16.11.2006 - Deutschlandfunk
Papst stößt Diskussion um Eheverbot für Priester an
Moderation: Stefan Heinlein
Im Vatikan haben Gespräche über den Zölibat als Voraussetzung für das Priesteramt begonnen. Zu der theologischen Konferenz hat Papst Benedikt XVI. eingeladen. Christian Weisner, Initiator der Kirchenvolksbewegung "Wir sind Kirche", sagte, ungeachtet des dadurch entstandenen Priestermangels sei der Zölibat nicht mehr zeitgemäß.
Stefan Heinlein: "Das Zölibat ist ein Zeichen der ungeteilten Liebe zu Gott und den Mitmenschen", so der Papst noch vor einem Jahr zu seinen Bischöfen. Die Ehelosigkeit der Priester schien damit erneut auf Dauer zementiert. Doch Benedikt XVI. überrascht seine Kritiker. Ausgerechnet das als erzkonservativ und streng eingestufte Kirchenoberhaupt bringt nun offenbar Bewegung in die Diskussion. Keiner rechnet mit einer innerkirchlichen Revolution, doch das Spitzentreffen der Kurie heute deutet immerhin an: Das Nachdenken in der katholischen Kirche hat begonnen.
Am Telefon begrüße ich jetzt Christian Weisner von der Kirchenvolksbewegung "Wir sind Kirche". Guten Tag!
Christian Weisner: Ja, guten Tag!
Heinlein: Auch wenn die Kurie schweigt und wir wohl wenig erfahren werden, was ist Ihr Eindruck? Kommt Bewegung im Streit um das Zölibat?
Weisner: Ja. Ich denke, das ist schon etwas Besonderes, dass der Papst jetzt sich diesem Thema zuwendet, das er bisher in seinem Pontifikat doch eher beschwiegen hat. Aber wichtig. denke ich, ist es, dass man das nicht nur als Zahlenproblem sieht, sondern wirklich fragt, ist der Zölibat überhaupt noch heute zeitgemäß? Entspricht er noch dem evangeliumsgemäßen Auftrag, oder ist es einfach wirklich nur ein Festhalten an Traditionen, die ja gar nicht von Jesus selber kommen, sondern erst danach in die Kirche eingetreten sind.
Heinlein: Darüber, Herr Weisner, müssen wir gleich reden. Dennoch: hat der Papst Sie überrascht mit dieser Initiative, denn für Sie gilt er ja als sehr, sehr konservativ?
Weisner: Ja. Ich denke die Überraschung ist schon ein bisschen da, aber wir hatten das ja auch im Frühjahr dieses Jahres. Da hieß es auf einmal, der Papst hätte den Auftrag erteilt, über eine Aufweichung des Kondomverbots bei Aids-Kranken nachzudenken, und das wurde dann nachher nach zwei Monaten wieder dementiert. Also da muss man doch ein bisschen langsam tun, was wirklich da geschieht. Im Augenblick sind das hier ja eher, so wie auch gerade der Bericht kam, erst mal Ausnahmesituationen - so sieht das jedenfalls Rom -, aber ich denke, es sind natürlich nicht mehr Ausnahmesituationen. Die Zahlen sind ja ganz groß. Es sind möglicherweise ja hunderttausend und mehr Priester, die ihr Amt aufgeben mussten, und viele die unter dem letzten Papst das sogar gar nicht mit einem Dispens mehr tun konnten.
Heinlein: Wie viele Priester sind es denn, Herr Weisner, in Deutschland, die jedes Jahr ihren Dienst quittieren müssen auf Grundlage des Zölibats?
Weisner: Entschuldigung, das sind jetzt weltweite Zahlen, aber die katholische Kirche ist ja eine Weltkirche. Wenn so bei etwa 400.000 Priestern weltweit mehr als 100.000 ihr Amt aufgegeben haben, dann ist das schon ein großes Problem. Ich denke, das ist zum Beispiel gerade für die Kirchenvolksbewegung wichtig zu zeigen, dieses Problem ist nicht nur ein Problem hier in Deutschland, in den Ländern der Reformation, sondern es ist ein weltweites Problem. Und wir können das mit dem Priester-Import-Export aus Polen, aus Afrika nicht lösen.
