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Veröffentlicht am 29­.07.1995

29./30.7.1995 - Süddeutscher Zeitung

Dauerthema Zölibat

Die Berufung zum ehelosen Leben hat keinen guten Ruf mehr. Dabei ist die Diskussion darüber, ob nun das Priesteramt immer zwingend mit sexueller Enthaltsamkeit (für die katholische Kirche identisch mit Ehelosigkeit) verbunden sein muß, ein echter Dauerbrenner. Schon seit dem 4. Jahrhundert gab es immer wieder entsprechende Forderungen, bis schließlich beim Zweiten Laterankonzil 1139 die Ehelosigkeit der Kleriker als verbindliche Norm eingeführt wurde. Das Zölibat, abgeleitet vom lateinischen „coelebs“ (Junggeselle) ist kein Dogma, berührt also nicht die Glaubenslehre der Kirche.

Befürworter des Pflichtzölibates berufen sich vor allem auf biblische Aussagen, die die Ehelosigkeit „um des Himmelreiches willen" empfehlen. Der Verzicht auf die Ehe erfolgt aber nicht, um sich selbst einen Platz im Himmel zu sichern, sondern um sich in der Welt mit aller Kraft für das Reich Gotteseinsetzen zu können. Wer das Alleinsein aber nicht ertragen könne, der solle heiraten, rät der Apostel Paulus. Für das Zölibat spielte auch die kultische Reinheit eine Rolle, wie sie in der Antike von religiösen Funktionsträgern gefordert wurde. Wer den heiligen Dienst am Altar versah, durfte sich nicht durch sexuelle Handlungen verunreinigen. Diese negative Beurteilung von Sexualität schwingt wohl noch immer mit bei der Verteidigung des, Pflichtzölibats. Es gab in der Geschichte aber auch ganz praktische Gründe für die Ehelosigkeit des Klerus: Priester sollten das Kirchenvermögen nicht an mögliche Erben weitergeben können.

Heute erscheint die Verpflichtung zu sexueller Enthaltsamkeit auch vielen Gläubigen nicht mehr zeitgemäß zu sein. Viele Priester scheitern zudem an dieser Lebensform. Es gibt aber auch inhaltliche Gründe für eine Aufhebung der Vorschrift. Denn der Priestermangel führt dazu, daß Pfarreien immer öfter auf Meßfeiern und damit den Höhepunkt des Gemeindelebens verzichten müssen. Denn die Eucharistiefeier ist allein geweihten Priestern vorbehalten. Daher fordern immer mehr Katholiken in Anlehnung an ein Votum der Synode der deutschen Bistümer von 1975; in Ehe und Beruf bewährte Männer („viri probati") zu Priestern zu weihen. Schon jetzt gibt es viele Ausnahmen von der Regel, die nur per Konzilsbeschluß zu ändern wäre: Ehemalige anglikanische und evangelische Pfarrer dürfen nach ihrem Übertritt zum Katholizismus auch als Verheiratete den Priesterberuf ausüben. Zur Zeit des kommunistischen Regimes in der ExTschechoslowakei wurden Familienväter im Untergrund zu Priestern geweiht. Abgesehen von den orthodoxen, reformierten und altkatholischen Christen, die alle kein Pflichtzölibat für Pfarrer kennen, gilt das Zölibatsgesetz nicht einmal für alle katholischen Kirchen: In den mit Rom unierten Ostkirchen sind nur Mönche und Bischöfe zur Ehelosigkeit verpflichtet.

Cornelia Glees

Zuletzt geändert am 31­.10.2008