
1. Die Kirche von morgen wird weniger staatsverbunden sein. Was aus den Feiertagen und Sonntagen wird, wissen wir nicht. Ob der Name Gottes in der europäischen Verfassung genannt wird, wissen wir nicht. Ob der Staat so selbstverständlich die theologischen Fakultäten fördert und den Religionsunterricht in den Schulen, ist ungewiss. Das ist Chance einer neuen Freiheit der Kirche. Sie muss nicht mehr zwei Herren dienen, sie hat nur mehr einen.
2. Die Kirche von morgen wird kleiner und ärmer sein. Sie wird die reichen Mittel für ihre Kirchbauten, Akademien und sozialen Einrichtungen nicht mehr haben. Das ist die Chance einer neuen Konzentration der Kirche. Sie wird neu lernen können und müssen, wer sie ist und was sie soll.
3. Die Kirche von morgen wird ökumenisch sein. Sie wird sich den Schwachsinn der konfessionellen Doppelstrukturen nicht mehr erlauben. Es wird nicht mehr ein katholisches neben einem evangelischen Gemeindehaus stehen und das katholische Altenheim neben dem lutherischen. Die neue Ökumenizität befreit von den falschen und kindischen Fragen, in die die Konfessionen heute noch verstrickt sind. Die verschiedenen Konfessionen können einander dienen mit ihren spezifischen Charismen.
4. Die Kirche von morgen wird weniger klerikal dirigiert sein. Sie wird angewiesen sein und beschenkt werden von den Charismen der Laien und der Ehrenamtlichen.
5. Die Kirche von morgen wird stärker von Frauen bestimmt sein. Vermutlich wird dadurch ihre Theologie riskanter und vielfältiger. Theologische Korrektheit und Irrtumsvermeidung werden eine geringere Rolle spielen.
6. Die Kirche von morgen wird weniger eurozentrisch bestimmt sein. Es werden andere Formen der Frömmigkeit und der Gottesdienste in sie eindringen, das ist Gefahr und Chance zugleich.
7. Die Mitglieder der Kirche von morgen kommen aus einer so traditionsfernen Gesellschaft, dass sie sich in Freiheit und mit wenig Ressentiment den Überlieferungen des Christentums wieder zuwenden können. Traditionsbrüche erzeugen Aufgeschlossenheit für Traditionen.
Man kann die Zukunft der Kirche kritischer lesen, und es fallt sicher leichter, die zukünftigen Schwierigkeiten zu beschreiben. Wenn man aber die Hoffnung behalten und handeln will, muss man sich der Mühe unterziehen, die Möglichkeiten unter all den Unmöglichkeiten herauszulesen und sich nicht in der Beschreibung des Unglücks zu er-schöpfen. Was also werden und sollen die spirituellen Züge und die Aufgaben der Kirche von morgen sein?"
In: Junge Kirche 1/2007
Zuletzt geändert am 20.11.2008