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Veröffentlicht am 28­.12.2013

28.12.2013 - der 7. Tag / Hannoversche Allgemeine Zeitung

"Am Anfang einer neuen Kirchenära"

Herr Weisner, wo waren Sie am 13. März 2013? So gegen Abend?
Christian Weisner (Sprecher der Reformgrupe "Wir sind Kirche"): In Rom. Mit einer Gruppe von Kirchenreformern war ich zum Konklave gereist. Als der neue Papst auf den Balkon trat, war ich auf dem Petersplatz. Offen gestanden: Ich kannte diesen Jorge Mario Bergoglio gar nicht. Doch als ich mich bei argentinischen Reformgruppen umhörte, bekam ich schnell ein positives Bild von ihm.

Sie haben vor 18 Jahren in Hannover das „Kirchenvolksbegehren“ mit angestoßen, kämpfen seit Jahrzehnten für Reformen in der katholischen Kirche. Ist mit dem neuen Papst jetzt für Sie die Zeit des Frohlockens gekommen?
Nein und Ja. In der Kirche ist seither viel zu viel schief gelaufen, da gibt es nichts zu frohlocken. Aber offenbar haben auch die Kardinäle gesehen, dass es so nicht weitergehen kann, und einen Mann mit Basiserfahrung aus Lateinamerika gewählt, wo das Christentum eng mit einer Befreiungserwartung verbunden ist. Franziskus hat sofort Zeichen gesetzt. So trägt er keine roten, sondern schwarze Schuhe. Das ist scheinbar eine Kleinigkeit, aber es wird verstanden – in der katholischen Welt, in der Zeichen von jeher große Bedeutung haben, ebenso wie von den modernen Medien.

Franziskus predigt Solidarität mit den Armen und Reformen in der Kirche, hat aber bislang wenig unternommen, oder?
Falsch! Franziskus pflegt einen ganz neuen, einen spirituellen Leitungsstil. Er hat ein Kardinalsgremium zur Reform der Kurie eingesetzt. Er hat den umstrittenen Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone als zweiten Mann im Vatikan durch den diplomatisch sehr erfahrenen Pietro Parolin ersetzt und auch einen neuen Sekretär der Bischofssynode ernannt, die er offenbar stärken will. Das spricht für Kollegialität statt Zentralismus. Viele sagen, dass er den Vatikan nach ein paar Monaten besser kennt als Benedikt XVI. nach dreißig Jahren in Rom. Franziskus geht neue Wege.

Er hat aber auch gesagt, dass er Frauen nicht zu Priestern machen wird ...
Ich kann verstehen, dass das manche enttäuscht. Aber Franziskus ist grundsätzlich gegen jeden Klerikalismus. Und er hat auch gesagt, dass die Kirche mehr „weiblichen Genius“ an Entscheidungsstellen brauche. Es wäre unrealistisch zu glauben, dass die Kirche sich binnen weniger Monate komplett umkrempeln ließe. Auch ein neuer Manager eines krisengebeutelten Konzerns muss den alten Mittelbau seines Unternehmens ja mitnehmen, die Beharrungskräfte sind groß. Und in Afrika oder Asien leben viele Katholiken in patriarchalischen, wenig demokratischen Gesellschaften – auch bei uns tun sich viele Bischöfe mit einem Mentalitätswechsel schwer. Es kann zwei, drei Pontifikate dauern, bis der neue Kurs auch theologisch untermauert und kirchenrechtlich abgesteckt ist. Dennoch glaube ich, dass wir am Anfang einer neuen Kirchenepoche stehen.

Dafür hat der Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst gleich wieder viel Vertrauen in die Kirche verspielt.
Ja, auch dieser Skandal hat der Kirche schwer geschadet. Wenn Christen in Afrika hören, dass ein Bischof in Deutschland 31 Millionen Euro für ein Bischofshaus verbaut, fallen die doch im Wortsinne vom Glauben ab. Aber: Unter Benedikt XVI. hätte ein solcher Skandal nie so viel Aufmerksamkeit bekommen. Mit Franziskus als Vorbild lässt man einem Bischof so etwas nicht mehr durchgehen.

Interview: Simon Benne

Zuletzt geändert am 30­.12.2013