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Veröffentlicht am 25­.01.2011

25.1.2011 - Süddeutsche Zeitung

Thema des Tages: Lasset uns reden!

Die Kirche und der Zwang zum Zölibat

Wer zum Priester geweiht werden will, muss sich zu lebenslanger Ehelosigkeit verpflichten – implizit also auch dazu, enthaltsam zu leben. Ein hoher Anspruch, dem nicht alle gerecht werden, und eine hohe Hürde. Kritiker des Pflichtzölibats machen ihn dafür verantwortlich, dass die katholische Kirche an einem dramatischen Priestermangel leidet. Seit Jahrzehnten flammt die Debatte über den Zölibat deshalb immer wieder auf. In der Erzdiözese München und Freising wird inzwischen sogar von Amtsträgern relativ offen über den Sinn der erzwungenen Ehelosigkeit diskutiert. Ihre Verteidiger halten dagegen: Zölibatär lebende Priester könnten viel eher „Salz in der Suppe“ sein, wie es in der Bibel heißt.
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In Freising fordert die versammelte Priesterschaft, den Zölibat zu überdenken, in Dachau tut dies sogar ein Weihbischof – warum nun möglich ist, was vor kurzem noch undenkbar war

Von Monika Maier-Albang

Auf den ersten Blick hatte sich die „Arbeitsgruppe 8“ einen unverfänglich klingenden Titel gegeben: „Kirche – Ort vielfältiger Lebensformen“. Doch eines der „pastoralen Ziele“, die die Arbeitsgruppe vor Weihnachten dem Münchner Erzbischof Reinhard Marx unterbreitete, hat es in sich: Das Erzbistum solle ein unabhängiges Institut damit beauftragen, alle Priester des Erzbistums zu ihrem „zölibatären Lebensstil“ zu befragen – anonym selbstverständlich. Die Frage also würde lauten: Wie hältst Du es mit der Enthaltsamkeit? Das Ergebnis wäre vermutlich brisant. Man darf davon ausgehen, dass es eine solche Umfrage nie geben wird.

Dass es überall Priester gibt, die ein Doppelleben führen, die eine Freundin oder einen Freund haben, wissen alle im katholischen Milieu. Nur spricht man darüber höchstens im privaten Kreis. Denn sobald eine solche Partnerschaft öffentlich wird, muss der Bischof reagieren und der Priester muss wählen zwischen Amt und Partner. Immer wieder lassen sich Priester, die dieses Doppelleben nicht mehr aushalten, vom Amt entbinden – mit ungewissen Zukunftschancen. Andere halten den Schein aufrecht, und oft sind es die Frauen, die darunter am meisten leiden. Erhebungen darüber, wie viele Priester den Zölibat halten, gibt es im deutschsprachigen Raum nicht. In den USA indes hat der frühere Priester und Psychologe Richard Sipe in 1990er Jahren Daten veröffentlicht, die auf der Befragung von 1500 Priestern beruhen. Demnach hat ein Fünftel von ihnen sexuelle Beziehungen zu einer Frau; weitere 20 Prozent sind homosexuell orientiert, die Hälfte von ihnen ist sexuell aktiv.

Der Pflichtzölibat ist ein Dauerthema in der katholischen Kirche. Bereits bei der Würzburger Synode, die vor genau 40 Jahren begann, stand es auf der Agenda. Doch alle Appelle aus Deutschland verhallten in Rom. Die Kirchenvolksbewegung „Wir sind Kirche“, von vielen Bischöfen als Sektierer belächelt, überreicht seit Jahren Unterschriftenlisten mit der Bitte um Reformen. Unterzeichnet haben Zehntausende – bislang wurde die Stimme des Volkes nicht gehört.

Nun aber, nach den Missbrauchsskandalen des vergangenen Jahres, bahnt sich eine neue Diskussion an. Sie könnte heftiger werden denn je zuvor, denn auch unter den Bischöfen haben manche erkannt, dass die Kirche sich bewegen muss, will sie weiter ernst genommen werden. Was noch vor kurzem undenkbar schien, ist jetzt möglich, etwa dass in einem Dekanat fast die gesamte Pfarrerschaft eine Erklärung verabschiedet, die in zwei „Forderungen nach Rom“ gipfelt. So geschehen in Freising, wo fast 40 Seelsorger, aufgewühlt durch die Missbrauchsfälle, Reformen sehen wollen. „Zwar gibt es keinen direkten Zusammenhang zwischen Pflicht-Zölibat und sexuellem Missbrauch“, schreiben sie, „aber im Sinne von Wahrhaftigkeit und Glaubwürdigkeit der Kirche muss ernsthaft überlegt werden, inwieweit die derzeitige obligatorische Verbindung von Priesteramt und Zölibat gelöst werden soll. Neben der Weihe von verheirateten Männern sind auch die Fälle jener Priester zu berücksichtigen, die faktisch in einer Beziehung leben.“ Mitformuliert hat die Freisinger Thesen der dortige Dekan Michael Schlosser.

Was für ein Kontrast: Vor gerade mal 15 Jahren schlug die Geburtsstunde von „Wir sind Kirche“ – in Form einer Unterschriftensammlung. Mancherorts wurden die Listen damals noch aus Kirchen und Pfarrheimen verbannt.

