Juli 2011 - Kirche In
Da wird auch dein Herz sein ...
Neben all dem Herz gab es eben auch den Schmerz. Erlebbar bei einem sichtlich betroffenen Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière, der den Tod eines in Afghanistan gefallenen Soldaten berichten musste. Spürbar in ökonomischen und ökumenischen, in umweltpolitischen und interreligiösen Dialogen, die die Unzulänglichkeit unserer Welt und Gesellschaft spiegelten. Es war ein Kirchentag der Gefühle. Singende, tanzende, lachende Menschen mit einer großen Leichtigkeit einerseits und eine tiefe spirituelle Erfahrung andererseits. 26.000 Menschen bei den Bibelarbeiten allein am ersten Tag und 150.000 Gottesdienstbesucher zum Abschluss geben hierfür ein beredtes Zeugnis.
Ökumene oder die zwei Kammern des Herzens
In zahlreichen Gesprächen wurden ökumenische Anliegen diskutiert und erörtert. Dabei wird immer deutlicher, wie sehr sich das Gros des Kirchenvolkes ein Zusammenrücken der Kirchen wünscht. Die evangelischen Mitchristen beschäftigt die Frage nach dem Verhältnis der Kirchenleitung zu Martin Luther. Sie bemängeln, wie der Pfarrer der Gethsemane-Gemeinde in Berlin, Christian Zeiske, dass die Einladung Jesu zum Abendmahl von Bedingungen wie der Weihe oder Ordination abhängig gemacht wird. Vor allem aber leiden die evangelischen Christinnen und Christen mit ihren römisch- katholischen Geschwistern mit. Denn „wenn sich die katholische Kirche unglaubhaft macht“, so Zeiske, „dann geht uns das auch etwas an.“
„Das ökumenische Miteinander gelingt vor Ort oft reibungslos und gut. In Bezug auf die baldige Mahlgemeinschaft der Christinnen und Christen ist man jedoch kaum einen Schritt weiter. Obwohl sich auch die katholische Kirche auf dem ersten Ökumenischen Kirchentag in Berlin in der der „Charta Oecumenica“ verpflichtet hat, auf dieses Ziel zuzugehen, herrscht weitgehend Stillstand. Die Vertröstungen und Geduldsappelle der Kirchenleitungen sogar auf dem zweiten Ökumenischen Kirchentag 2010 in München enttäuschen und verärgern das Kirchenvolk immer stärker“, meint Christian Weisner, einer der SprecherInnen der Reformgruppe „Wir sind Kirche“.
Diese hatte unter anderem Alois Glück, den Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, zu einem „Gespräch am Jakobsbrunnen“ an ihrem Stand eingeladen. Der fand bei aller Bemühung um Verständnis und Ausgleich deutliche Worte. Kirche brauche eine neue Streitkultur, man müsse sich im Dialog mehr ernst nehmen, forderte er und bedauerte: „Bischöfe torpedieren das manchmal.“ Glücks Hoffnung heißt, „dass sich die Bischöfe auf die Konzilsdokumente besinnen“, und er fordert auch für Deutschland so etwas wie Inkulturation. Kulturbedingte Glaubensformen müssten auch hier möglich werden. Man dürfe Ökumene nicht auf gemeinsame Mahlfeiern einschränken, so Glück, aber auch nicht von der Meinung des zuständigen Seelsorgers abhängig machen. Er rief dazu auf, Lösungen unabhängig von den theologischen Fragen zu finden und erst die Nähe zu den Menschen zu leben.
