14. September 2006 - Mannheimer Morgen
„Er ist zu sehr Bewahrer“
Von unserem Redaktionsmitglied Jan Kuhlmann
Regensburg. Der Sprecher der kirchenkritischen Bewegung „Wir sind Kirche“, Christian Weisner, ist vom Papst-Besuch in Bayern enttäuscht.
Wo haben Sie denn den Papst-Besuch in Bayern live verfolgt?
CHRISTIAN WEISNER: Ich war bei seiner Fahrt durch München dabei. Das war großartig. Allerdings habe ich den Besuch mehr über die Medien verfolgt, denn ich wollte die Botschaften des Papstes mitbekommen.
Haben Sie denn auch ein Vatikan- Fähnchen dabei gehabt?
WEISNER: Diese Fähnchen ergeben ein schönes Bild. Aber mein Fall sind sie nicht.
Die Menschen sind begeistert vom Auftritt Benedikts. Sie auch?
WEISNER: Für die Menschen, die dabei sind, ist es sicherlich ein eindrucksvolles Erlebnis, den Papst aus der Nähe zu sehen. Ich sehe die inszenierten Massenevents aber auch sehr kritisch. Das ist ein Kirchenbild der Vergangenheit. Diese Heimatverbundenheit, die Joseph Ratzinger in seiner Heimat erlebt, ist heute selbst in Bayern so gar nicht mehr zu finden.
Wie beurteilen Sie Benedikts Predigten?
WEISNER: Ratzinger tritt zu sehr als Bewahrer der Tradition auf und öffnet die Kirche zu wenig für das neue Jahrtausend. Die Menschen wollen ja glauben, aber die strenge Hierarchie und rigide Sexualmoral der Kirche steht vielen Menschen im Wege.
Welche Aussagen fehlten Ihnen?
WEISNER: Der Papst soll als Pontifex Maximus auch oberster Brückenbauer sein. Es fehlen aber in der katholischen Kirche Brücken zum Beispiel hin zu den Frauen. Vor allem fehlen aber Brücken zwischen den Bischöfen und den Laien, die zu sehr an den Rand gedrängt werden. Doch eine Kirche ohne Laien ist keine Kirche.
Sie sind also insgesamt enttäuscht vom Besuch des Papstes?
WEISNER: Den Appell, sich zu Gott zu bekennen und Christus mehr in den Mittelpunkt zu stellen, kann ich uneingeschränkt begrüßen. Aber es ist schade, dass sich der Papst nicht stärker zur Ökumene mit den Kirchen der Reformation geäußert und bekannt hat, die ja gerade in Deutschland eine wichtige Rolle spielt.
Glauben Sie, dass mit Benedikt eine Reform der Kirche möglich ist?
WEISNER: Der Papst ist ein großer Religionsphilosoph, auf den die katholische Kirche stolz sein kann. Aber er war nur sehr kurze Zeit Bischof und so fehlt ihm letztlich die Erfahrung mit den Nöten der Gemeinden und mit den Laien. Sein bisheriges Wirken als Papst lässt leider noch keine Bereitschaft zu Reformen erkennen. In seiner Antrittsenzyklika spricht der Papst zwar viel von Liebe, doch die ist innerhalb der Struktur der Kirche leider immer noch zu wenig zu spüren.
Zuletzt geändert am 14.09.2006