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Veröffentlicht am 19­.10.2012

19.10.2012 - Domradio

Küng kündigt Rückzug "von großer Bühne" an

Die Macht der Hoffnung

In diesen Tagen ist wieder viel Hans Küng: Wie der junge Joseph Ratzinger nahm auch er vor 50 Jahren als junger Professor am Zweiten Vatikanischen Konzil teil. Ratzinger ist inzwischen Papst, Küng der wohl bekannteste Kritiker Roms. Doch nun will er nicht mehr laut sein.

Er verschwindet fast hinter dem gewaltigen Marmor-Rednerpult. Seine Stimme aber füllt das weite Rund. "Bewahren Sie trotz berechtigten Zorns und Resignation die Hoffnung auf eine Kirche, die wieder mehr aus dem Evangelium lebt. Ich werde meine Träume nie aufgeben, aber sie müssen nun von einer neuen Generation gelebt werden." Hans Küng - der wohl bekannteste katholische Theologe der vergangenen Jahrzehnte - hat sich die voll besetzte Frankfurter Paulskirche für sein kirchenpolitisches Vermächtnis ausgesucht. Dort hatte am Donnerstagabend die von 30 Reformgruppen einberufene erste deutsche "Konziliare Versammlung" begonnen.

Zu seinem 85. Geburtstag, so kündigt Küng den 1.000 Zuhörern an, werde er von der "großen Bühne abtreten und Platz machen für die nächste Generation". Im März will er auch die Leitung seiner Stiftung Weltethos an Altbundespräsident Horst Köhler abgeben. Küng, der sein Leben lang für eine freie und offene Kirche kämpft und dabei vom Theologie-Kollegen Joseph Ratzingers zum vom Vatikan gemaßregelten Professor wurde, wird sich also zurückziehen. Es ist vollkommen still im weiten Saal - bevor lange standing ovations die Spannung brechen.

Küngs manchmal zornige, aber nie resignative Bilanz, dass auch 50 Jahre nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil die drängendsten Fragen der Kirche weiter ungelöst seien ("Rolle der Frau, Kirche als Gemeinschaft aller Gläubigen und nicht als vatikanische Diktatur, Zölibat und Sexualmoral"), steht am Anfang des Treffens von Katholiken aus ganz Deutschland. Von einem der Geburtsorte der deutschen Demokratie aus soll ein Signal in alle Kirchengemeinden gehen. "Wir warten nicht länger auf Bischöfe und Rom. Wir wollen ein neues Pfingsten, eine neue Kirche", sagt Mitorganisatorin Barbara Imholz vom Münsteraner Institut für Theologie und Politik.

Ein wenig Pathos und Ergriffenheit

Kirche müsse einfacher werden, sich um Arme kümmern und stärker an Jesus Christus orientieren, ergänzt der italienische Altbischof Luigi Bettazzi, einer der letzten lebenden Bischöfe, die vor 50 Jahren am Konzil teilnahmen und sich im sogenannten Katakombenpakt zu einem Leben in Armut verpflichteten. Auch er ruft den Versammelten zu: "Ihr seid die Hoffnung der Kirche. Ihr müsst diese Ideen hinaustragen, damit sie die ganze Kirche erfassen. Vielleicht ist das heute ein Anfang."

Ein wenig Pathos und Ergriffenheit bestimmen den Auftakt der Konziliaren Versammlung. Bis Sonntag folgen Workshops, Gebetskreise, Diskussionsrunden und Vorträge mit großer inhaltlicher Breite. Neben dem kritischen Blick auf die eigene Kirche, auf Ökumene und Dialog der Religionen geht es auch um den Appell für eine solidarischere und sozial ausgeglichene Gesellschaft. Christliche Verantwortung für Umweltschutz und Menschenrechte für Frauen sind die Foren überschrieben.

Am Sonntag will die "Konziliare Versammlung" dann ein Abschlussdokument mit zentralen Forderungen nach Reformen der Kirche und Strategien für eine gerechtere Gesellschaft verabschieden. Für Letzteres hält die französische Globalisierungskritikerin und Attac-Mitbegründerin Susan George einen flammenden Appell. Mit drastischen Zahlenbeispielen beschreibt sie die aus ihrer Sicht von jeder gesellschaftlichen Verantwortung entbundenen Machenschaften von Finanzjongleuren und Banken. Sie ruft die Christen auf, mehr für die Opfer der Finanzkrise zu tun. "Wir haben ein enormes moralisches Problem: Wir belohnen die Banken als Schuldige der Krise und bestrafen die unschuldig leidenden Menschen."

Dies ist die bewusst gesetzte politische Seite der Konziliaren Versammlung. Dabei schlägt Georges Impetus wieder eine Brücke zu Küngs Appell an die Versammlungsteilnehmer: "Kämpfen Sie zäh und tapfer! Jetzt ist die Stunde der Gemeinden, die Kirche mit Reformen von unten zu retten", ruft der 84-Jährige, dann tritt er vom Rednerpult zurück.

( Volker Hasenauer / kna )

http://www.domradio.de/aktuell/84610/die-macht-der-hoffnung.html

Zuletzt geändert am 19­.10.2012