29.09.2006 - Süddeutsche Zeitung
Ein Bischofsstuhl, viele Namen
Ein Jahr lang mussten sich die Katholiken der Diözese Eichstätt von Termin zu Termin vertrösten lassen. Zunächst erwartete man, dass spätestens neun Monate nach dem Abschied des bisherigen Amtsinhabers Walter Mixa ein neuer Bischof ernannt werden würde. Aber nichts passierte. Dann hofften die Gläubigen, dass der vakante Stuhl des heiligen Willibald anlässlich des Willibaldfestes am 7. Juli neu besetzt wird. Vergebens. Sogleich hieß es, Papst Benedikt XVI. bringe die Ernennungsurkunde bei seinem Bayern-Besuch mit. Dem war nicht so. Nun wird spekuliert, dass der neue Bischof diesen Sonntag verkündet wird. Das Datum würde passen: Seit Walter Mixas Abschied gen Augsburg am 1. Oktober 2005 wäre exakt ein Jahr vergangen, und den Erntedank-Sonntag 2006 würden die wartenden Katholiken so schnell nicht vergessen – nicht zuletzt, weil im Falle einer Ernennung die Glocken aller 279 Pfarreien gleichzeitig läuten würden.
Je länger die so genannte Sedisvakanz andauerte, desto länger wurde die Liste der Kandidaten. Einer der aussichtsreichsten Anwärter ist wohl Prälat Wilhelm Imkamp, der Direktor des schwäbischen Wallfahrtsortes Maria Vesperbild. Doch gegen den 55-Jährigen regt sich Widerstand an der Basis. „Wenn Imkamp käme, wäre das eine Katastrophe”, sagt Walter Hürter von der Eichstätter Gruppe der Laienorganisation „Wir sind Kirche”. In einem Brief an den Apostolischen Nuntius in Deutschland, Erzbischof Erwin Josef Ender, sprach sich Hürter klar gegen den seiner Meinung nach „äußerst konservativen” Imkamp aus: „Die Gläubigen im Bistum Eichstätt brauchen einen Bischof, der nicht durch starke Worte die Menschen beeindruckt, die ihre heile Welt in der vorkonziliaren Zeit sehen, sondern der die Zeichen der Zeit erkennt und den Dialog mit allen Gläubigen sucht.” Hürter würde Gregor Hanke (Abt des Benediktiner-Klosters Prankstetten), Anton Losinger (Weihbischof in Augsburg) oder Josef Mederer (Pfarrer in Ingolstadt-Etting) als Bischof bevorzugen. Die drei gelten aber als Außenseiter – ebenso wie der Münchner Offizial Lorenz Wolf, der Freiburger Moraltheologe Eberhard Schockenhoff und der Eichstätter Dompropst Johann Limbacher, der das Bistum seit Oktober 2005 kommissarisch verwaltet.
Größere Hoffnungen darf sich hingegen Josef Clemens machen, den die dpa sogar den „persönlichen Wunschkandidaten von Benedikt XVI.” nennt. Der hochrangige deutsche Kurienbischof und Sekretär des Päpstlichen Laienrates war bis 2003 Privatsekretär des damaligen Kardinals Joseph Ratzinger. Auch dem Apostolischen Nuntius Ender wird ein persönlicher Favorit nachgesagt: Karl Hillenbrand, der Generalvikar des Bistums Würzburg, soll auf seiner Vorschlagsliste für den Vatikan ganz oben stehen. Die Nuntiatur in Berlin bestätigt dies allerdings nicht – wie überhaupt der komplette Klerus zwischen dem Eichstätter Dom und dem Apostolischen Palast in Rom keinen einzigen Namen nennt oder kommentiert. Als weiterer aussichtsreicher Anwärter wird der Benediktiner-Pater Stephan Haering (Abtei Metten) gehandelt. Haering lehrt an der Münchner Universität Kirchenrecht, dies wäre einer Ernennung nicht abträglich, da der Bischof qua Amt sowohl Großkanzler als auch Vorsitzender des Stiftungsrates der Katholischen Universität Eichstätt ist.
Beide Posten sind seit einem Jahr interimistisch besetzt, dennoch wünscht sich die Universitäts-Spitze „so bald wie möglich” ein Ende der Übergangsphase. „In der bayerischen Bischofskonferenz wäre endlich eine langfristige und bischöfliche Interessensvertretung der Universität nötig”, sagt Kanzler Gottfried Freiherr von der Heydte. Mit 450 000 Katholiken ist die Diözese Eichstätt vergleichsweise klein. Die Hochschule verleiht dem Bischofsstuhl als einzige „Katholische Universität” im gesamten deutschen Sprachraum jedoch besonderes Gewicht – und das macht dem Vatikan die Entscheidung nicht leichter.
Stefan Mayr
Zuletzt geändert am 02.11.2006