Den vielen Katholiken, die sich Reformen wünschen, haben vergangene Woche auch prominente CDU-Politiker eine Stimme gegeben. An die deutschen Bischöfe appellierten sie, angesichts des Priestermangels und der „Not vieler priesterloser Gemeinden“ in Rom vorstellig zu werden. Der Altabt der Benediktiner, Odilo Lechner, hat anlässlich seines 80. Geburtstags wiederholt, was er vor Jahren schon bekundet hat: Die Ehelosigkeit von Priestern als Zeichen, „dass man ganz für Gott da ist“, habe einen hohen Wert, aber der Zölibat sei kein unumstößliches Dogma. Gebe es nicht mehr genügend Priester, um die Eucharistie zu feiern, müsse man eben Laien berufen. Die Mehrheit des Kirchenvolks und der Priester, da ist Lechner sich sicher, denke ähnlich. Das tun ja selbst Bischöfe: Der für den Norden der Erzdiözese zuständige Weihbischof Bernhard Haßlberger hat in der vergangenen Woche vor Schülern im Landkreis Dachau Farbe bekannt: Gäbe es den Zölibat nicht, hätte die Kirche mehr Priester und ein Problem weniger!

Davon ist auch der Vorsitzende des Münchner Katholikenrats, Uwe Karrer, überzeugt. Schon im Herbst hatte er beim Jahresempfang des Ehrenamtlichen-Gremiums über die Missbrauchsfälle gesprochen und die Demotivation, die er bei vielen Ehrenamtlichen spürt. Auch ihm sei es ein Rätsel, warum seine Kirche einerseits verheiratete evangelische Pfarrer aufnimmt, den eigenen die Familie aber verwehrt. „Ein Kirchenrechtler wird mir das sicher erklären können, aber: Verstehen muss ich das nicht.“ Er wünsche sich vor allem „gscheide Pfarrer, gerne verheiratet, gerne mit Kindern, gerne auch eine Diakonin oder Pfarrerin.“ Nur, ob die Gemeinden überall das mittragen würden, da ist auch Karrer skeptisch. Schließlich gibt es in der Kirche auch einen starken beharrenden Flügel. Dass erst die Missbrauchsfälle eine breite Diskussion über den Zölibat anstoßen konnten, habe ihn überrascht und frustriert, sagt Karrer. „Es gibt einem das Gefühl: Da arbeitet man als Ehrenamtlicher brav mit, kann aber nur mühsam in kleinen Schritten etwas verändern und dann kommt ein Skandal und massiver öffentlicher Druck, und plötzlich kommen die Dinge richtig in Bewegung.“ Aber, so darf man Karrer wohl verstehen, besser jetzt als nie: „,Alles hat seine Zeit‘, heißt es in der Bibel und vielleicht ist jetzt die Zeit bei uns so weit.“

Aber ist sie es tatsächlich? Derzeit tagt der Ständige Rat der Deutschen Bischofskonferenz im unterfränkischen Kloster Himmelspforten. Mit einem „symbolischen Weckruf“ haben Mitglieder der Kirchenvolksbewegung die Bischöfe dort empfangen: Bei der Durchfahrt der Dienstfahrzeuge ließen sie einen Gong ertönen und hielten Transparente hoch mit Aufschriften wie: „Bischöfe, sprecht mit uns, nicht zu uns“ oder „Reformdialog! Wovor habt ihr Bischöfe Angst?“

Die aber wollen es besonnen angehen lassen: „In den kommenden Jahren“, ließ die Bischofskonferenz am Wochenende wissen, werde man all die „Anregungen zur Weckung von mehr Priesterberufen neu bedenken können“. Wenn Papst Benedikt XVI. Deutschland besucht, solle der Zölibat keine Rolle spielen.


Zwischenüberschriften
Überall gibt es Pfarrer, die ein Doppelleben führen – nicht alle halten das aus.

„Erst geht alles nur mühsam voran, dann bringt ein Skandal plötzlich Bewegung hinein.“


Bildunterschrift
Was waren das für Zeiten: Joseph Ratzinger, heute Papst Benedikt XVI., wurde im Jahr 1951 in Freising zum Priester geweiht – zusammen mit 43 anderen jungen Männern. Heute ist die Erzdiözese schon froh, wenn sich pro Jahr ein halbes Dutzend Weihekandidaten findet.





„Ein Stachel im Fleisch der Gesellschaft“
Priesterseminar-Leiter Franz Joseph Baur hält die Ehelosigkeit für ein Qualitätsmerkmal und einen Ausweis der Ernsthaftigkeit.

„Wir sind Hundertprozentige, ein bisschen radikal auch und kompromisslos.“

Herr Baur, kann man im Priesterseminar jemanden überhaupt darauf vorbereiten, ein Leben lang zölibatär zu leben?

Lebensentscheidungen sind heute – ob bei Partner oder Beruf – insgesamt fragiler und schwerer durchzuhalten, weil sie weniger Unterstützung in der Gesellschaft erfahren. Trotzdem: Ja. Man kann ihn darauf vorbereiten, eine solide Entscheidung zu treffen. Dazu gehört, dass er sich selbst gut kennenlernt und die Umstände realistisch bedenkt.

