| |
Veröffentlicht am 23­.11.2011

23.11.2011 - http://www.europeonline-magazine.eu / dpa

Seit 30 Jahren im Vatikan: Der strenge Hüter Joseph Ratzinger

Am 25. November 1981 übernimmt Joseph Ratzinger das Amt des Hüters der katholischen Glaubensdoktrin im Vatikan. 2005 wird er zum Papst gewählt. Kritiker sprechen von einem «Reformstau» in der Zeit.

Rom (dpa) - Vor drei Jahrzehnten, am Morgen des 25. November, trat Joseph Ratzinger sein neues Amt hinter den Mauern des Vatikans an. Erst nach einiger Überzeugungsarbeit war es Papst Johannes Paul II. gelungen, den anerkannten und konservativen deutschen Theologen aus München für die wohl wichtigste Aufgabe an seiner Seite nach Rom zu locken: Gut 23 Jahre lang sollte der Präfekt Ratzinger dann die unter anderem auch für Lehrverbote zuständige Glaubenskongregation leiten. Danach wird er Papst und setzt seitdem seinen umstrittenen Versuch fort, die katholische Weltkirche auch ohne grundlegende Reformen zu bewahren und zu hüten. Kritiker sprechen von einem «Reformstau».

So einflussreich wie der auch schon mal «Panzerkardinal» geschimpfte deutsche Theologe dürften nur weniger Männer in der jüngeren Geschichte der katholischen Weltkirche den Kurs bestimmt haben. Im wohl völligen Gleichklang mit «seinem» Papst Johannes Paul II. macht er gegen die linke Theologie der Befreiung in Lateinamerika Front, trägt zu erheblichen Konflikten unter den deutschen Katholiken mit seinem Vorgehen gegen Schwangerschaftsberatung bei und betont mit der Erklärung «Dominus Jesus» im Jahr 2000 die Einzigartigkeit seiner Kirche - verglichen mit anderen «kirchlichen Gemeinschaften». Daran und an anderen Grundzügen seines Denkens hält er auch als Papst fest.

«Hüter der Orthodoxie seit dem Jahr 1981, von Papst Wojtyla im Alter von nur 54 Jahren mit der einflussreichen Aufgabe des Präfekten der Glaubenskongregation betraut, ist Kardinal Ratzinger in der römischen Kurie sofort eine polarisierende Persönlichkeit.» So erinnert sich der angesehene italienische Vatikanist Marco Politi in seiner gerade erschienenen kritischen Bilanz «Joseph Ratzinger - Crisi di un papato» (Krise eines Papsttums). Politi beschreibt den deutschen Theologen und späteren Papst als einen unnachgiebigen Mann der Glaubensdoktrin und strenger vatikanischer Werte, der Reformen des II. Vatikanischen Konzils (1962-65) neu «auszutarieren» versuche.

Reformstau in der Weltkirche der knapp 1,2 Milliarden Katholiken, das ist immer wieder ein Stichwort der Ratzinger-Kritiker. Dazu kam in seinem Pontifikat die höchst umstrittene Wiederannäherung an die erzkonservative Pius-Bruderschaft mit dem Holocaust-Leugner Richard Williamson und eine neuformulierte Karfreitagsfürbitte zur Bekehrung der Juden. Benedikt betont die Abgrenzung in der Ökumene. Nach drei Ratzinger-Jahrzehnten im Vatikan spricht die Reformbewegung «Wir sind Kirche» von einem permanenten Klima der innerkirchlichen Erstarrung und von der «tiefsten Krise seit der Reformation». Sie prangert einen verstärkten «römischen Zentralismus» auf Kosten der Ortskirchen an.

Und was sagt Joseph Ratzinger, der wieder und wieder eine «Diktatur des Relativismus» vor allem in der westlichen Welt geißelt und der weiß, dass es in seiner Weltkirche doch viele gibt, «die innerlich nicht mit dabei sind»? In seinem Gesprächsbuch «Licht der Welt» mit Peter Seewald nimmt er etwa so Stellung: «Wenn man beispielsweise im Namen der Nichtdiskriminierung die katholische Kirche zwingen will, ihre Position zur Homosexualität oder zur Frauenordination zu ändern, dann heißt das, dass sie nicht mehr ihre eigene Identität leben darf.»

Dazu passt der Schluss des Vatikanisten Marco Politi: «Auch die Persönlichkeit Ratzingers ist von der tiefen Angst vor einem Verlust der katholischen Identität geprägt.» Die Säkularisierung scheint der gefährlichste Gegner in den Augen dieses Papstes, der im «gottlosen» Westen neu evangelisieren will und seine Hoffnung - kürzlich bei dem Besuch in Benin bekräftigt - auf andere Kontinente wie Afrika oder Asien setzt. Klar ist, Benedikt kann nur so nah oder so fern von der Realität sein wie jemand, der in einem Präsidentenpalast 30 Jahre lang Politik macht. Er setzt auf die Jugend. Gerade der diesjährige katholische Weltjugendtag in Madrid hat jedoch offenbart, dass die jungen Gläubigen ihn zwar frenetisch feiern - viele von ihnen den konservativen Werten des Bewahrers im Alltag aber wohl kaum folgen.

http://www.europeonline-magazine.eu/so-tickt-benedikt-xvi_169785.html

Zuletzt geändert am 23­.11.2011