„Alternativlos: Ökumene!“ So lautete der Titel einer Veranstaltung des Kirchentags, in der unter anderem Erzbischof Dr. Robert Zollitsch, der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, Rede und Antwort stand. Er warnte ausdrücklich vor „Schnellschüssen“ in der Ökumene, die seiner Meinung nach zu Ausgrenzung und Kirchenspaltung führen würden. Obwohl er selbst ein eher ungeduldiger Mensch sei, betonte Zollitsch: „Ich bin von Amts wegen verpflichtet, zur Geduld zu mahnen.“ Die Traditionen der katholischen Kirche seien „mit dem Blut von Generationen erkauft“, meinte Zollitsch und da könne man nicht sagen: „Das ist alles nicht relevant.“ Die meisten Zuhörerinnen und Zuhörer quittieren dies mit Missfallensäußerungen. Zur gemeinsamen Mahlfeier der evangelischen und katholischen Christen und Christinnen bezog Zollitsch klar Stellung. „Das ist keine Frage der Gastfreundschaft, sondern der theologischen Überzeugung.“
Reformen - Reanimation am kranken Herzen
Auf die Frage der jungen Studentin Ilona Schwiermann von „Wir sind Kirche“ nach dem Memorandum deutscher TheologieprofessorInnen, in dem diese in sechs Punkten Reformen in der Kirche einklagen, reagierte Zollitsch empfindlich. Er warf den TheologInnen vor, sie hätten sich dieses Memorandum von einem Journalisten „vorgeben lassen“. Es sei leicht, „schnell eine Reihe Forderungen zu stellen“, bemängelte Zollitsch, versprach aber, diese in einem angekündigten Dialogprozess zu besprechen, „auch wenn sie nicht Beifall finden.“ Die Professorinnen und Professoren mahnen neue Strukturen der Beteiligung und den Respekt vor der Gewissenfreiheit der Gläubigen an, sie wenden sich gegen die „XXL-Gemeinden“ und eine „Moral ohne Barmherzigkeit“. Auch sie fordern eine neue Streitkultur in einem ersten Schritt durch Errichtung einer kirchlichen Verwaltungsgerichtsbarkeit und setzen sich für kulturelle Vielfalt in den Gottesdiensten ein.
Kirchliche Reformgruppen gehen noch weiter. Sie kämpfen für die volle Gleichberechtigung der Frauen genauso wie für die freie Wahl zwischen zölibatärer und nicht-zölibatärer Lebensweise für Priester. Die Verkündigung soll eine echte Frohbotschaft sein und nicht als Drohbotschaft missbraucht werden. Sexualität als wichtiger Teil des von Gott erschaffenen und bejahten Menschen muss positiv bewertet werden. Und sie bekommen dabei große Unterstützung aus dem Kirchenvolk. „Wenn ihr nicht wärt, wäre ich schon lange aus der Kirche ausgetreten“, hört Magnus Lux, einer der SprecherInnen von „Wir sind Kirche“, als er auf dem Kirchentag Flyer verteilt.
Bei den Gesprächen am Jakobsbrunnen, zu denen „Wir sind Kirche“ einlud, standen promintente und weniger Prominente dem Kirchenvolk Rede und Antwort. Dr. Heiner Geißler beispielsweise fragte: „Was würde Jesus heute sagen?“ Pierre Stutz verankerte die Reformbemühungen spirituell und Weihbischof Dr. Hans Jochen Jaschke hinterfragte die Aufrichtigkeit der Bischöfe im angekündigten Dialogprozess, um nur einige der 21 GesprächsteilnehmerInnen zu nennen.
Hinsichtlich der vollen Gleichberechtigung der Frauen in der Kirche meldete sich Zollitsch zu Wort, allerdings ohne wirklich etwas Neues zu sagen: „Jesus hat für den Aposteldienst nur Männer ausgewählt“, alles andere führe nur zu Kirchenspaltung. Der Unmut des Kirchenvolkes zu solchen Äußerungen was deutlich zu hören. Schade, dass in 16 Jahren KirchenVolksBewegung so wenig auch theologisches Fachwissen bei den Bischöfen angekommen ist. Wie war das doch gleich mit der „Apostolin der Apostel“? Maria von Magdala war doch eine Frau – oder?
Zuletzt geändert am 13.07.2011