Wie machen Sie das konkret?

Wir sprechen die verschiedenen Seiten des Zölibats klar an, die menschlichen, die kirchlichen. Da holen wir auch immer wieder psychologische Experten als Referenten ins Haus. Wichtig ist aber vor allem, dass wir hier über Jahre hinweg Einzelcoaching betreiben können. Wir fragen den Kandidaten immer wieder, wie es ihm damit geht, dass er jetzt schon, in der Seminarzeit, zölibatär lebt. Ob er die Einsamkeit kennt und wie er damit umgeht. Ob er, wenn Schulfreunde zum Beispiel heiraten und Kinder bekommen, auch ehrlich und echt Anteil nehmen kann.

Sie sprechen das in Vier-Augen-Gesprächen an?

Wir haben jedes Semester ein sogenanntes Standortgespräch, das mache ich oder mein Stellvertreter. Und es gibt den Beichtvater, den der Seminarist sich selber aussucht. Bei ihm kann er das in noch größerer Freiheit ansprechen, weil die Dinge dort keine unmittelbaren Konsequenzen von Seiten des Chefs nach sich ziehen.

Welche Ängste und Sorgen begegnen Ihnen in diesen Gesprächen?

Vor allem die Sorge vor dem Alleinsein. Gleichzeitig hört man im ganzen pastoralen Betrieb ja stets die Klage, dass man Zeit für sich braucht, um sich zu regenerieren und aufzutanken. Das kann ich zusammenbringen und sagen: Schaut, diese Zeiten haben wir – vielleicht sogar leichter als einer, der sich, wenn er heimkommt, noch um Kinder kümmern und sorgen muss. Wichtig ist, diese Zeiten gut zu gestalten, am freien Montag, den die meisten Priester haben, die schönen Dinge des Lebens zu pflegen, sich zu verabreden, Kontakte zu halten.

Stichwort Alleinsein: Stimmt es, dass es zunehmend Priester-WGs gibt? Das Reden darüber, dass man in einer WG leben will, nimmt stark zu. Wenn der Plan, verbindlich und dauerhaft in einem Pfarrhaus zusammenzuleben, aber konkret wird, schrecken dann doch viele zurück. Bei der Vermittlung von Kaplansstellen zum Beispiel sagen die Leute oft: Ach, eine eigene Wohnung ist mir lieber. Da sind sie ganz Kinder unserer Zeit und schätzen die Unabhängigkeit. Es gibt aber zunehmend Gruppen von Priestern, die sich montags treffen oder gemeinsam in Urlaub fahren. Und üblich ist auch, dass der Pfarrer mit seinem Kaplan oder Praktikanten unter einem Dach lebt – zeitlich begrenzt also.

Ist der Zölibat ein Grund für den großen Priestermangel?

Ich kenne einzelne Leute, die gerne Priester geworden wären, aber vorgezogen haben zu heiraten. Insofern ist der Zölibat bei einzelnen sicher ausschlaggebend. Aber der Priestermangel hat andere Gründe: Die Gesellschaft wird vielfältiger, das Christentum, das Katholische, stellt nicht mehr automatisch für alle das eigentlich Normale dar. In diesem Pluralismus müssen wir uns zurechtfinden, dabei knirscht’s halt hier und da. Kirchliches Leben spielt sich nicht mehr in dem einheitlichen Milieu ab, das sich selbst rekrutiert und Nachwuchs hervorbringt.

Die Männer, die Sie eben angesprochen haben – wären die denn nicht auch verheiratet gute Seelsorger geworden?

Bei vielen einzelnen kann ich mir das durchaus vorstellen. Wenn man das aber pauschal freigibt, befürchte ich zum einen, dass der zölibatäre Seelsorger mit seiner Freiheit und seinem persönlichen Engagement unter Druck geraten, zu einer vielleicht skurrilen Figur werden und aussterben würde. Zum anderen ist der Zölibat eine hohe Hürde, für die man viel geistlichen Schwung braucht, um hinüberzuspringen. Man müsste dann also andere, ziemlich hohe Hürden einbauen. Wenn man sich evangelische Pfarrhäuser ansieht oder pastorale Berufe, die für Verheiratete offenstehen: Das ist alles gut und schön, aber Priester sind Hundertprozentige, ein bisschen radikal auch und kompromisslos, sie stellen sich einen Schritt aus der Welt hinaus, machen etwas ganz Besonderes – dieses Salz in der Suppe würde mir dann fehlen.

Man könnte in Ausnahmefällen Verheiratete, die sogenannten viri probati, zum Priesteramt zulassen.

Es gibt sie in der Ostkirche, auch bei konvertierten Anglikanern – ich glaube, dass man frei darüber reden kann, welche Arten von Ausnahmen und Experimenten sinnvoll sind, auch bei uns.

Die Zölibatsdebatte hat wegen der Missbrauchsskandale neuen Schwung bekommen. Ärgert Sie diese Verknüpfung?

