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Veröffentlicht am 11­.05.2009

11.05.2009 - Deutschlandfunk (12:15 Uhr)

"Eine Pilgerreise ist immer auch eine politische Reise"

Verein "Wir sind Kirche" spricht von "sehr schwieriger Reise" des Papstes

Christian Weisner im Gespräch mit Silvia Engels

Christian Weisner, Initiator des katholischen Vereins "Wir sind Kirche", hofft, dass der Papstbesuch in Israel ohne einen Eklat zu Ende gehen wird. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger stünde er dem interreligiösen Dialog skeptischer gegenüber. Nach der Debatte um die Pius-Bruderschaft sei seine Verurteilung jeglicher Form von Antisemitismus unablässlich.

Silvia Engels: Wenn das Oberhaupt der Katholischen Kirche nach Israel reist, dann ist das immer eine hochpolitische Angelegenheit. Das über Jahrtausende belastete christlich-jüdische Verhältnis rückt dann ebenso in den Mittelpunkt wie Fragen zum christlich-muslimischen Dialog. Dazu kommt die immer brisante Gemengelage des Nahost-Konflikts. Papst Benedikt XVI. hat besonders schwierige Voraussetzungen, denn durch missverständliche Äußerungen und Handlungen im Vorfeld hat er manch diplomatische Verwirrung ausgelöst.

Am Telefon mitgehört hat Christian Weisner. Er ist Initiator des katholischen Vereins "Wir sind Kirche", ein Verein, der sich für Reformen und mehr Mitspracherechte für die katholischen Laien einsetzt, ebenso für eine Stärkung des Dialogs mit anderen Religionen und für die Ökumene. Guten Tag, Herr Weisner.

Christian Weisner: Ja! Guten Tag.

Engels: Wir haben es gerade gehört. Zu seinem Besuchsauftakt hat Papst Benedikt XVI. einmal scharf den Antisemitismus gegeißelt. Ist das ein Auftakt nach Maß?

Weisner: Ich denke, das ist unablässlich, dass er das wirklich macht. Das ist gut so. Aber wenn er sagt, der Antisemitismus, der wieder aufkeimt, der Antisemitismus muss bekämpft werden, wo immer er sich zeigt, dann muss man natürlich auch ganz deutlich sagen, er zeigt sich leider auch in den christlichen Kirchen, leider auch in der Katholischen Kirche, und da ist natürlich diese bedingungslose Aufhebung der Pius-Bruderschaft, dieser konservativen und auch politisch konservativen Gruppierung innerhalb der Katholischen Kirche vom Ende Januar diesen Jahres, immer noch unvergessen und da ist natürlich das weiter aufzuarbeiten.

Engels: Sie sprechen es an: Es gab eine große Debatte um die Rehabilitierung des Holocaust-Leugners in der Pius-Bruderschaft Williamson durch den Vatikan. Mittlerweile bemüht sich der Vatikan deutlich um Distanzierung von Williamson. Wäre es ratsam für den Papst, das Thema noch einmal in Israel anzusprechen beziehungsweise da möglicherweise weitere Schritte gegen Williamson anzukündigen?

Weisner: Ich denke, Williamson ist wirklich die Sache, die im Vatikan entschieden werden muss. Jetzt haben wir, denke ich, alle als Christen erst mal große Sorge, dass dieser sehr schwierige Besuch, dass diese sehr schwierige Reise auch wirklich gut über die Bühne geht, denn es zeigt sich ja gerade eben, es soll eine Pilgerreise sein, aber sie hat natürlich eine hochpolitische Bedeutung. Jede Blickrichtung, jede Geste, jede Silbe vom Papst wird natürlich von vielen kritisch beäugt und natürlich bringt der Papst diese Hypotheken selber mit. Es ist ja schon in dem islamischen Land, in Jordanien so gewesen; da ging es um die Regensburger Rede.

Hier geht es jetzt um diese Pius-Bruderschaft; das ist ein ganz heikles Terrain und ich glaube, der Papst hat eine ganz große Schwierigkeit, weil nämlich sein Vorgänger hat ja so viel Neuland im Positiven mit dem interreligiösen Dialog beschritten und jetzt wird natürlich er immer verglichen: Macht er genau es so wie sein großer Vorgänger, Johannes-Paul II., der im interreligiösen Dialog so stark war, denn man weiß natürlich auf der anderen Seite, dass Papst Benedikt doch diesem interreligiösen Dialog sehr viel skeptischer gegenübersteht. Insofern zittern wir erst mal jetzt alle, dass er diese Reise ohne einen Eklat wie bei der Regensburger Rede oder so übersteht.

Engels: Nun wird der Papst neben den heiklen Themen, die Sie angesprochen haben, auch in der Nähe des Sperrwalls zwischen Israel und dem Westjordanland sprechen. Da geht es um den aktuellen Nahost-Konflikt. Kann sich ein deutscher Papst auch dazu äußern?

Weisner: Ich habe das ja so entnommen, dass er schon auch den Palästinensern das Heimatrecht in einem eigenen Staat angedeutet hat, und ich denke, das ist ja auch etwas, wo die internationale Politik, auch die deutsche und amerikanische Politik hingehen. Man hat gemerkt, Israel versucht natürlich, den Papst-Besuch für seine antipalästinensische Richtung doch zu funktionalisieren, zu instrumentalisieren, und so weit man mitbekommen hat war ja ein Gottesdienst vor dieser ganz furchtbaren Sperrmauer in Bethlehem von Israel verhindert worden. Das heißt, man wird sehr darauf achten, Israel achtet jetzt sehr darauf, dass keine problematischen Bilder entstehen. Da merkt man, wie sehr auch ein Papst gefangen ist und wie sehr eine Pilgerreise auch immer eine politische Reise ist.

