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Veröffentlicht am 10­.12.2013

Dezember 2013 - Kirche In (Kolumne „Unzensiert“)

Endlich ist der „sensus fidelium“ gefragt

Die kontroverse Diskussion um das Familienpapier der Evangelischen Kirche in Deutschland zeigt, dass es nicht einfach ist, kirchliche Positionen zeitgemäß für die sich differenzierenden Lebenswirklichkeiten von Familie und Partnerschaft zu formulieren. Doch so, wie es Erzbischof Müller gemacht hat, der die Rücknahme der vorsichtigen Handreichung zu Scheidung und Wiederheirat aus dem Freiburger Erzbistum forderte und versuchte, in Zeitungsartikeln die alte Lehre als unverrückbar darzustellen, geht es gar nicht. Gut, dass ihm da der Münchner Kardinal Reinhard Marx – einer der acht Papstberater und damit kein kirchenpolitisches Leichtgewicht – sofort kräftig widersprochen hat.

Stil und Argumentation der alten Ratzinger-Linie werden brüchig. Die traditionelle katholische Lehre von der Unauflöslichkeit der Ehe ist unbiblisch. Vor genau zwanzig Jahren war es Kardinal Ratzinger damals als Glaubenspräfekt noch gelungen, die drei oberrheinischen Bischöfe in der Frage der Sakramentenzulassung für Wiederverheiratete zum Schweigen zu bringen. Heute sagt Marx zu Recht: „Der Präfekt der Glaubenskongregation kann die Diskussion nicht beenden.“ Dies gilt umso mehr, als zur Vorbereitung der Außerordentlichen Familiensynode im Herbst 2014 gerade der Fragebogen an alle Bischofskonferenzen versandt wurde – mit der ausdrücklichen Aufforderung aus Rom, die Fragen durch das Kirchenvolk beantworten zu lassen.

Die Bischofskonferenz von England und Wales hat den Fragebogen sofort ins Internet gestellt und lädt dort zum Ausfüllen ein. Die deutschen Bischöfe brauchten etwas länger, ehe sie einzeln diesem Beispiel folgten. Sicher, die Fragen aus Rom bedürfen einer Überarbeitung und Ergänzung. Deshalb ist es notwendig, dass sich die Moral- und Pastoraltheologen endlich wieder ohne Angst vor Rom in die Suche nach tragfähigen Lösungen einmischen.

Die Familien-Synode 2014 wird noch keine Entscheidungen treffen, aber sie wird hoffentlich ein ehrliches Bild liefern, wie das Kirchenvolk denkt, glaubt und handelt. Der sensus fidelium der Gläubigen ist gefragt. Auch dies ein Zeichen von Papst Franziskus, neue Wege zu gehen, wo alte sich als Sackgassen erwiesen haben.

Christian Weisner
Wir sind Kirche Deutschland
www.wir-sind-kirche.de

Zuletzt geändert am 20­.11.2013