Alle Experten haben gesagt: Der Missbrauch und der Zölibat haben nichts miteinander zu tun. Leider ist das öffentlich nicht durchgedrungen; stattdessen wurde es von interessierter Seite immer wieder in Zusammenhang gebracht. Das stört mich, aber ich kann damit leben. Der Zölibat ist ein Stachel im Fleisch der heutigen Gesellschaft, das soll er auch sein, das will ich auch. Er ist auch ein Ausweis der Ernsthaftigkeit der Priesterkandidaten, ohne diese anderen absprechen zu wollen. So müssen sie klar Stellung beziehen und sich sehr gründlich überlegen, was sie tun.

Interview: Kassian Stroh

Franz Joseph Baur, 43, hat in Rom Theologie studiert und wurde dort 1993 zum Priester geweiht. Seit Mai 2000 leitet er das Priesterseminar der Erzdiözese.





Zweifel und Zustimung
SZ-Landkreisausgabe Dachau
Die Meinungen im Landkreis Dachau sind geteilt


Dachau – Die Äußerung des Weihbischofs Bernhard Haßlberger zur Liberalisierung des Zölibats hat einige Pfarrer im Landkreis erfreut. Josef Mayer, Pfarrer am Petersberg, sagt, es gebe sicher Gründe, warum die Kirche an der Ehelosigkeit festhalten wolle. Doch bewege ihn seit vielen Jahren, wie man mit Priestern umgehe, die den Zölibat gebrochen hätten. „Haben sie es verdient, wenn sie wegen eines Einbruchs in ihrer Lebensgeschichte keinen Arbeitsplatz mehr in der Kirche haben können?“, fragt Mayer. Die Bibel zeige andere Wege der Versöhnung. Würde sich die katholische Kirche mehr öffnen für Priester in Krisensituationen, und auch für verheiratete ehemalige Priester Wege erschließen, würde sie sich glaubwürdiger machen.

Pater Cornelius Heinrich Denk von der katholischen Pfarrei Heilig Kreuz in Dachau findet die Äußerung Haßlbergers „sehr mutig“. Vor einer 10. Schulklasse in Weichs hatte der Weihbischof dafür plädiert, dass auch Priester Familien gründen können (wir berichteten). Dazu sagt Pater Denk: „Das Thema treibt die Menschen um. Es wird immer wieder auf die Tagesordnung kommen.“ Seiner Ansicht nach hat die Ehelosigkeit Vorteile. Es bleibe mehr Zeit für die Seelsorgearbeit. Doch könne er es verstehen, wenn es einem Priester im Laufe der Jahre schwerfallen würde, den Zölibat durchzuhalten. Wenn dieser Priester, der wertvolle Arbeit leiste, dann seinen Dienst quittiere, sollte man kompetent darüber reden können, wie man ihn in der Seelsorgearbeit halten könne.

Ähnlich sieht das Johann Löb, Pfarrer von Sankt Josef in Karlsfeld. Der Zölibat sei kein unveränderliches Gebot. Doch sieht er „praktische Schwierigkeiten“. Jetzt sei sein Tag ruhiger, aber früher, „da wäre mir eine normale, moderne Frau davongelaufen“. Ein Pfarrer habe keine 40-Stunden-Woche, sondern sei immer im Dienst. Es gebe kaum Gelegenheit für gemeinsame Unternehmungen.

Der evangelische Pfarrer Thomas Körner von der Dachauer Friedenskirche hat den Bericht über Haßlbergers Besuch in Weichs gerne gelesen. „Es freut mich, dass der Weihbischof das nicht nur denkt, sondern auch gesagt hat.“ Für seine katholischen Kollegen fände es Körner schön, wenn der „Zwangszölibat“ aufgehoben werden würde. Auch Erzpriester Antonios Vichos von der Griechisch-Orthodoxen Pfarrgemeinde Heilig Stephanos zu Dachau würde das begrüßen. In der orthodoxen Kirche dürfen Priester vor ihrer Weihe heiraten. Die Gemeindemitglieder erlebten die Präsenz der Familie des Priesters als Segen, sagt Vichos. So könnte auch die katholische Kirche das Potenzial ihrer verheirateten Theologen ausschöpfen.

Robert Krieger, Pfarrer von Sankt Anna in Karlsfeld, nimmt das Eheverbot für Priester als unumstößliche Regelung der Kirche hin. „Das ist halt so.“ Die Diskussion darüber hält er für müßig. Wichtiger ist es seiner Ansicht nach für die Einheit der Christen zu beten.

Daniela Gorgs





SZ-Landkreisausgabe Wolfratshausen:
Vom Dienst ferngehalten


Hochschulrektor Bily hofft auf Rückkehr suspendierter Pfarrer

„Der Zölibat ist eine kirchenrechtliche Verfügung, die aufgehoben werden kann.“

Von Felicitas Amler

Benediktbeuern – Zwei Sätze umspannen die Meinung von Lothar Bily zum Zölibat: „Man sollte ihn aufheben.“ Und: „Man darf sich keine Wunder davon erwarten.“ Der Salesianer-Pater, der die Philosophisch-Theologische Hochschule in Benediktbeuern leitet, sieht im Pflichtzölibat „keinen wesensnotwendigen Bestandteil für das Welt-Priestertum“. Denn der Zwang zur Ehelosigkeit sei das Ergebnis einer kirchengeschichtlichen Entwicklung. Und die hält der Hochschulrektor durchaus für umkehrbar. Bily ist für seine eher liberalen Ansichten in der katholischen Kirche bekannt. So sind von ihm schon mal Sätze zu hören wie: „Dass alle strammstehen, wenn aus Rom etwas verlautbart wird, das läuft in der katholischen Kirche nicht mehr.“ Im Zusammenhang mit der Wiedereingliederung der erzkonservativen Pius-Bruderschaft sagte der Inhaber des Lehrstuhls für Fundamentaltheologie in Benediktbeuern: „Es ist unverständlich, dass eher links stehende Theologen für Kleinigkeiten gerügt werden, und nach rechts wird eine Autobahn gebaut.“

