Der schwierige Weg zur Eucharistie- und Abendmahlsgemeinschaft
Der schwierige Weg zur Eucharistie- und Abendmahlsgemeinschaft
Aus: Konradsblatt Nr. 7 (18. Februar 2001), S. 20 f.
Es gibt nicht die eine römisch-katholische Position in der Frage der Möglichkeit der Eucharistiegemeinschaften in einer Zeit, in der es noch keine volle, sichtbare Kirchengemeinschaft gibt. In den letzten Jahren gibt es verschiedentlich Anlass, die im Ansatz und in der Konsequenz unterschiedlichen Positionen, die römisch-katholische Christen in dieser Frage beziehen können, auszutauschen:
Die Konsequenzen der durch die „Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre“ erreichten Gestalt der Kirchengemeinschaft werden intensiv diskutiert. 2003 wird in Berlin der erste Ökumenische Kirchentag stattfinden. Im Vorfeld ist bei allen Evangelischen Kirchentagen und den Katholikentagen in den letzten Jahren die Frage der Abendmahlsgemeinschaft im Blickpunkt des Interesses.
Eine ökumenische Initiative in Nürnberg, zumindest den evangelischen Christen, die in konfessionsverschiedenen Ehen leben, von römisch-katholischer Seite aus Eucharistiegemeinschaft zu ermöglichen, wurde von der Ökumene-Kommission der Deutschen Bischofskonferenz aufgenommen und in den letzten Wochen in der Herbst-Vollversammlung der Bischöfe negativ entschieden. Das Apostolische Schreiben „Dominus Iesus“ hat all die bitter ernüchtert, die auf eine baldige offizielle Übernahme der inzwischen erreichten ökumenischen Annäherungen in der Frage der Anerkennung der Kirchlichkeit der reformatorischen Gemeinschaften hofften – und hoffen.
Unterschiedliches Kirchen- und Amtsverständnis
Die Frage nach dem Zusammenhang zwischen der noch nicht bestehenden Kirchengemeinschaft und der Feier der Eucharistie wird viel besprochen. Die Standpunkte sind kontrovers. Nicht strittig zwischen den Konfessionen ist der theologische Grundsatz, eucharistische Gemeinschaft setze das Bestehen von Glaubensgemeinschaft voraus, eines bedinge das andere. Die eucharistische Feier ist Feier bestehender, von Gott gewirkter Gemeinschaft. Unversöhnliche Zwietracht ist dem Wesen der eucharistischen Feier zuwider.
Wichtig zu beachten ist zudem: Die kirchlichen Texte – auch die der römisch-katholischen Kirche – argumentieren bei ihrer Beschäftigung mit der interkonfessionellen eucharistischen Gemeinschaft nicht in erster Linie mit Aspekten der Eucharistietheologie im engeren Sinn. Kontroverse Fragen des Eucharistieverständnisses sind somit nicht vorrangig der Grund für die Zurückweisung des Wunsches nach Eucharistiegemeinschaft: Es sind ungelöste Fragen des Kirchen- und des Amtsverständnisses, die die eucharistische Gemeinschaft verhindern. An dieser Stelle gilt es auch anzusetzen beim Bemühen um eine Veränderung der offiziellen römisch-katholischen Position.
Das Zweite Vatikanische Konzil hat in zahlreichen ökumenischen Zusammenhängen dazu ermutigt, Getauften anderer Konfessionen zu begegnen, in der lebendigen Begegnung sich verwandeln zu lassen, zu erstarken in der Freude an der schon bestehenden Gemeinschaft und nach einer Vertiefung zu streben. Begegnungen in allen Bereichen des kirchlichen Lebens erscheinen den Konzilsvätern weiterführend, die Gemeinschaft der Getauften festigend. Begegnung im Tun und im sozialen Handeln (Diakonia), Begegnung im Dienst der Verkündigung und der theologischen Gespräche (Martyria), Begegnung im Gebet und in den Feiern des Glaubens (Leiturgia): All dies darf sein und soll sein. Begegnungen verwandeln. Dieser Erfahrung stimmen die Konzilsväter zu.
Im Blick auf die Frage nach der interkonfessionellen Eucharistiegemeinschaft nennt das Konzil einen doppelten Grundsatz, der in den nachfolgenden Zeiten in Gestalt von Ausführungsbestimmungen konkretisiert wurde. Dieser doppelt-eine Grundsatz lautet: „Man darf (…) die Gemeinschaft beim Gottesdienst (communicatio in sacris) nicht als ein allgemein und ohne Unterscheidung gültiges Mittel zur Wiederherstellung der Einheit der Christen ansehen. Hier sind hauptsächlich zwei Prinzipien maßgebend: die Bezeugung der Einheit der Kirche und die Teilnahme an den Mitteln der Gnade. Die Bezeugung der Einheit verbietet in den meisten Fällen die Gottesdienstgemeinschaft, die Sorge um die Gnade empfiehlt sie indessen in manchen Fällen“ (Unitatis Redintegratio, Nr. 8, 4).
