17. September 2006, 07:45 Uhr - InfoRadio Berlin
Tabubruch gemeinsame Kommunion
Der suspendierter katholische Priester, im Gespräch mit Friederike Sittler
„Alle sind eingeladen“, rief Gotthold Hasenhüttl in der Berliner Gethsemane-Kirche während des ökumenischen Kirchentages 2003. Zweitausend Gläubige waren in die überfüllte Kirche gekommen, Katholiken und Protestanten. Alle durften am gemeinsamen Abendmahl teilnehmen, selbst vor der Tür konnten Hunderte die katholische Kommunion empfangen.
Seine konfessions-überschreitende Gastfreundschaft kam den Saarbrücker Theologen teuer zu stehen. Bis zuletzt hatten die Initiativen „Kirche von unten“ und „Wir sind Kirche“ seinen Namen geheim gehalten, wohl wissend, dass der Priester schon im Vorfeld mit einer Abmahnung hätte rechnen müsste. Es kam viel schlimmer: der Trierer Bischof Reinhard Marx suspendierte Hasenhüttl vom Dienst und entzog ihm die Lehrerlaubnis. Denn die gemeinsame Eucharistie, die der emeritierte Professor als ein Zeichen für die Verständigung zwischen den Konfessionen zelebrierte, ist für das katholische Kirchenrecht ein Tabu.
Gotthold Hasenhüttl hätte einlenken können. Die Suspendierung war nur vorläufig. Aber er weigerte sich, sein Verhalten zu bereuen. Im Gegenteil: Der aufmüpfige Priester legte Beschwerde gegen die Entscheidung in Rom ein. Der Konflikt eskalierte. Kurienkardinal Joseph Ratzinger – heute Papst Benedikt XVI – meldete sich zu Wort: Was Hasenhüttl „angestellt“ habe, sei „relativ gering“ im Vergleich zu dem, was der Theologe etwa in seiner Dogmatik geschrieben habe. Dort stehe einiges, was mit der katholischen Lehre nicht vereinbar sei, etwa dass es Gott „als eine in sich seiende Wirklichkeit gar nicht gibt“. Dass der gebürtige Österreicher mit der gängigen Lehrmeinung nicht immer konform ging, war schon vorher aufgefallen. Dennoch konnte er ohne Beanstandung seit 1974 in Saarbrücken katholische Dogmatik lehren. 2002 wurde er emeritiert. Der Entzug der Lehrerlaubnis dürfte ihn also weniger getroffen haben, wohl aber seine Suspendierung vom Priesteramt. Die aber wird von Kardinal Ratzinger 2004 bestätigt, und nach neuerlicher Erwiderung des Geschassten wird er im Januar 2006 endgültig vom Priesteramt ausgeschlossen.
Mit seiner gemeinsamen Eucharistie-Feier machte Gotthold Hasenhüttl jedoch nur öffentlich, was in vielen Kirchen jeden Sonntag gang und gebe ist: Katholiken nehmen am Abendmahl in evangelischen Kirchen teil, Protestanten werden vom katholischen Priester nicht nach ihrer Konfession gefragt, bevor er ihnen die Hostie reicht. Seine rebellische Handlung traf auf viel Sympathie, besonders bei denen, die sich für Veränderungen in der Kirche stark machen. Seitdem ist Gotthold Hasenhüttl bei kritischen Katholiken ein beliebter Gast – und für die katholische Kirche persona non grata. Zum Saarbrücker Katholikentag im Mai 2006 war er ausdrücklich nicht eingeladen und wer ihn einladen wollte, der konnte gleich selbst draussen bleiben. Der verstossene Priester bereut bis heute nicht, seine Kirchenkarriere derart aufs Spiel gesetzt zu haben. Der Gottesdienst in der Gethsemane-Kirche, sagt er, sei der schönste seiner Amtszeit gewesen.
Zuletzt geändert am 16.09.2006