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Veröffentlicht am 27­.11.1995

27.11.1995 - Focus

Spaltpilz an der Spitze

KIRCHENVOLKSBEGEHREN
Die totgeglaubte Kirchenbasis regt sich, manchen Bischöfen verschlägt es die Sprache

Von Norbert Robers

Als ob sie es geahnt hätten: Deutschlands Bischöfe hatten seit dem ersten Tag des „KirchenVolksBegehrens“ vor einer Polarisierung gewarnt. Jetzt ist die Spaltung da – trifft aber in erster Linie den Klerus selbst.

Die Würdenträger in den 27 (Erz-)Bistümern ringen bisher vergeblich um eine einheitliche Stellungnahme. Die Initiatoren feiern das Ergebnis als „großen Sieg“ mit Gottesdiensten und Partys. 1,8 Millionen Bürger unterschrieben das Votum für eine Erneuerung der katholischen Kirche „im Geiste Jesu“ (Abschaffung des Zölibats, Mitsprache bei Bischofswahlen, Priesterweihe für Frauen). Davon bekannten sich knapp 1,5 Millionen zur römisch-katholischen Kirche – diese Angaben blieben ungeprüft.

Einigen Geistlichen klingt es wie eine Drohung in den Ohren, wenn der Hannoveraner Cheforganisator Christian Weisner ankündigt: „Wir sind nicht nur bequeme Unterzeichner. Ich verspreche viele weitere Aktivitäten.“

Kirchenkritiker Hans Küng verlangte gegenüber FOCUS sogleich Konsequenzen: „Jetzt darf man wohl erwarten, daß ein deutscher Bischof in der Öffentlichkeit klar ausspricht, daß die Standpunkte zum Zölibat, zur Empfängnisverhütung und zur Frauenordination revidiert werden müssen.“

Als „ein beachtliches Resultat“ beurteilten die Bistumssprecher in Berlin und Münster das Endergebnis – offensichtlich zugleich überrascht und erfreut über die vielen lebhaften Diskussionen der oft totgeglaubten Kirchenbasis. Dieses „Angebot zum fairen Dialog“ verdiene „Anerkennung“, urteilte auch Essens Bischof Hubert Luthe. Alle drei standen jedoch mit diesen wohlwollenden Äußerungen in krassem Widerspruch zu Karl Lehmann, dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz.

Der Kirchenobere bemühte sich am Tag der Ergebnisbekanntgabe um einen beispielhaften Kommentar: Er glaubte zwar „vielerorts gutgemeinten Einsatz“ erkannt zu haben, beharrte aber darauf, das der Kirche zu Füßen gelegte „Geschenk“ (FAZ) als „ungeeigneten Beitrag“ abzulehnen.

Gar sprachlos reagierten die Erzbischöfe von Köln und Fulda, Joachim Kardinal Meisner und Johannes Dyba: Sie verweigerten jeden Kommentar.

Völlig uneins in ihrer Wahlanalyse präsentierte sich auch die Führungsriege im Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK). Präsidentin Rita Waschbüsch kanzelte den zweimonatigen Zählappell als „überflüssig“ ab. Ihr Stellvertreter Werner Remmers verlangte dagegen, daß „das beeindruckende Ergebnis auf allen Ebenen der Kirche ernst genommen“ werden müsse.

Ihr weiteres Vorgehen wollen die Initiatoren und 700 Kontaktgruppen jetzt in regelmäßigen Treffen festlegen. Das erste bundesweite Strategiegespräch (Motto: „Danach“) wird im Januar stattfinden. Immer im Blick: die Kirchenrevoluzzer in Österreich, dem Ursprungsland der länderübergreifenden Bewegung. Dort war trotz 500 000 Sympathisanten im Rücken die „sagenhafte Aufbruchstimmung“ schnell einer „Entmutigung“ gewichen. Cheforganisator Thomas Plankensteiner: „Die Bischofskonferenz hat uns nicht ernst genommen.“

„Jetzt erst recht“, beschwor Plankensteiner seine Mitstreiter und animierte zahlreiche Frauen, schriftlich ihr Gefühl der Berufung zur Diakonweihe anzuzeigen. Gleichzeitig lud er alle Organisationen dazu ein, sich in einer zweiten Unterschriftenaktion in der kirchenkritischen „Plattform“ zu organisieren. Er entwarf einen „Herdenbrief“, in dem Theologen ihre Thesen zum Thema Sexualität vorstellen. „Warum sollte das nicht auch in Deutschland gelingen“, meint Plankensteiner, der die teilweise „wortwörtlich gleiche“ Reaktion deutscher und österreichischer Bischöfe auf das Begehren „amüsiert“ registriert.

Auch von Joseph Kardinal Ratzingers „unfehlbarer“ Absage an die Priesterweihe für Frauen wollen sich die Aufständischen nicht abschrecken lassen. Klaus Fleischbein, Berliner Aktivist, tröstet sich: „Um ans Ziel zu gelangen, muß man nicht gleich mit dem Schnellzug fahren. Irgendwann kommt man auch im Bummelzug an.“

KONTROVERSE

„Die Initiatoren wollen nur Zoff machen“ RITA WASCHBÜSCH, ZDK-PRÄSIDENTIN

„Wir müssen das Ergebnis ernst nehmen“ WERNER REMMERS, ZDK-VIZEPRÄSIDENT

Zuletzt geändert am 18­.11.2008