Katholiken dürfen nicht am evangelischen Abendmahl teilnehmen
Eine folgenreiche Festlegung ist so vorgenommen worden: Die nicht bestehende Einheit der Kirche verhindert umfassende Eucharistiegemeinschaft; die Sorge um die Gnade, das heißt die Berücksichtigung der individuellen Situation einzelner Gläubiger und die Suche nach Linderung der Notsituation einzelner Menschen, dieses pastorale Bemühen ermöglicht es, Ausnahmeregelungen zu treffen, von dem an sich stets gültigen Grundsatz abzuweichen, Eucharistiegemeinschaft setze Kirchengemeinschaft voraus.
In den nachkonziliaren Ausführungsbestimmungen wird folgende Aussage vorrangig wirksam: „Obgleich bei den von uns getrennten kirchlichen Gemeinschaften die aus der Taufe hervorgehende volle Gemeinschaft mit uns fehlt und obgleich sie nach unserem Glauben vor allem wegen des Fehlens des Weihesakramentes (defectus ordinis) die ursprüngliche und vollständige Wirklichkeit des eucharistischen Mysteriums nicht bewahrt haben, bekennen sie doch bei der Gedächtnisfeier des Todes und der Auferstehung des Herrn im Heiligen Abendmahl, dass hier die lebendige Gemeinschaft mit Christus bezeichnet werde und sie erwarten seine glorreiche Wiederkunft. Deshalb sind die Lehre vom Abendmahl des Herrn, von den übrigen Sakramenten, von der Liturgie und von den Dienstämtern der Kirche notwendiger Gegenstand des Dialogs“ (Unitatis Redintegratio, Nr. 22).
Die Sinnspitze dieser Textpassage ist nach meiner Wahrnehmung ganz eindeutig, die drängenden Themen des anstehenden ökumenischen Dialogs zu bestimmen. Die Frage des Amtes wird der Frage der Eucharistie untergeordnet, zugeordnet. Kommentarlos festgehalten wird zudem, dass es konfessionelle Unterschiede gibt in der Einschätzung der Verbindung zwischen der Amtsfrage und der Eucharistiefeier. Eine pauschale kritische Infragestellung der Möglichkeit, dass in den evangelischen Abendmahlsfeiern Gedächtnis des Todes und der Auferstehung Jesu Christi und der Erwartung seiner Wiederkehr geschieht, erfolgt nicht. Das Konzil ermutigt zum Dialog über Fragen des Abendmahles. Diesem Aufruf wurde auch Folge geleistet. Die Randbemerkung zur Amtsfrage hat im Text die Funktion eines erinnernden Einschubs, der Text will nicht einschränken: Gespräche über die Eucharistie sollen sein.
In den nachkonziliaren kirchenrechtlichen Bestimmungen über die Eucharistiegemeinschaft wird die Amtsfrage zum entscheidenden Punkt des Unterschieds. Bei allen Regelungen gilt: Wenn Eucharistiegemeinschaft gewährt wird, müssen Ausnahmesituationen bestehen. Eine starke Not muss dazu drängen, eine „gravis necessitas“ muss bestehen, damit nicht-römisch-katholischen Christen Eucharistiegemeinschaft in Verbindung mit dem Bußsakrament und der Krankensalbung gewährt werden kann.
Im Blick auf die reformatorischen Kirchen ist einzig die Zulassung einzelner evangelischer Christinnen und Christen zur römisch-katholischen Eucharistiefeier erlaubt, eine Teilhabe römisch-katholischer Christinnen und Christen an evangelischen Abendmahlsfeiern gilt dagegen als kategorisch ausgeschlossen. Die Bedingungen, unter denen evangelischen Gläubigen die „communicatio in sacris“ (Gottesdienst-Gemeinschaft) gewährt werden kann, lauten konkret: „Wenn Todesgefahr besteht oder wenn nach dem Urteil des Diözesanbischofs beziehungsweise der Bischofskonferenz eine andere schwere Notlage dazu drängt, spenden katholische Spender diese Sakramente (gemeint sind Buße, Eucharistie und Krankensalbung), erlaubt auch den übrigen nicht in der vollen Gemeinschaft mit der katholischen Kirche stehenden Christen, die einen Spender der eigenen Gemeinschaft nicht aufsuchen können und von sich aus darum bitten, sofern sie bezüglich dieser Sakramente den katholischen Glauben bekunden und in rechter Weise disponiert sind“ (CIC/1983, can 844, 4).
