26.1.2009 - Süddeutsche Zeitung
Papst holt Holocaust-Leugner zurück in die Kirche
Von Stefan Ulrich
Rom – Papst Benedikt XVI. hat die Exkommunikation von vier Bischöfen der ultrakonservativen Pius-Priesterbruderschaft aufgehoben und damit in der jüdischen Welt Empörung ausgelöst. Die Entscheidung des Papstes „verseuche” die ganze Kirche, sagte der Rabbiner David Rosen, der maßgeblich am jüdisch-christlichen Dialog beteiligt ist. Der Präsident der italienischen Rabbiner, Giuseppe Laras, kritisierte: „Wir können nicht in den Kopf des Papstes sehen, aber das ist sicher kein Handeln, das Entspannung bringt.” Unter den vier Bischöfen ist der Brite Richard Williamson. Er leugnet seit Jahren den Holocaust und behauptet, es habe die Gaskammern in den Konzentrationslagern der Nazis nie gegeben.
Kirchenvertreter distanzierten sich am Wochenende von den Äußerungen Williamsons, verteidigten aber zugleich den Schritt des Papstes. So sagte der Vatikan-Sprecher Federico Lombardi, die Rücknahme der Exkommunikation sei eine „Geste des Friedens” und eine „Quelle der Freude” für die ganze Kirche. Zwar seien die Behauptungen des Bischofs Williamson inakzeptabel. Sie hätten aber nichts mit der Exkommunikation zu tun.
Die vier Bischöfe sind Anhänger des 1991 verstorbenen traditionalistischen französischen Erzbischofs Marcel Lefebvre. Er hatte die Neuerungen des Zweiten Vatikanischen Konzils wie die Erklärung zur Religionsfreiheit, den Dialog mit anderen Konfessionen und Glaubensrichtungen sowie eine Liturgiereform bekämpft. 1988 weihte er trotz eines päpstlichen Verbotes vier Priester seiner Bruderschaft zu Bischöfen und löste eine Kirchenspaltung aus. Lefebvre und die vier Bischöfe wurden exkommuniziert. Papst Benedikt XVI. bemüht sich seit seinem Amtsantritt im Jahr 2005 darum, das Schisma zu überwinden. So erlaubte er 2007, dass wieder in allen Bistümern Messen nach dem alten tridentinischen Ritus gefeiert werden können.
Nach der Aufhebung der Exkommunikation erwarten Beobachter, dass es bald zur Wiedereingliederung der „Priesterbruderschaft Pius X.” in die katholische Kirche kommen wird. Der Bruderschaft sollen nach eigenen Angaben etwa 500 Priester angehören und 600 000 Gläubige anhängen. In einem Kommuniqué des Vatikans, das am Samstag veröffentlicht wurde, heißt es, Benedikt XVI. hebe „mit Wohlwollen” und „aus pastoraler Sorge und väterlicher Barmherzigkeit” die Exkommunikation auf. „Der Papst ist bei dieser Entscheidung von dem Wunsch erfüllt, dass man möglichst rasch zu einer vollständigen Versöhnung und zu voller Gemeinschaft gelangt.” Die vier Bischöfe hatten zuvor versichert, das Primat des Papstes anzuerkennen.
Die Entscheidung Benedikts XVI. stieß auch in der Kirche auf Kritik. So erklärte die Bewegung „Wir sind Kirche”, der Schritt des Papstes zeige die „rückwärtsgewandte Ausrichtung” seines Pontifikats. Die Bewegung warnte davor, Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils rückgängig zu machen. Vertreter des Judentums vermissten eine scharfe Verurteilung der Behauptungen Williamsons. Der Bischof hatte jüngst bei einem Besuch in Deutschland gesagt, er glaube, dass es „keine Gaskammern gegeben hat”. Zudem seien in den deutschen Konzentrationslagern nicht sechs Millionen Juden getötet worden, sondern bis zu 300 000. Die Staatsanwaltschaft Regensburg ermittelt gegen den Bischof wegen Volksverhetzung. (Seiten 2 und 4)
Zuletzt geändert am 26.01.2009