Den Zölibat bezeichnet Bily als „kirchenrechtliche Verfügung, die jederzeit aufgehoben werden könnte – und auch aufgehoben wird“. Dies geschehe, wenn ein verheirateter Priester von einer anderen Konfession in die katholische wechsle. Allerdings stellt der Pater in Frage, ob eine Abschaffung des Zölibats prompt dazu führen würde, dass eine Menge von Männern doch Priester werden wollten. Für entscheidender hält er, dass es Tausende Priester gebe, die wegen einer Verheiratung vom Dienst suspendiert sind. Und die könnten bei einer Beseitigung des Zölibats sofort wieder in ihrem Beruf arbeiten: „Die Priesterweihe ist schließlich ein unauslöschliches Sakrament.“ Bily macht dabei auch auf einen wirtschaftlichen Aspekt des Themas aufmerksam. Er sei schon häufig von Leuten aus der Wirtschaft darauf angesprochen worden: Kein Unternehmen könnte es sich leisten, gut ausgebildete Mitarbeiter von der Arbeit fernzuhalten.

Bily hat allerdings einen ganz anderen Grund, die Abschaffung des Zölibats zu fordern: das „Charisma“ der Ehelosigkeit – theologisch versteht man darunter die durch den Geist Gottes bewirkten Gaben und Befähigungen des Christen. Der Zölibat würde, so der Pater, als freiwillige Selbstverpflichtung einzelner Priester viel stärker zum Ausdruck kommen: „Der Charakter einer besonderen Berufung könnte noch klarer hervortreten.“

Im Übrigen warnt der Hochschulrektor davor, sich zu viel von einem Ende des Zölibats zu erwarten. „Man tauscht manchmal ein Problem gegen ein anderes ein“, sagt er. So wäre mit der Möglichkeit zu heiraten auch die zu Scheidung und Wiederverheiratung gegeben – und dann müsste ein Priester doch wieder aus dem Dienst ausscheiden. Denn eine zweite Heirat sei nicht einmal Laien-Mitarbeitern der katholischen Kirche erlaubt.
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SZ-Landkreisausgabe Starnberg:
Kein Allheilmittel

Ein engagierter Laie und ein Theologe zum Zölibat

Priestermangel ist nicht das Entscheidende.

Von Gerhard Summer

Gauting/Tutzing – Für Nobert Lammert (CDU) ist die Sache klar: Wenn die Amtskirche zögere, das Zölibat abzuschaffen, „dann müssen es eben engagierte Laien tun“, sagte der Bundestagspräsident. Mit seiner Forderung rennt er nicht überall offene Türen ein. Der Jurist und CSU-Gemeinderat Ernst Lindl aus Tutzing beispielsweise ist ein engagierter Laie. Er gehört der Kirchenverwaltung der Pfarrei St. Joseph an; sein Bruder Ulrich ist Stadtpfarrer von Weilheim. Doch Ernst Lindl findet, dass Lammert nicht unbedingt berufen sei, über derlei Fragen ex cathedra zu befinden, und dass es sehr wohl eine biblische Begründung für das Zölibat gebe. Die Apostel, die Jesus nachfolgten, hätten nämlich ihre Familien hinter sich gelassen, „wie auch immer man das werten mag“.

Tatsächlich sei das Eheverbot für Priester, wenn es richtig gelebt werde, eine Stärke der katholische Kirche. Denn es bedeute die „eindeutige Entscheidung für eine Aufgabe im Leben“. Das sei etwas anderes als bei einem evangelischen Pfarrer, „der nebenbei seine Familie unter einen Hut bringen muss“, sagt Lindl.

Zugleich könne das Zölibat eine Schwäche sein. Denn dieses hohe Maß an Konsequenz mache die Geistlichen angreifbar, zumal „es Fälle gibt, in denen das Zölibat nicht gehalten werden kann“. Lindl glaubt dennoch nicht, dass sich die Glaubenskrise durch die Aufhebung des Eheverbots beseitigen lässt. „Sich einzubilden, das sei es, woran die katholische Kirche heute krankt, und dass danach alles gut ist, ist ein großer Schmarrn und Irrglaube.“ Aus seiner Sicht wäre es eher an der Zeit, die Pfarrer von ihren organisatorischen Aufgaben zu entlasten. Er sehe das an seinem Bruder: Der führe gleichsam ein mittelständisches Unternehmen – eine klassische Großpfarrei mit fünf Kirchen. Geistliche müssten aber wieder mehr Zeit für „spirituelle Dinge“ haben.