Heinlein: Aber Zahlen für Deutschland liegen nicht vor?
Weisner: Die habe ich im Augenblick jetzt nicht, aber es sind doch wohl mehrere Hundert vielleicht im Jahr, die ihr Amt aufgeben. Ich selber habe die nicht, aber ich denke, man sollte vielleicht dann doch nicht an den Zahlen so kleben bleiben, sondern das Wichtige scheint mir: Der Papst hat mit dieser Kabinettssitzung ein Problem erkannt. Er hat es in die Diskussion gebracht. Und wenn jetzt Umfragen, wie sie gerade auch gestern wohl wieder gelaufen sind, zeigen, dass 70, 80 Prozent der Katholiken und Katholikinnen auch mit einer Aufhebung des Zölibats einverstanden sind, dann sind wir, glaube ich, im Augenblick in einem Prozess, über das Priesterbild insgesamt wirklich noch mal neu nachzudenken.
Heinlein: Was spricht denn für ein Ende des Zölibats?
Weisner: Wir haben gerade hier in Deutschland, aber auch international viele Gemeinden, viele Missionen, die keinen eigenen Priester mehr haben. Das heißt also, Christen sind zusammen, aber können ohne Priester ja nicht Kommunion feiern, können keine Ohrenbeichte geben. Das heißt, wir haben ein großes Problem, wirklich christliches Leben, und die Eucharistie, die Heilige Messe, das ist das Zentrum der Gemeinden, dieses zu praktizieren, Es gibt ja Wege zum Beispiel über erfahrene Männer, die dann zu Priestern geweiht werden, nachzudenken. Es gibt verheiratete Diakone. Die dürfen bloß noch keine Heilige Messe feiern. Es gibt natürlich verschiedene Wege, und ich denke, in diesen Wegen müssen wir uns bewegen. Da sind wir von der Kirchenvolksbewegung sehr froh, dass diese Diskussionen jetzt einsetzen.
Heinlein: Herr Weisner, würde aber tatsächlich ein Ende des Zölibats den Priestermangel beheben? Denn blickt man auf die evangelische Kirche, auch dort gibt es eklatanten Nachwuchsmangel.
Weisner: Ich glaube, das kann man mit der evangelischen Kirche nicht ganz so vergleichen. Da hat es manchmal auch eher das Problem, dass die evangelische Kirche nicht das Geld hat, die Theologen, die ausgebildet sind, einzustellen. Und dann haben sich Leute wieder nicht dafür entschieden. Umgekehrt ist es so: Gerade sind ja in Bayern die Entscheidungen getroffen worden, zwei katholische Fakultäten in Passau und Bamberg zu schließen. Das heißt, bei den Katholiken ist es so: Unter der jetzigen Regelung, dass Frauen nicht Priesterin werden können und nur der Zölibat eine Voraussetzung ist, ist auch eine Austrocknung. Viele Menschen würden gerne dieses Amt ausüben, aber sie können es unter den jetzigen Regelungen nicht.
Was mir am Wichtigsten ist: Die Gemeinden werden zusammengelegt auf die Zahl der wenigen Priester, die wir noch haben. Wenn man sich mal die Altersstruktur jetzt schon der Priester anguckt, hier in Deutschland, aber auch weltweit, die ist schon sehr, sehr hoch. Da sind viele schon nahe am Pensionsalter. Dieses Priestermodell des Zölibats, denke ich, hat sich überholt, ist nicht zukunftsfähig.
Heinlein: Christian Weisner war das von der Kirchenvolksbewegung "Wir sind Kirche". Vielen Dank und auf Wiederhören.
Weisner: Auf Wiederhören.
Zuletzt geändert am 16.11.2006