24.7.2009 - Publik-Forum
»Es gibt ein verbürgtes Recht auf Kritik«
Von Hartmut Meesmann
Wie beurteilen Sie das Urteil der Apostolischen Signatur in Rom, nach dem Mitglieder der Wir-sind-Kirche-Bewegung im Bistum Regensburg zu Recht aus den synodalen Gremien ferngehalten werden können?
Christian Weisner: Dem Urteil liegt ein absolutistisches Kirchenverständnis zugrunde. Die katholische Gerichtsbarkeit ist mit dem heutigen Rechtsempfinden nicht zu vereinbaren. Insofern sollte man das Urteil nicht überbewerten. Man muss ja sehen, dass viele Pfarrgemeinden Probleme haben, überhaupt genügend Kandidatinnen und Kandidaten zum Beispiel für die Pfarrgemeinderäte zu finden. Kritisch-konstruktive Engagierte ganz auszugrenzen ist da kontraproduktiv.
War es falsch, dass sich der ehemalige Diözesanratsvorsitzende Fritz Wallner mit seiner Beschwerde nach Rom wandte? Das Ergebnis war ja absehbar.
Weisner: Fritz Wallner hat inzwischen selbst erklärt, dass es vielleicht doch besser gewesen wäre, den staatlichen Verwaltungsgerichtsweg zu gehen, da die Kirchenverwaltung aufgrund des bayerischen Stiftungsrechts gewählt wird.
Kritik am katholischen Rechtswesen ist das eine. Aber das Urteil steht. Andere Bischöfe können sich daran orientieren. Sie relativieren das Urteil einfach?
Weisner: Das Urteil ist ein Einzelfallurteil im Bistum Regensburg. Sollte ein anderer Bischof ähnlich verfahren, kann wieder ein Rechtsstreit geführt werden. Das im katholischen Kirchenrecht in Canon 212 gewährte Recht auf Kritik muss auch aus geübt werden dürfen. Dafür setzen wir uns ein. Ein geschlossenes System, das nicht bereit ist, Kritik von innen aufzunehmen, ist auf lange Sicht nicht überlebensfähig.
Der Kirchenrechtler Klaus Lüdicke hat kritisch angemerkt, Wir sind Kirche wolle zu viel Unrealistisches. Der Mix- an Forderungen mache »erfolglos«. Wäre weniger mehr?
Weisner: Unsere fünf Forderungen hängen innerlich zusammen und sind eine klare Antwort auf die pastoralen Herausforderungen, vor denen die katholische Kirche gerade heute steht. Die Forderung, Frauen zum Priesteramt zuzulassen, war beim Kirchenvolksbegehren 1995 die umstrittenste, erfährt aber jetzt immer mehr Unterstützung. Rom will darüber zwar kei ne Debatte, doch die Frauenfrage wird immer drängender. Deshalb können und werden wir diese Forderung nicht von unserer Liste streichen.
Es lohnt aus Ihrer Sicht auch weiter, in dieser hierarchisch-autoritären Kirche für die Kirchenreform zu streiten?
Weisner: Auf jeden Fall. Sicher gibt es Menschen, die es in der katholischen Kirche nicht mehr aushalten. Und es gibt andere Kirchen, in denen man gut Christ sein kann. Aber so groß ist der zeitliche Vorsprung der Lutheraner zum Beispiel in Sachen Frauenordination nun auch wieder nicht. Meine Hoffnung: Auch die römische Kirche hat sich im Laufe ihrer Geschichte sehr verändert. So haben Frauen dort mehr Gewicht bekommen, wenn auch noch nicht in Leitungsfunktionen. Deshalb ist unsere Arbeit so wichtig. Ohne die Vorarbeiten der Basis, der liturgischen Bewegung etwa, wäre auch das Zweite Vatikanische Konzil so nicht möglich gewesen.
Aber zurzeit ist der Kurs des Papstes innerkirchlich doch sehr restriktiv und rückwärtsgewandt?
Weisner: Gerade vor diesem Hintergrund nimmt die Vernetzung an der Basis zu, Die Konzilspetition hat international neue Kontakte zu Theologinnen und Theologen gebracht. Auch die Verbindungen zu den Orden sind intensiver geworden. Der Konflikt um die »erneuerte« Karfreitagsfürbitte und um die Piusbrüder hat viele Katholikinnen und Katholiken aufwachen lassen. Das alle, wird auf Dauer nicht wirkungslos bleiben.
In der evangelischen Kirche gibt es inzwischen Stimmen, die auch dort eine Wir-sind-Kirche-Bewegung fordern (siehe Seite 40). Wie stehen Sie dazu?
Weisner: Das freut uns. Das zeigt, dass die Mündigkeit unter Christinnen und Christen wächst und sie für den Glauben selbst Verantwortung übernehmen. Das Netzwerk Kirchenreform ist ja eine Antwort auf die Strukturveränderungen von oben in den evangelischen Landeskirchen.
Gibt es eine strategische ökumenische Zusammenarbeit bei der Basisbewegungen?
Weisner: Wir lernen voneinander und kooperieren zum Beispiel bei Veranstaltungen auf dem Zweiten Ökumenischen Kirchentag im kommenden Jahr in München.
Christian Weisner
geboren 1951, ist Städteplaner und einer der Initiatoren der Kirchenvolksbewegung »Wir sind Kirche«
Zuletzt geändert am 28.07.2009