Günther Lohr selbst stand nie vor der Entscheidung, Priester zu werden. Der frühere Industriekaufmann hatte Theologie in München und Würzburg studiert und von Anfang an den Beruf des Pastoralreferenten gewählt, wie er sagt. Bis 1992 war er in dieser Funktion in Gauting; inzwischen leitet der 59-Jährige den Fachbereich Exerzitien in der Erzdiözese München und Freising. Er erinnert sich sehr wohl an Studienkollegen, die wegen des Zölibats Abstand davon nahmen, Priester zu werden. Und aus seiner Sicht ist es auch „sehr, sehr unerquicklich und für die Menschen nicht mehr erklärlich“, dass die Kirche in dieser Frage immer wieder Diskussionen und Entscheidungen verspreche, die dann ausbleiben. Der Priestermangel der katholischen Kirche ist für Lohr dabei nicht das Entscheidende: Es gehe schlicht darum, wie man eine christliche Gemeinde verwirklichen sollte, sagt er und plädiert für ein Miteinander von verheirateten und im Zölibat lebenden Priestern.
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SZ-Landkreisausgabe Freising:
Freiwilliges Versprechen

Für Johannes Palus ist der Verzicht kein Problem

Eine Familie würde den Priester zusätzlich fordern.

Freising – Johannes Palus richtet sich zurzeit im Aschauer Pfarrhaus ein. Er hat für die katholische Kirchengemeinde im Chiemgau das Seelsorgeamt übernommen. „Vom Entschluss, Priester zu werden, hat er erstmals in der 13. Klasse gesprochen“, erinnert sich seine Mutter Ilse Palus. Zuvor sei ihr Sohn Domministrant gewesen. Die Freisinger Familie Palus ist katholisch geprägt. Manfred Palus arbeitete lange Jahre als Kustos im Mariendom. Katholischer Pfarrer zu sein, bedeutet, sich auch dem Zölibat zu unterwerfen. Die Familie war sich der Tragweite des Entschlusses ihres Sohns bewusst. „Wir haben seine Entscheidung akzeptiert“, sagt Ilse Palus.

Als ihr Sohn noch zum Ministrieren ging, war von seinem Wunsch, Pfarrer zu werden, noch nichts zu spüren. Der Wunsch reifte erst in den letzten Schuljahren in Johannes Palus heran. „Während seiner Studienzeit hat er sich intensiv damit auseinandergesetzt, sagt seine Mutter. Sich dem Zölibat zu unterwerfen, bedeutet ja, selbst keine Familie mit Kindern gründen zu dürfen. Ilse Palus hat jedoch den Eindruck, dass ihr mittlerweile 33-jähriger Sohn mit diesem Verzicht keine Probleme hat. Sie bescheinigt ihm einen guten Draht zu Familien und Jugendlichen. Und er sei ausgesprochen kontaktfreudig. Gern verbringt er auch seine Zeit mit seinen drei kleinen Nichten.

Nun hat Weihbischof Bernhard Haßlberger in der vergangenen Woche vor einer Schulklasse im Landkreis Dachau angeregt, den Zölibat zu lockern und es Pfarrern zu erlauben, Familien zu gründen. „Das ist nicht der richtige Ort dazu gewesen“, kritisiert Ilse Palus – auf diese Äußerung des Weihbischofs angesprochen. „Ich habe das nicht so toll gefunden.“ So ein brisantes Thema vor Jugendlichen zu diskutieren, sei nicht angemessen. Diese seien mit diesem Thema überfordert. Ilse Palus findet die Aussagen von Haßlberger nicht klug und förderlich, besonders „weil das Thema auch in den Medien zu oberflächlich diskutiert wird“.

Ilse Palus selbst empfindet den Zölibat als „positiv“ und wichtiges Element des katholischen Priesterseins. Diejenigen, die diesen Beruf ergriffen hätten, „haben ja gewusst, auf was sie sich einlassen“. Schließlich handele es sich um ein freiwilliges Versprechen, ähnlich dem, das sich Ehepartner geben. Damit gehe man eine Bindung ein und man spreche dann ja auch nicht von einer Zwangsehe.

Ilse Palus findet jedenfalls, dass dem Beruf eines katholischen Seelsorgers etwas Wichtiges verloren gehe, wenn der Zölibat gelockert würde. „Dann wäre ein Priester wesentlich mehr von seiner Familie gefordert“, wendet Ilse Palus ein. Er könne nicht mehr so existenziell sein Priestertum leben. „Das Engagement kann nicht mehr so ausschließlich sein“, fürchtet Ilse Palus. Wenn der Zölibat gelockert würde, bestehe die Gefahr, dass er künftig seinen Stellenwert ganz verlieren würde.

Peter Becker
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SZ-Landkreisausgabe Fürstenfeldbruck:
Mittel gegen den Mangel

Brucks Dekan plädiert für die Weihe Verheirateter

Letzte Hürde für das Priestertum von Frauen.

