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Veröffentlicht am 20­.07.2009

2009 - Hermann Häring: Im Namen des Herrn

Protest an der Basis

Im 1. Abschnitt: Vom Elend der kindlichen Gesinnung. Zur Geschichte des Williamson-Eklats, wird das Engagement von Wir sind Kirche und die erfolgreiche Petition 2. Vaticanum erwähnt:

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Der Eklat vom Januar, wenige Tage vor dem Tag des Gedenkens der Opfer des Nationalsozialismus (27. Januar), hat eine unerwartete Wirkung. In Deutschland, Österreich und in der Schweiz formiert sich eine Gruppe von kritisch engagierten Katholikinnen und Katholiken neu. Seitdem spielt sie im Konflikt eine wichtige, wenn nicht gar die entscheidende Rolle. Unübersehbar ist die empörte Stimmung in vielen Gemeinden. Es ist, als wären die Vielen zu einem einzigen Aufschrei erwacht und neu zu sich gekommen. Ihre Stimme leihen dieser Empörung bald theologische Fakultäten sowie die Reformbewegung »Wir sind Kirche«, die diese Reaktionen allgemein zugänglich macht. Von besonderer Bedeutung ist eine Gruppe, die sich in einer Petition für die uneingeschränkte Geltung des 2. Vaticanum einsetzt. Sie sammelt insgesamt 50.000 Unterschriften.

Ihre Empörung über die Vorgänge konzentriert sich auf zwei Fakten: (1) Ein Holocaustleugner wird vom Papst ausdrücklich wieder in die Kirchengemeinschaft aufgenommen. (2) Die Wiederaufnahme gilt den Repräsentanten einer Gemeinschaft mit einer antidemokratischen, antiökumenischen und antijüdischen Grundhaltung, wie sie seit Jahrzehnten dokumentiert ist. Über den ersten Skandal mag man als Ergebnis einer unsäglichen Unkenntnis oder Kommunikationspanne noch hinwegsehen. Den zweiten Skandal findet man unverzeihlich, denn er lässt auf die jahrzehntelange Duldung eines inakzeptablen Zustands oder auf ein jahrzehntelanges Desinteresse daran schließen. Der Papst, so vatikanische Behörden, habe auch von dieser Grundhaltung nichts gewusst. Diese Behauptung findet man nach anfänglichem Zögern unglaubhaft und sprachlos macht die Erkenntnis, dass der Papst auch am 11. März noch kein Verständnis für die allgemeine Empörung äußert. Stattdessen gibt er sich beleidigt. Er rügt die Aggressivität der Kritiker. Er mahnt geradezu Vergebungsbereitschaft gegenüber den Piusbrüdern an. Die Kritiker kommen an ihre Grenzen, weil sie den Konflikt durch freie Rede und freie Argumentation austragen wollen. Gewiss, der Papst lässt glaubhaft verlauten, dass er die Leugnung des Holocaust für inakzeptabel hält. Deshalb gelingt es auch, die Fragen des Holocaust und des Antisemitismus selbst aus der kontroversen Diskussion zu halten. Würden nämlich jüdische Freunde zur Selbstrechtfertigung, zur Verteidigung ihrer Perspektiven oder zur massiven Papstkritik in eigenem Namen gezwungen, wäre zum Nachteil des katholisch-jüdischen Verhältnisses eine weitere Grenze durchbrochen. Wie aber kann die Kritik am Ball bleiben, die nachträgliche Glättung eines auszuräumenden Skandals verhindern und die innerkirchliche Kommunikation dennoch in Gang halten? Diese Quadratur des Kreises ist noch nicht ausgestanden. Der Papst aber ignoriert ausgerechnet die Gruppe derer, die ihm als einzige den Dienst unverstellter Wahrheit gewährt. Seinen Brief hat er - dem feudalen Stil der Kurie getreu - mal wieder an seine Brüder im Bischofsamt, nicht an seine Kritiker adressiert.
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in: Hermann Häring, Im Namen des Herrn. Wohin der Papst die Kirche führt. Gütersloh 2009, 36-38

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Zuletzt geändert am 20­.07.2009