November 2009 - Kirche In (Kolumne "Unzensiert")
Keine Seligsprechung ohne Knochen
Die Kamera schwenkte beim Akt der Seligsprechung zwischen einem Bild Kuglers, Erzbischof Amato, Vertreter Papst Benedikts XVI. und dem Schrein mit den Gebeinen hin und her. Diese waren Ausgangspunkt der Predigt Bischof Müllers: Müssen bei einer Seligsprechung ,wirklich auch die Knochen dabei sein? Ja, so -Müller, da der christliche im Gegensatz zum atheistischen Materialismus der bessere sei „weil wir an die Vollendung der Materie und damit auch an die Verherrlichung des Leibes bei der Auferstehung der Toten glauben." Folglich wurden also die Gebeine noch einmal ausgegraben, zuerst zusammengesetzt (alles genau in der Predigt geschildert) und dann wieder zerlegt in dem Schrein aufgebahrt. Sowohl Begründung als auch Konsequenz mögen sich daraus wem auch immer erschließen, mir jedenfalls nicht! Ist angesichts der Jesusworte „lass die Toten ihre Toten begraben" (Matth 8,18) und „Der Geist ist es, der lebendig macht; das Fleisch nützt nichts. Die Worte, die ich zu euch gesprochen habe, sind Geist und sind Leben." Joh 6,63) der Knochenkult tatsächlich angebracht?
Selig- und Heiligsprechungen können auch heute wertvolle Zeichen in die Welt hinein sein. So wünschen sich viele z.B. die Seligsprechung Oscar Romeros. Fragwürdig erscheint aber die mittelalterlich anmutende Wunder- und Reliquienfrömmigkeit. Noch eine Frage stellt sich: Können wirklich nur Priester, Ordensleute und Jungfrauen so heiligmäßig leben, dass sie selig und heilig gesprochen werden, oder liegt es vielleicht nur an der falschen Lobby; wenn Familienväter und -mütter bisher nur durch Nikolaus von Flüe vertreten werden?
Sigrid Grabmeier
Wir sind Kirche Deutschland
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Zuletzt geändert am 14.11.2009