Fürstenfeldbruck – Bei der aktuellen Diskussion über den Zölibat in der katholischen Priester darf es nach den Worten des Fürstenfeldbrucker Dekans Albert Bauernfeind nicht darum gehen, diese Lebensform abzuschaffen. Das Priesteramt und die Ehelosigkeit sollten stattdessen entkoppelt werden. Das heißt, im Mittelpunkt der Debatte habe die Frage zu stehen, ob künftig jeder Priesterkandidat selbst entscheiden darf, ob er verheiratet oder unverheiratet zum Priester geweiht werden will. Für den neuen Leiter des künftigen Pfarrverbands Fürstenfeld ist vor allem eines wichtig: Man müsse unbedingt an diesem Thema dranbleiben, sagt er, nur wenn die Diskussion am Leben erhalten und offen geführt werde, komme man voran.

Bauernfeind hält für wichtig, dass über den Zölibat differenzierter gesprochen werden muss, als es in den Medien oft geschehe. Zudem habe die Entwicklung gezeigt, dass es sich räche, die Auseinandersetzung mit solchen Themen in der Kirche auf die lange Bank zu schieben. Mit der Würzburger Synode sei vor 40 Jahren eine Türe weit geöffnet worden. Diese lasse sich nicht mehr schließen. Dafür sei der Druck zu groß geworden. So könnte die zölibatäre Lebensform im Priesteramt nach Bauernfeinds Einschätzung durchaus weiter als Ideal gelebt werden, wenn dies auf Freiwilligkeit beruhe. Die unmittelbare Verknüpfung zwischen dem Amt und dem Zölibat solle es aber nicht geben. Das zeigten viele Diskussionsbeiträge von Geistlichen. Es dürfe aber nicht so weit kommen, dass Unverheiratete Schwierigkeiten hätten, ordiniert zu werden.

Der Brucker Dekan ist sich bewusst, dass die Zölibatsdebatte in konservativen Kreisen zu einem Aufschrei führt. Er verweist in diesem Zusammenhang auf die Praxis der Ostkirche. Dort seien verheiratete Priester zugelassen. Das sei auch in Ordnung, weil es mehr Gemeinden zu einem eigenen Seelsorger verhelfe. Eine Neudefinition des Zölibats im Sinne Bauernfeinds würde in Deutschland die Lage der Kirche entspannen. Der Priestermangel wäre dann nicht mehr in seiner aktuellen Form ein „Hindernis für das vitale Leben der Kirche“. Zum Priesternachwuchs sagt der Dekan: „Wir stehen mit dem Rücken zur Wand.“ Dann bedürfte es auch nicht mehr solcher Konstrukte wie des neuen Pfarrverbands Fürstenfeld, dann wäre aber auch der Beruf des Pastoralreferenten überflüssig.

Unter Hinweis auf verheiratete evangelische Pfarrer, die nach der Konversion zum Katholizismus als Priester eingesetzt werden, sagt Bauernfeind: „Es ist auch nicht ganz redlich, was wir machen.“ Der Zölibat sei nur geistlich begreifbar und über eine geistliche Lebensform lebbar. Noch eine Frage verbindet der Dekan mit einer Neubestimmung des Zölibats. Er sagt: „Dann werden wir nicht mehr viele große Gründe haben, nicht über das Priestertum der Frau zu diskutieren.“

Gerhard Eisenkolb
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SZ-Landkreisausgabe Erding:
Hoffen auf Lockerung

Margit Junker-Sturm wünscht sich auch Priesterinnen

„Der Priestermangel liegt dem Papst sicher am Herzen.“

Erding – Die Vorsitzende des Erdinger Kreiskatholikenrats, Margit Junker-Sturm, ziert sich nicht, ihre Meinung deutlich zu sagen. Die strikte Pflicht für katholische Pfarrer zur Ehelosigkeit hält sie ganz einfach für falsch: „Jeder Priester sollte selber entscheiden dürfen, ob er zölibatär leben will oder nicht. Wenn ein Pfarrer eine Familie haben will, sollte er heiraten dürfen.“ Das sind klare Worte. Junker-Sturm sieht wie viele andere auch in einer Lockerung des Zölibats eine Hoffnung, wieder mehr junge Menschen für den Beruf des Pfarrers gewinnen zu können. Allerdings, schränkt sie ein, „liegt es nicht nur am Zölibat, dass so wenige junge Männer Priester werden wollen“. Die verordnete Ehelosigkeit sei ein Hindernis, aber prinzipiell „fehlt es an der Grundeinstellung, ein Leben für und mit Gott führen zu wollen“.

Keinen Mangel hat die katholische Kirche jedoch an Mitarbeitern der zweiten Reihe: Es gibt genügend Diakone, Pastoral- und Gemeindereferenten. Der Grund liegt für Junker-Sturm auf der Hand: „Das dürfen ja auch Frauen machen.“ In einem zweiten Schritt nach der Aufhebung des Zölibats würde sich Junker-Sturm wünschen, dass die katholische Kirche auch Frauen zum Priesteramt zuließe: „Es wäre schön, wenn wir Priesterinnen haben könnten.“ Für Junker-Sturm wäre das aber erst recht nur dann vorstellbar, wenn vorher der Zölibat aufgehoben wird. Denn Frauen, davon ist sie überzeugt, träfe eine verordnete Ehelosigkeit noch härter als Männer – „denn irgendwann kommt bei einer Frau der Kinderwunsch“. Dass die Römische Kurie die Abschaffung des Zölibats in absehbarer Zeit zum Thema machen werde, glaubt sie nicht. Sie verweist darauf, dass es in weiten Teilen der katholischen Welt keinen Priestermangel gibt und somit der Druck für eine Veränderung aus Sicht der katholischen Weltkirche insofern gering ist. Andererseits glaubt sie aber auch, „dass gerade unserem deutschen Papst unser Priestermangel sicher am Herzen liegt“.