Engels: War es klug, in diesem Umfeld diese Reise anzutreten?

Weisner: Es gibt oder es gab Christen und Christinnen in Israel und in Palästina, die gesagt haben, nein, der Papst sollte gerade jetzt diese Reise nicht antreten, gerade jetzt auch nach den politischen Veränderungen in Israel, aber das sind natürlich jetzt, denke ich, so viele Aspekte, die da mit eine Rolle spielen, und dieser Papst ist auch nicht mehr der jüngste. Mit seinen 82 Jahren, denke ich, war es ihm ein Anliegen, auch jetzt noch mal als Papst an diese Stätten, diese Wurzeln auch des Christentums zu kommen.

Engels: Herr Weisner, sprechen wir noch ein anderes Thema an, das derzeit die deutschen Katholiken beschäftigt. Es geht um die Wahl des neuen Präsidenten des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken. Das ist ja die höchste Laienorganisation der deutschen Katholiken. Allerdings kann der Präsident nur gewählt werden, wenn zwei Drittel auch der Bischöfe zustimmen, und das haben die Bischöfe jüngst mit dem einzigen Kandidaten, Heinz-Wilhelm Brockmann, nicht getan. Können Sie sich an eine ähnliche Situation erinnern? Ist das eine Brüskierung der Laien?

Weisner: So eine Situation hat es wohl bisher nicht gegeben und da ist natürlich jetzt wirklich wieder ganz viel an Vertrauen zwischen den Bischöfen und zwischen den Gläubigen, zwischen den Laien zerschlagen. Ich denke mal auch zu dem vorherigen Thema: Die Brücke, das gemeinsame Wort heißt "Dialog". Wie weit - und das muss sich die Katholische Kirche immer mehr fragen lassen - ist die Römisch-Katholische Kirche zum Dialog bereit und zum Dialog fähig, also einmal zum interreligiösen Dialog mit dem Judentum, auch mit dem Islam, und zum anderen jetzt auch innerhalb der eigenen Kirche mit den Laien. Das ist doch ganz schwer nachvollziehbar, dass jetzt die Laien im Grunde einen Kandidaten wählen müssen von Bischofs Gnaden. Das ist nur deshalb möglich, weil natürlich dieses Zentralkomitee leider zu 90 Prozent wohl der Finanzen von den Bischöfen abhängig ist. Aber es ist natürlich auch nicht das Bischofsgeld; das sind ja unser aller Kirchensteuergelder und die Bischöfe üben hier einen ganz unsäglichen Einfluss aus und das ist nicht nachvollziehbar, denn der Kandidat Heinz-Wilhelm Brockmann ist ja seit acht Jahren Vizepräsident dieses Gremiums gewesen. Es scheint jetzt aber so, dass doch eine immer zunehmende konservative Gruppe in der Katholischen Kirche sagt, jetzt setzen wir den Riegel vor gegen einen Herrn Brockmann. Man möchte, dass die Laien nur in der Politik wirken, aber gegen jede Einmischung innerhalb der Kirche wehren sich die Bischöfe.

Engels: Extrem konservative Kräfte unter den deutschen Bischöfen sind es, denn Herr Brockmann ist immerhin CDU-Politiker und Staatssekretär. Nun hatte ja schon Kardinal Meisner, der ja zu den konservativen Kräften gehört, schon im Jahr 2002 das ZDK gegen sich aufgebracht. Mit Blick auch auf das ZDK sprach er damals von "Einrichtungen, die den katholischen Glauben verdunkeln würden". Ist das nun ein weiterer Rechtsruck, so will ich es mal nennen, innerhalb der Bischofsschaft?

Weisner: Das ist ein weiterer Rechtsruck und der wird immer noch ausgelöst, was jetzt vielleicht viele vergessen haben: die Katholische Kirche hat sich ja aus der Schwangerschaftskonfliktberatung zurückgezogen. Das haben die Laien übernommen, weil den Laien gesagt ist, wir können die Frauen in Not nicht alleine lassen, wenn sie überlegen, ob sie eine Abtreibung vornehmen oder nicht, wobei immer klar ist, dass die Abtreibung ja nicht erlaubt ist, aber sie ist zumindest straffrei. Die Katholische Kirche hat dafür gesorgt, dass in Deutschland wirklich ein weltweit einmaliges Beratungssystem aufgebaut worden ist, um gerade den Frauen in Not zu helfen. Da haben sich die Bischöfe auf Anweisung wieder Roms und Kardinal Ratzingers, dem jetzigen Papst, zurückgezogen. Diese Konflikte hängen insofern alle auch schon miteinander zusammen. Für Außenstehende sind sie vielleicht manchmal nicht so nachvollziehbar, aber innerhalb der Kirche ist der Protest riesengroß. Es ist einfach ärgerlich, wenn die Bischöfe den Laien Vorschriften machen.

Mir ist noch ganz, ganz wichtig, auch uns als Reformbewegung, dass es wirklich wieder um das Zweite Vatikanische Konzil, dieses große Reformkonzil geht. Da sind den Laien wirklich ganz starke Positionen eingeräumt worden, aber die Bischöfe versuchen, diesen Einfluss der Laien und den Dialog innerhalb der Kirche zurückzudrängen. Bloß das kann nicht sein.

Engels: Christian Weisner, Initiator des katholischen Vereins "Wir sind Kirche", der sich für Reformen in der Katholischen Kirche einsetzt. Wir sprachen über die Papst-Reise und den jüngsten Konflikt im Zentralkomitee der Deutschen Katholiken. Vielen Dank für das Gespräch.

Weisner: Auf Wiederhören.

http://www.dradio.de/dlf/sendungen/interview_dlf/963486/

Zuletzt geändert am 13­.05.2009