24.0502006 - Stuttgarter Zeitung
Der Rebell bleibt im Abseits
Fast 25 000 Dauerteilnehmer kommen, das halbe Bundeskabinett und viele Ministerpräsidenten machen ihre Aufwartung. Die Veranstalter des Saarbrücker Katholikentages sind schon jetzt mit der Resonanz zufrieden. Die parallel stattfindende Reise des Papsts schmerzt aber ein wenig.
Von Michael Trauthig
Gewöhnlich lässt sich der Vatikan nicht und nur sehr ungern von einmal gefassten Vorsätzen abbringen. Doch bei König Fußball scheint auch der Papst eine Ausnahme zu machen. Die WM in Deutschland ist Benedikt wichtig genug, um seine ursprünglichen Reisepläne über den Haufen zu schmeißen. Eigentlich wollte das Kirchenoberhaupt erst im Juni nach Polen reisen. Nun wandelt er just zum Zeitpunkt des heute beginnenden Katholikentages auf den Spuren seines Vorgängers.
Weil der Bayer den Fußball so sehr mag, wie die "Bild" meinte? Oder weil man es im Vatikan zumindest billigend in Kauf nimmt, dem Treffen der Basis in Saarbrücken die Schau zu stehlen? "Es ist zu befürchten, dass hier die Geringschätzung Ratzingers gegenüber den Laienräten durchscheint", sagt zum Beispiel Christian Weisner von der Reformgruppe "Wir sind Kirche". Mancher Bischof könne nicht an die Saar kommen, weil er den Papst begleitet. Auch die Aufmerksamkeit der Medien werde geteilt.
Die Macher des Christentreffens geben sich gleichwohl gelassen. "Wir haben uns das nicht gewünscht, sehen es aber nicht dramatisch", sagt der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Hans Joachim Meyer. Er kann sich zumindest damit trösten, dass erstmals ein deutscher Papst seine Grüße übermittelt. Mit der Botschaft Benedikts und einem feierlichen Gottesdienst wird das Treffen unter dem Motto "Gerechtigkeit vor Gottes Angesicht" heute eröffnet.
Anschließend folgen bis zum Sonntag rund 1000 Veranstaltungen. Dabei werden sowohl drängende gesellschaftspolitische Fragen - von der Generationsgerechtigkeit bis zur europäischen Einigung - besprochen und kirchliche Themen - wie Priester- oder Geldmangel - aufgegriffen. Daneben gibt es reichlich spirituelle Angebote, vom Gottesdienst über die Meditation bis hin zur konkreten Lebenshilfe in Ehe- und Erziehungsfragen.
Zu den Publikumsmagneten der alle zwei Jahre stattfindenden Katholikentage zählen gewöhnlich die Auftritte der Politprominenz. Die Bundeskanzlerin will mit Jugendlichen über Europa diskutieren, Bundespräsident Horst Köhler erörtert ebenso wie der neue SPD-Chef Kurt Beck die Folgen der Globalisierung. Österreichs Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und Luxemburgs Ministerpräsident Jean-Claude Juncker zählen überdies zu den insgesamt 900 internationalen Gästen. "Ich erwarte, dass der Katholikentag vor allem zeigt, wie vielfältig das Leben der Laien in der Kirche ist", sagt Weisner zu der Veranstaltung mit einem 6,7-Millionen-Euro-Etat.
Das gemeinsam mit dem Bistum Trier federführende Zentralkomitee betont dagegen besonders die europäische Ausrichtung des Großereignisses in der deutsch-französischen Grenzregion. Dieser Veranstaltungsort ist übrigens eine Premiere in der mehr als 150-jährigen Geschichte des Katholikentags.
Innerkirchlichen Zündstoff scheinen die Verantwortlichen allerdings beiseite geräumt zu haben. So sucht man im 576 Seiten dicken Programmheft die Namen prominenter Kirchenkritiker wie Hans Küng oder Eugen Drewermann vergebens. Ein anderer wurde sogar zur unerwünschten Person erklärt. Der emeritierte Professor Gotthold Hasenhüttl, der auf dem ökumenischen Kirchentag auch Protestanten zur Eucharistie eingeladen und damit römische Regeln verletzt hatte, wird deshalb nur am Rande auftreten.
Zuletzt geändert am 30.05.2006