Armin Schalk, Vorsitzender des Dekanatrats Erding, sieht es fast genauso. In Deutschland sei der Priestermangel „extrem ausgeprägt“. Doch müsse man nicht erst bis nach Südamerika oder Afrika schauen, wo die Situation völlig anders ist. Schon im Nachbarland Polen gebe es mehr geweihte Priester als Stellen für Pfarrer. Schalk wünscht sich dennoch, dass der Vatikan mit einer „Überprüfung der Pflicht zum Zölibat“ begänne, unabhängig von einem Priestermangel in manchen Teilen der katholischen Welt.

Bewusst benutzt Schalk den Begriff Überprüfung. Vom Vatikan den Eintritt in eine Diskussion zu fordern, scheint ihm offenbar unangemessen. Wie Junker-Sturm sieht er die Frage des Zölibats als nur eine Ursache des Priestermangels in Deutschland. Eine tiefer gehenden Erörterung müsse sich der radikaleren Frage stellen, „wie attraktiv der katholische Glaube noch ist“.

Florian Tempel
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SZ-Landkreisausgabe Ebersberg:
Pragmatische Lösung


Früherer Dekan Michael Holzner plädiert für eine Lockerung

„Ganz abgeschafft soll es nicht werden, aber wenigstens freigestellt.“

Poing – Die Geburtsstunde des Zölibats wird verschieden datiert, doch spätestens seit dem Jahr 1153 gilt er –und hat sich nach Ansicht des Vatikans bewährt. Jene 17 Katholiken, die sich knapp 858 Jahre später, genauer gesagt am vergangenen Donnerstag, im Poinger Pfarrheim St. Michael versammelt hatten, teilten diese Überzeugung nicht. Eigentlich waren sie zusammengekommen, um das Thema „Gesellschaft im Wandel und die Antwort der Kirche“ zu erörtern, doch alsbald beklagten sie sich geschlossen und vehement darüber, dass ihre Priester zur Ehelosigkeit gezwungen sind. Und Pfarrer Michael Holzner stand ihren Reformideen keineswegs abgeneigt gegenüber.

In der Bibel ist das Thema unter anderem bei Matthäus (19,12) nachzulesen: „Manche sind von Geburt an zur Ehe unfähig, manche sind von den Menschen dazu gemacht und manche haben sich selbst dazu gemacht – um des Himmelreiches willen“, steht dort. Pfarrer Holzner, einst Kreisdekan in Ebersberg, klang pragmatischer: „In Deutschland könnte man das Zölibat sicher auflösen“, teilte er den Gästen mit, „um es weltweit zu machen, muss erst das Bewusstsein wachsen.“

Im zweiten Vatikanischen Konzil habe es bereits „Spitz auf Knopf“ gestanden um den Zölibat. Für Holzner wäre es wohl kein Problem, würde es abgeschafft – und für die Gäste seiner Diskussionsrunde erst recht nicht. Während einer Wallfahrt in Polen habe er, Holzner, festgestellt, wie wenig die Menschen die Problematik um den Zölibat berühre, erzählte er. Viele Gläubige beriefen sich auf Paulus, der ins Zölibat ging, um zu zeigen, wie wichtig ihm die Liebe zu Jesus sei: „Ich wünschte, alle Menschen wären wie ich“ (1 Kor 7,7), wird er zitiert – gemeint ist: „unverheiratet wie ich“.

Für das sinkende Interesse am Beruf des Priesters gebe es noch andere Gründe als nur das Keuschheitsgelübde: „Die meisten sind alt, abgearbeitet und strahlen nichts mehr aus. Das schreckt natürlich ab“, sagte der Pfarrer. Und Bildung könne man heutzutage auch auf anderen Wegen erlangen. Auf SZ-Nachfrage äußerte sich Holzner etwas zurückhaltender über den Zölibat: „Ganz abgeschafft soll es nicht werden, aber wenigstens freigestellt.“ Schließlich sei es nur in der römisch-katholischen Kirche für alle verbindlich. In den katholischen Ost- sowie in den orthodoxen Kirchen gilt das Gelübde nur für Bischöfe, Mönche und bei der Weihe unverheirateter Priester. Konvertiert ein evangelischer Pfarrer, der Familie hat, zum Katholizismus, darf er verheiratet bleiben. Nur die Genehmigung aus Rom müsse erteilt werden – solche Fälle geben es immer wieder.

Davon, dass eine Abschaffung des Zölibats Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche verhindert hätte, geht Holzner nicht aus: Die Männer, die das Priesteramt anstreben, seien sich über ihr Gelübde im Klaren. „Vor der Priesterweihe finden etliche Gespräche statt, aufgrund derer die Personen beurteilt werden“, erklärte Holzner.

Daniela Sedlmeier

Zuletzt geändert am 25­.01.2011