Die vom römisch-katholischen Kirchenrecht getroffenen Ausnahmeregelungen sehen keine Möglichkeit der Teilhabe römisch-katholischer Christinnen und Christen an evangelischen Abendmahlsfeiern vor. Eine solche Teilnahme wird wegen des „defectus ordinis“, des Fehlens des Weihesakramentes, ausgeschlossen. Die Frage ist offen, in welcher Weise das ursprüngliche Geheimnis der Eucharistie in jenen kirchlichen Gemeinschaften bewahrt wurde, deren Ämter nicht in der „apostolischen Sukzession“, der Nachfolge auf die Apostel stehen.
Die Diskussion wird nicht zur Ruhe kommen
In der theologischen Diskussion in jüngerer Zeit erscheinen angesichts der bestehenden kirchenoffiziellen Maßgabe insbesondere zwei Wege als aussichtsreich, kurzfristig zu einer Veränderung der Situation zu gelangen: Ein Weg wird in einer Neuinterpretation der „gravis necessitas“ gesehen, die, so sie gegeben ist, die Gewähr der Eucharistiegemeinschaft erlaubt; der zweite Weg besteht in einer weitergehenden Interpretation des konziliaren Grundsatzes, die ökumenische Begegnung fördere auch die Einheit der Christen, sie sei nicht nur Ausdruck bereits gegebener Verbundenheit, sondern auch der Weg zu einem tieferen Verständnis füreinander. Einzelne Autoren berufen sich in diesem Zusammenhang auf die grundlegende Bestimmung des Wesens der Eucharistie in der Kirchenkonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils, auch Quelle und nicht nur Höhepunkt des ganzen christlichen Lebens zu sein (Lumen gentium, Nr. 11).
Eine Konkretion im Blick auf den ersten der genannten Wege möchte ich ansprechen: Es gab in jüngerer Zeit Bemühungen im Raum der Deutschen Bischofskonferenz, im Blick auf die konfessionsverschiedenen Ehen eine „gravis necessitas“ im Sinne der kirchenrechtlichen Bestimmungen festzuhalten, sofern ein Priester im Gespräch mit den Betroffenen den Eindruck gewinnt, es sei zu befürchten, dass die Eheleute in Kirchendistanz treten werden, wenn sie nicht gemeinsam an der Eucharistiefeier teilnehmen können. Das aus der Tradition der Orthodoxie vertraute Oikonomia-Prinzip wurde in Anspruch genommen.
Die anhaltende Diskussion hat ergeben, dass diese Interpretation wohl zumindest nicht die Absicht der Konzilsväter trifft; diese dachten kaum an die dauerhafte Lebensgemeinschaft von Menschen in konfessionsverschiedenen Ehen, als sie eine „gravis necessitas“ als Grund für die Gewähr eucharistischer Gemeinschaft anerkannten. Alles deutet darauf hin, dass nach der Auffassung der Konzilsväter einzelnen Menschen in der Todesnähe die Sterbesakramente nicht verweigert werden sollen – auch evangelischen Christinnen und Christen nicht, sofern sie in dieser Situation nur die Möglichkeit haben, einem römisch-katholischen Amtsträger zu begegnen.
Der zweite Weg der gelegentlichen Eucharistiegemeinschaft als Quelle der Sehnsucht nach beständiger Kirchengemeinschaft wird von vielen Gemeinden faktisch bereits begangen. Aber er ist irregulär. In vielen Beiträgen hatte vor allem Otto Hermann Pesch sich dafür ausgesprochen, an besonderen Tagen als Vorzeichen künftiger Eucharistiegemeinschaft als „Vorgeschmack“ in besonderen Kreisen eucharistische Gemeinschaft zu leben. Ökumene-Ausschüsse der Pfarrgemeinderäte und der Presbyterien (Ältestenkreise) könnten zum Beispiel Zeichen setzen für die erhoffte Gemeinschaft aller Christinnen und Christen. Ökumenische Gremien, die mühsam um die Einheit der Christen ringen, könnten bei ihren Tagungen Kraft schöpfen aus der einen Quelle der Eucharistie und gemeinsam Dank sagen für die von Gott Sünderinnen und Sündern geschenkten göttlichen Zusage der Versöhnung. In Deutschland wird vor dem Ökumenischen Kirchentag in Berlin 2003 die Diskussion um die Abendmahlsgemeinschaft nicht zur Ruhe kommen.
Dorothea Sattler Die Autorin ist Professorin für Ökumenische Theologie an der Universität Münster und war Mitglied einer Arbeitsgruppe, die den Auftrag hatte, für den Ökumenischen Kirchentag 2003 in Berlin ökumenische Gottesdienstformen zu erarbeiten.
Zuletzt geändert am 21.11.2007