25.10.2013 - heute.de
Erneuerung der Kirche: Eine "Herkulesaufgabe"
heute.de: Zwei Tage vor dem Bundestreffen von "Wir sind Kirche“ (WsK) wurde dem Limburger Bischof Tebartz-van Elst eine Auszeit verordnet – bei Ihrem Treffen hat das Thema aber vermutlich keine Auszeit?
Christian Weisner: Nein, im Gegenteil, das hat noch einige für unser Treffen mobilisiert. Wie überhaupt vieles seit Franziskus‘ Wahl zum Papst Rückenwind ist für uns als Kirchenvolksbewegung. Seine Entscheidung bezüglich Tebartz-van Elst finde ich übrigens sehr gut: barmherzig und weise zugleich. Sie zeigt, dass der Papst nicht absolutistisch entscheidet, sondern auf die Fakten wartet. Auch wenn das manchen zu langsam geht – langfristig ist es tragfähiger.
heute.de: Die Vorkommnisse in Limburg haben ja vieles in der katholischen Kirche in Bewegung gesetzt – das müsste doch ganz in Ihrem Sinn sein?
Weisner: Nein, das ist ein absolutes Drama! Für die Gläubigen und Priester in Limburg und ganz Deutschland. Immerhin wird jetzt gefragt, was das Profil eines Bischofs sein sollte. Was ein Kandidat für das Amt mitbringen muss, und welche Möglichkeiten bestehen, wenn ein Bischof aus dem Ruder läuft. So kann man hoffen, dass künftig Bischöfe eines neuen Stils berufen werden. Dabei ist wichtig, das Kirchenvolk viel stärker zu beteiligen als bisher.
heute.de: Wie? Durch Wahlen?
Weisner: Das vielleicht noch nicht, aber es ist offen zu diskutieren: Was macht einen Bischof in der heutigen Zeit aus? Papst Franziskus hat deutlich gemacht, dass er echte Hirten als Bischöfe möchte – keine Universitätsprofessoren, sondern Menschen, die auf die Leute zugehen und sie verstehen können. Wir brauchen Bischöfe, die gemäß dem Zweiten Vatikanischen Konzil eine Kirche ermöglichen, die das Kirchenvolk ernst nimmt, die sagt: Wir alle sind Kirche. Das ist eine ganz andere Denke als wenn jemand sich nur dem Papst und vielleicht dem lieben Gott verantwortlich fühlt. Ähnlich wie bei der Papstwahl brauchen wir vor Ernennung eines Bischofs eine offene und öffentliche Diskussion, was im Bistum ansteht und welche Persönlichkeit es dafür braucht. Und jeder sollte Kandidaten vorschlagen können.
heute.de: Nicht nur über Personen, auch über die Finanzen der Kirche wird jetzt diskutiert. Was kann die Papstforderung nach einer armen Kirche für Deutschland konkret bedeuten?
Weisner: Die Frage ist doch, wofür wird das Geld eingesetzt. Und da brauchen wir dringend vollständige Transparenz und eine qualifizierte Mitentscheidung. Hier liegt ein langer Weg vor uns. Bisher fehlen einheitliche Bewertungsmaßstäbe und eine transparente Buchführung. Und wir brauchen Mitkontrolle von außen - die Krise um den sexuellen Missbrauch hat ja gezeigt, dass die Kirche allein sich unendlich schwer tut, dunkle Flecken aufzuarbeiten.
heute.de: Sie tut sich auch schwer mit "Wir sind Kirche“ – Ihre Bewegung ist kein offizieller Gesprächspartner, Robert Zollitsch nannte Sie vor zwei Jahren gar "Randerscheinung“.
Weisner: Bei der jüngsten Vollversammlung der Bischofskonferenz hat der Pressesprecher eigens verkündet, dass man die Ermahnungen von "Wir sind Kirche“ nicht nötig hätte. Das zeigt doch, dass wir gehört werden: Wen man wirklich unwichtig findet, den erwähnt man nicht. Und wenn Sie Umfragen betrachten, zeigt sich: Die Mehrheit der Katholiken, die überhaupt noch Kontakt zur Kirche haben, denkt wie wir. Insofern ist unsere Stimme zurecht gefragt. Zwar sind wir nicht offiziell verortet, aber wir sprechen vielen aus der Seele. Und diese Menschen vertreten unsere Positionen, wenn wir als Bewegung selbst nicht mit am Tisch sitzen.
heute.de: Und jetzt noch ein Reformpapst – sind Sie da nicht fast am Ziel aller Wünsche?
Weisner: Der Papst und wir alle stehen vor einer Herkulesaufgabe. Der Fall Tebartz-van Elst zeigt ja auch, dass mächtige Seilschaften für das alte Bischofsbild einstehen. Die Vorstellungen von Franziskus und dem Kirchenvolk mögen nahe beieinander liegen, aber die aktuellen Würdenträger sind alle von Johannes Paul II. und Benedikt XVI. ernannt worden. Das heißt, zwischen Papst und Kirchenvolk gibt es eine Art Isolierschicht. Da wird es noch Auseinandersetzungen geben. Aber wir freuen uns natürlich sehr, dass 50 Jahre nach Ende des Zweiten Vatikanums endlich ein Papst den Kurs des Konzils ernstnimmt und weiterführt.
Das Interview führte Ulrich Pontes
"Wir sind Kirche" "Wir sind Kirche“ die sich auch als "KirchenVolksBewegung“ bezeichnet, ist aus dem 1995 zunächst in Österreich gestarteten Kirchenvolks-Begehren hervorgegangen. Dessen Forderungen etwa nach mehr Mitwirkungsrechten für Laien, Gleichberechtigung von Frauen und Abschaffung des Pflichtzölibats fanden in Deutschland fast zwei Millionen Unterstützer. 1996 entstand die internationale Bewegung "Wir sind Kirche“, die sich für eine Erneuerung der römisch-katholischen Kirche einsetzt und sich dabei auf das Zweite Vatikanische Konzil beruft. Von der katholischen Kirche wird "Wir sind Kirche“ nicht offiziell anerkannt. Zwei Mal im Jahr treffen sich Delegierte aus den Diözesen zur öffentlichen Bundesversammlung von "Wir sind Kirche“ – aktuell von Freitagabend bis Sonntag in Kassel. Zu dem Treffen werden nach Angaben von Christian Weisner 70 bis 100 Teilnehmer erwartet. Diesmal finden Neuwahlen des jeweils zwei Jahre amtierenden Bundesteams statt, dass die Bewegung nach außen vertritt. Zudem beschäftigt sich die Bundesversammlung jeweils anhand von Referaten mit einem inhaltlichen Thema, diesmal: "Theologie und Naturwissenschaft: Alter Hut oder neue Feindschaft?“. |
Christian Weisner
Weisner ist von Beginn an einer der Initiatoren von "Wir sind Kirche“ und gehört seit 18 Jahren dem Leitungsteam der Bewegung an. 1951 geboren, ist er nach eigenen Angaben seit seiner Jugend einer vom Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) geprägten Kirche verbunden. Von Beruf ist er Stadt- und Verkehrsplaner.
http://www.heute.de/Erneuerung-der-Kirche-Eine-Herkulesaufgabe-30362044.html
Zuletzt geändert am 26.10.2013