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Veröffentlicht am 24­.04.2014

24.4.2014 - schwaebische.de

Am Sonntag werden in Rom zwei Päpste heiliggesprochen

Von Klaus Nachbaur

RAVENSBURG / nab Man könnte profan anmerken: Auf zwei Heilige mehr oder weniger kommt es nicht an. Schließlich hat einer der beiden, die am Sonntag in Rom zur „Ehre der Altäre“ erhoben werden, in seiner Amtszeit allein 482 Frauen und Männer heiliggesprochen und weitere 1318 Kandidaten zu Seligen gemacht. Man könnte dem katholischen Journalisten Alexander Kissler zustimmen, der in der Zeitschrift „Cicero“ die Meinung vertritt, „die Heiligsprechung von Päpsten durch Päpste“ sei grundsätzlich ein Problem. Schließlich gehöre die „heroische Tugendübung“ zur Arbeitsplatzbeschreibung eines Oberhaupts der katholischen Kirche.

Man könnte sogar das notorische, reflexartige Genörgel aus dem deutschprachigen katholischen Raum ernst nehmen. Das unterstellt einem der Kandidaten „unbiblischen Personenkult“, „Pomp“ sowie „Klerikalismus“. Die Kritiker aus der Abteilung „Wir sind Kirche“ befürchten, dass mit seiner Heiligsprechung die distanzierte Beurteilung leiden könnte. Die Gefahr ist allerdings gering, solange „Wir sind Kirche“ so tapfer über die Kirche wacht. Und schließlich wäre anzumerken: Christen anderer Konfessionen ist der ganze katholische Heiligenkult sowieso suspekt.

Zwei unterschiedliche Päpste

All diese Bedenken, kritischen Betrachtungen, Distanziertheiten werden aber nicht verhindern, dass sich am kommenden Sonntag in Rom Pilger in Rekordzahl versammeln. Niemand weiß genau, ob es eine Million oder zwei oder drei Millionen sein werden. Sie wollen diese doppelte Heiligsprechung mitfeiern, sie freuen sich, dass zwei Männer der Kirche nun ganz offiziell Vorbilder im Glauben sind, Fürsprecher bei Gott, Große der Kirche.

Johannes Paul II. und JohannesXXIII.: zwei Päpste, die auf sehr unterschiedliche Weise gewirkt und ihr Erbe hinterlassen haben. „Jahrhundertpapst“ hat man den Mann aus Polen genannt, der mehr als 26 Jahre lang den Stuhl Petri innehatte. Als „il papa buono“, als „der gute Papst“ galt den Menschen seiner Zeit der andere, der nur fünf Jahre im Amt war, in dieser Zeit aber mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil das wichtigste kirchenpolitische Ereignis des Jahrhunderts angestoßen hat.

Steckt ein tieferer Sinn dahinter, diese beiden Kirchenführer gemeinsam heiligzusprechen? Wahrscheinlich schon. Papst Franziskus hat die Kanonisierung des 1963 verstorbenen Johannes XXIII. quasi im Eiltempo verfügt. Er hat beschlossen, dass in diesem Fall kein Wunder nachgewiesen werden müsse, weil das Leben des Konzilspapstes in all seiner Bescheidenheit und Demut für sich spreche. Loris Capovilla, der Privatsekretär Johannes XXIII., ist heute fast 100 Jahre alt. Papst Franziskus hat ihn am 22. Februar in den Kardinalsrang erhoben. Capovilla ist aufgefallen, dass sich Franziskus und Johannes XXIII. sehr ähnlich seien. Aber der einstige enge Mitarbeiter kann mit dem Bild vom „papa buono“ nicht viel anfangen. Ein „sehr entschlossener Papst“ sei das gewesen, seine Gestalt werde durch die ihm zugeschriebene Gutmütigkeit „erdrückt“. Was meint Capovilla mit der Ähnlichkeit? Vielleicht dies: Das von Papst Johannes XXIII. einberufene Konzil hat die Kirche geöffnet, sie auf die Höhe der Zeit gebracht. Es hat die Versöhnung mit dem Judentum besiegelt, den ökumenischen Dialog angestoßen. Johannes XXIII. hat sich in seiner berühmten Enzyklika „Pacem in terris“ erstmals nicht nur an Katholiken gewandt, sondern „an alle Menschen guten Willens“. Da scheinen Wesensmerkmale des aktuellen Papstes durch. Und dass Franziskus mindestens so entschlossen wie bescheiden ist, scheint inzwischen ebenfalls festzustehen.

Und Johannes Paul II.? Er hat die durch das Konzil geöffneten Türen zur Welt durchschritten. Dieser Papst aus Polen hat viele Rekorde gebrochen und Premieren gesetzt. Er absolvierte Reisen in 127 Länder, er feierte 1995 in Manila eine Messe mit vier Millionen Gläubigen. Er hat als erster Papst eine lutherische Kirche besucht, er hat den interreligiösen Dialog – vor allem mit den Muslimen – auf den Weg gebracht. Er hat für seine Kirche im Jahr 2000 ein „mea culpa“ gesprochen und um Vergebung für die Sünden der Vergangenheit gebeten. Er war der große Versöhner mit dem Judentum. Der frühere Oberrabbiner von Rom hat ihn einen „Gerechten der Nationen“ genannt, einen, „der von Gott bestimmt war, dem Bild Gottes auf besondere Weise zu ähneln“.

Er hat auch polarisiert

Seine Rolle beim Sturz der kommunistischen Diktaturen wird wahrscheinlich erst in Jahrzehnten richtig gewürdigt werden. Die Besuche in der polnischen Heimat waren von Anfang an politische Kundgebungen. Sein „Habt keine Angst!“ blieb in den Köpfen der Menschen haften – und sie handelten danach. Das Attentat vom 13. Mai 1981, das der Papst schwer verletzt überlebte, war vom sowjetischen Geheimdienst KGB eingefädelt. So steht es jedenfalls im Bericht eines Untersuchungsausschusses des Parlaments in Rom.

Johannes Paul II. hat auch polarisiert. Der Mann, der den Kommunismus erlebt hatte, konnte mit der lateinamerikanischen Befreiungstheologie wenig anfangen. Gleichzeitig war er ein scharfer Kritiker des neoliberalen Kapitalismus. Er hat an die „ökologische Berufung“ der Christen appelliert und war in Fragen der katholischen Morallehre ein Konservativer. Die Jugend feierte den Charismatiker dennoch wie einen Pop-Star – und Johannes Paul II. feierte mit den jungen Menschen. Die von ihm im Jahr 1985 eingeführten Weltjugendtage zogen und ziehen regelmäßig Millionen junger Pilger an.

Seine Gebrechlichkeit in den letzten Lebensjahren, sein fast öffentliches Sterben haben Millionen Menschen angerührt. „Santo Subito" –„sofort heilig“ haben sich viele bei den Begräbnisfeierlichkeiten im April 2005 gewünscht. Neun Jahre hat das Verfahren gedauert, und für römische Verhältnisse ist das fast ein „subito“.

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Zuletzt geändert am 26­.04.2014