27. Mai 2006 - Mittelbayerische Zeitung
Wenn auf der Kirchenmeile friedlich gestritten wird
Von Christoph Klöckner, MZ
SAARBRÜCKEN. Wenn ein Bischof mit seinem roten Pileolus – seinem Käppchen – in die Menge winkt, um es schließlich dem kleinen Jungen neben ihm aufzusetzen und dabei schwungvoll hin- und herwippt zum ghanaischen Liedruf des deutsch-afrikanischen Chores in seinem Rücken – dann kann nur eines sein: Katholikentag. Seit Mittwoch feiern rund 40000 Gäste in Saarbrücken die Vielfalt des Glaubens, der sich an Christi Himmelfahrt auf dem Schlossplatz in der Saarmetropole beim großen Familiengottesdienst mit rund 6000 Besuchern in einem bunten Miteinander manifestierte. Trotz Nieselregens sprang der Funke von der Bühne schnell – dank fröhlich-begeisternder Chormusik – auf die Massen über.
Auch das Wetter schien das gemeinsame Gottesdienst-Erlebnis nicht zu trüben. „Noch ein paar Halleluja und wir können uns in die Augen sehen“, so der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode in Anspielung auf die Regenschirme. Und wirklich– bis zum Ende der Messe blieben die Himmelsschleusen geschlossen, um das Versäumte später massiv nachzuholen.
Daher litt der Katholikentag an diesen ersten Tagen vor allem bei den Veranstaltungen im Freien an Besuchermangel. Etwa bei den zahlreichen Konzerten oder auch auf der „Kirchenmeile“, der mehrere Kilometer langen Fußgängerzone, wo sich katholische, evangelische und jüdische Gläubige oder sonst wie in Sachen Religion Engagierte präsentieren wollen. Gerade hier zeigt sich die Vielfalt des Glaubens, wird Glaube verteidigt, Skurriles beworben und Bekanntes neu vermittelt. Vom einzelnen Eiferer gegen die Einflüsse des Satans bis hin zur Bewegung für eine Vereinigung aller Religionen ist hier die gesamte Bandbreite katholischer Toleranz der Kirchentags-Organisatoren zu sehen.
Mittendrin etwa steht das Beichtmobil von Pater Hermann-Josef Hubka, ein umgebauter VW-Bus, der in der Fußgängerzone zum Sündenbekenntnis lockt. „Die ganze Palette menschlichen Daseins begegnet einem hier in den Gesprächen“, sagt er, der hier für den Verein Kirche in Not/Ostpriesterhilfe parkt. Oft kämen die Leute unvermittelt in sein Beichtmobil und würden die Chance nutzen, sich die Sorgen vom Leib zu sprechen. Grundfragen des Lebens behandelt er, während ein wenig weiter ums Leben gerungen wird. Die Positionen der katholischen Schwangerschaftsberatung von donum vitae und der des Vereins „Aktion Lebensrecht für alle“ werden hier unüberhörbar ausgetauscht. Auf beiden Seiten wird friedlich, aber bestimmt, ausgefochten, wer Recht hat oder nicht.
Dabei heißt das Thema des Katholikentages doch „Gerechtigkeit vor Gottes Angesicht“. Vielfach geht es in den Gesprächen an den Ständen ums Recht haben. Da wirbt der Verein der verheirateten Priester für das Recht, auch als Geistliche zwischenmenschliche Liebe – ob homo- oder heterosexuelle – ausleben zu dürfen, während ein Besucher am Stand vehement dazu auffordert, dass die Menschen ihre Bedürfnisse zurückstellen und von dieser „Sünde“ ablassen sollten.
Und auch Regensburgs Bischof Gerhard Ludwig Müller begegnet einem im Getümmel der Argumente, obwohl er durch eine Firmung an der Teilnahme am Katholikentag verhindert ist. Plötzlich lächelt er von einem übergroßen Bild inmitten glücklicher Kinder und Erwachsener aus dem Stand der Stiftung Familien mit Christus, die in Hohenthann Zuhause ist und sich für katholische Familienarbeit stark macht.
Ein zweites Mal t aucht der Bischof noch auf. Im Zelt der Organisation „Wir sind Kirche“ spricht Dr. Johannes Grabmeier vom aufgelösten Diözesanrat Regensburg über die Rätereform des Regensburger Oberhirten. So bunt geht es auf der Kirchenmeile in Saarbrücken zu.
Zuletzt geändert am 27.05.2006