| |
Veröffentlicht am 07­.10.2011

7.10.2011 - Publik-Forum

»Kein hörendes Herz«

Welche Konsequenzen ziehen die Kirchenreformer aus dem Papstbesuch? Fragen an Christian Weisner

Publik-Forum: Wie erleben Sie diesen Papst?

Christian Weisner: Er hat in seinen 17 Ansprachen auf der Deutschlandreise deutliche, ja oft schroffe Akzente gesetzt. Im Grunde ist dieser Mann sich treu geblieben: Weniger ein Papst und Pontifex, der Brücken zu Andersdenkenden und zu den modernen Christinnen und Christen baut, gleichsam als ein immerwährender Präfekt der vatikanischen Glaubenskongregation. Im Zweifelsfalle also: mehr Kardinal Joseph Ratzinger als Papst Benedikt XVI.

Was war positiv am Papstbesuch?

Weisner: Zum Beispiel das ökumenische Zeichen, das Benedikt XVI. setzte mit seinem Gang in das Erfurter Augustinerkloster, die frühe Wirkungsstätte Martin Luthers. Dass er den seinerzeit von Rom mit dem Bann belegten Reformator nicht rehabilitierte und dass er für das ökumenische Miteinander von evangelischen und katholischen Christen sowie für das gemeinsame Abendmahl von konfessionsverbindenden Ehepaaren kein vorwärtsweisendes, gutes Wort fand, ist extrem bedauerlich.

Vertieft dieser Papst die Spaltung in der Kirche?

Weisner: Ja. Dies zeigt sich insbesondere an seiner Freiburger Abschlussrede. Die katholischen Christen in Deutschland wollen keine Abspaltung vom Vatikan und von der katholischen Weltkirche. Aber nirgendwo auf seiner Reise hat der Papst Wege der Versöhnung innerhalb der gespaltenen deutschen Kirche oder innerhalb der gespaltenen Deutschen Bischofskonferenz aufgezeigt. Am meisten enttäuscht mich, dass er weder im Gespräch mit dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken noch bei der Begegnung mit den Bischöfen den im Sommer in Mannheim begonnenen Gesprächsprozess der Deutschen Bischofskonferenz unterstützt hat. Diese Unterlassungen des Papstes sind angesichts der Nöte der deutschen Kirche wirklich tragisch. Da wird Benedikt XVI. seinem Hirtenamt nicht gerecht.

Verändert der Papstbesuch die Situation?

Weisner: Schade, dass er nicht zuhörte. Der Papst war bei seinen Auftritten stets auf Sendung. Obwohl er in seiner Rede vor dem Deutschen Bundestag vom »hörenden Herzen« des biblischen Königs Salomo sprach – hat er selber sich daran nicht gehalten. Auch das ist tragisch. Insgesamt hat der Papst eine pessimistische Weltsicht verkündigt. Gegenüber dem vielfältigen karitativen, religiösen, sozialen und politischen Engagement der Christinnen und Christen in unserem Land zeigt er nur oberflächlich Respekt. Wir Kirchenreformer lassen uns von seiner professoralen Tristesse aber nicht anstecken.

Christian Weisner, geboren 1951 und aufgewachsen in einer katholischen Reformpfarrgemeinde in Kiel, ist gewählter Bundessprecher der katholischen Reformbewegung Wir sind Kirche (www.wir-sind-kirche.de). Diese ist im Jahr 1996 aus dem damals von über 1,8 Millionen Menschen unterzeichneten Kirchenvolksbegehren hervorgegangen.

http://www.publik-forum.de/archiv/kein-hoerendes-herz

Zuletzt geändert am 07­.10.2011